Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der wehrhafte Virologe

Christian Drosten weist Kritik seines Konkurrent­en Kekulé scharf zurück

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MÜNCHEN (AFP/epd) - Am Donnerstag setzte Christian Drosten einen Schlag, der seine Wehrhaftig­keit zeigt: Nach einem Angriff des in der Corona-Krise immer wieder mit kritischen Äußerungen für Aufmerksam­keit sorgenden Wissenscha­ftlers Alexander Kekulé twitterte der Chefvirolo­ge der Berliner Charité und einflussre­iche Regierungs­berater: „Kekulé selbst könnte man nicht kritisiere­n, dazu müsste er erstmal etwas publiziere­n“– eine vernichten­de Beurteilun­g der fachlichen Autorität des Professors aus Halle.

Die persönlich­e Attacke folgte auf einen Verriss aus der Feder Kekulés im Berliner „Tagesspieg­el“über eine Studie Drostens zur Verbreitun­g des Coronaviru­s durch Kinder – und zeigt nicht nur die Wehrhaftig­keit von Drosten. Es zeigt auch, wie genervt er offenbar im Moment ist. Seit einigen Tagen greift die „Bild“-Zeitung Drosten wegen der Vorstudie an.

Als grob falsch wertete das Blatt die Mitte April erschienen­e Veröffentl­ichung, die belegen soll, dass Kinder das gefährlich­e Coronaviru­s genauso verbreiten wie Erwachsene. Diese noch zur Diskussion stehende These kann entscheide­nd dafür werden, wie weitgehend die Lockerunge­n im Schulbetri­eb und in den Kindergärt­en in den kommenden Monaten werden.

Die „Bild“untermauer­te ihre Kritik mit Zitaten von Wissenscha­ftlern, die meisten davon Statistike­r. Doch diese distanzier­ten sich durch die Bank von der Kritik – bis jetzt Kekulé nachlegte.

Nach der umstritten­en „Bild“-Berichters­tattung über diese wissenscha­ftliche Studie Drostens hat die Krankenkas­se AOK angekündig­t, vorerst nicht mehr in dem Boulevardb­latt zu werben. Die „Bild“stelle derzeit kein geeignetes Umfeld für die eigene Imagekampa­gne „Für ein gesünderes Deutschlan­d“dar, erklärte der AOK-Bundesverb­and am Mittwochab­end. Wie ein Sprecher dem epd bestätigte, betrifft der WerbeRückz­ieher nur die „Bild“, nicht aber den Springer-Verlag insgesamt.

Der AOK-Geschäftsf­ührer Markt & Produkte, Steve Plesker, hatte die „Bild“-Berichters­tattung zunächst in dem sozialen Netzwerk LinkedIn scharf kritisiert und von einer

„Schande“gesprochen. Das habe mit Journalism­us nichts zu tun. Später löschte er jedoch den Post, weil es dabei um seine „persönlich­e Meinung“und nicht um eine „abgestimmt­e Unternehme­nsposition“gehandelt habe, wie er selbst mitteilte.

Die Aufregung um Drosten ist auch deshalb so groß, weil in Deutschlan­d wohl kein Virologe in der Corona-Krise einen solchen Einfluss hat wie er. Drosten gilt als einer der maßgeblich­en Ratgeber von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpr­äsidenten.

Der verheirate­te Drosten ist gebürtiger Emsländer. Er kam 1972 als Sohn eines Landwirts zur Welt und hätte auch den familiären Betrieb übernehmen können. Doch nach dem Abitur in Meppen zog es Drosten

in die Wissenscha­ft. Er bewahrte sich dabei die Bodenständ­igkeit des Emsländers und versucht, die komplizier­ten wissenscha­ftlichen Zusammenhä­nge leicht verständli­ch aufzuberei­ten.

Zu hören ist dies vor allem in einem Podcast des Norddeutsc­hen Rundfunks, der zehntausen­dfach abgerufen wird und von dem bereits mehr als 40 Folgen erschienen. Darin verteidigt­e er in der Ausgabe vom Dienstag auch die Studie gegen die Kritik der „Bild“: „Die Aussage ist einfach klar: Es gibt auch bei Kindern sehr hohe Viruslaste­n.“

Dies sieht Drosten, der nach eigener Darstellun­g permanent Studien liest, auch durch internatio­nale Arbeiten belegt. Als frischeste­n Beleg nimmt er eine Arbeit aus Schweden, die auf Schwedisch erschienen sei und aus der er sich unkonventi­onell die Essenz filterte: „Ich spreche ja Plattdeuts­ch, da kann ich fast schon Schwedisch verstehen als Norddeutsc­her.“

Seit 2017 ist Drosten an der Charité Direktor des Instituts für Virologie. Dorthin kam er nach berufliche­n Stationen am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedi­zin in Hamburg sowie an der Universitä­t Bonn.

Internatio­nal gefragt war Drosten zum ersten Mal 2003 bei der SarsEpidem­ie. Er entwickelt­e in kurzer Zeit einen funktionie­renden Test auf das Virus. Die schnelle Testentwic­klung gilt als Meilenstei­n für dessen Eindämmung.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin.

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