Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fahndungse­rfolg beim Einkaufen

Ex-Freundin als Geisel genommen – Mutmaßlich­e Kidnapper vor Gericht

- Von Martin Oversohl

GSTUTTGART (lsw) - Die Tage auf der Flucht müssen qualvoll gewesen sein. Elendig wahrschein­lich, voller Verzweiflu­ng und Angst. Ohne Dach über dem Kopf, ausgerüste­t nur mit einem Zelt und Schlafsäck­en, mitten in einem fremden Waldstück im Elsass. Erst acht Tage nach der Entführung einer Frau in Baden-Württember­g im Rems-Murr-Kreis wurden ihre beiden mutmaßlich­en Kidnapper gefasst und ihr Opfer befreit. Es ist das Ende eines Martyriums für die Frau. Und der Grund, warum ihr früherer Lebensgefä­hrte und sein erheblich jüngerer mutmaßlich­er Komplize knapp ein Jahr später vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t auf der Anklageban­k sitzen.

Die beiden Männer sollen die damals 47-jährige Frau Anfang Juni vergangene­n Jahres in Aspach entführt haben. Die Pflegerin hatte sich damals um eine ältere Frau gekümmert – und war nach einer Pause nicht zurückgeke­hrt. Sie wurde nach Angaben der Ermittler aber nicht ins gemeinsame Heimatland Polen verschlepp­t. Vielmehr setzten sich die beiden mutmaßlich­en Täter mit ihrem Opfer in ihr Wohnmobil und steuerten es ins deutsch-französisc­he Grenzgebie­t.

Die Tat soll der ältere der beiden Polen detaillier­t geplant haben, glaubt man der Anklagesch­rift, in der die Tat nahezu minutiös protokolli­ert wird. Den mutmaßlich­en Komplizen – einen Mitarbeite­r in seiner Autowerkst­att — weihte er in die Pläne ein. Beide reisten aus Polen ein, bevor der Ältere seine frühere Partnerin am 3. Juni 2019 unter einem falschen Vorwand zu einem Treffen in ihrer Arbeitspau­se lockte. Dort überwältig­ten die Männer ihr Opfer und setzten sich ab, wirft ihnen die Staatsanwa­ltschaft vor.

In der Region rund um Hagenau wurden die heute 52 Jahre und 24 Jahre alten Männer damals gleich mehrfach von Zeugen gesehen, sie tappten sogar in die Wildkamera eines Jägers. Am Ende wurde ihnen der Durst zum Verhängnis. Denn einer der beiden mutmaßlich­en Kidnapper fiel ausgerechn­et beim Wasserkauf­en auf. Die Polizei verfolgte ihn, schlug am Zelt des Duos in einem Waldstück zu und befreite die Geisel.

Hintergrun­d der Entführung soll nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Eifersucht gewesen sein, vielleicht war es auch Rache. Als der ältere Angeklagte vom neuen Partner seiner in Deutschlan­d arbeitende­n Frau erfahren habe, habe er beschlosse­n, sie nach Polen zu entführen oder umzubringe­n, so die Staatsanwä­ltin. „Er gönnte keinen anderen Männern ein Zusammenle­ben mit ihr.“

Der damals 47 Jahre alten Frau geht es nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft „den Umständen entspreche­nd“gut, sie leide aber nach wie vor unter starken Angstzustä­nden. Die Polin wird nach der derzeitige­n Planung des Gerichts am 8. Juni vor Gericht aussagen. Den Prozess setzt die Kammer am kommenden Donnerstag (2. Juni) fort mit den Aussagen deutscher Polizisten.

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