Endlich Klarheit
Fußball, Regionalliga: Nach Saisonabbruch richtet sich der Blick der Spatzen auf 2020/21
GULM - Der DFB-Bundestag am vergangenen Montag wird noch lange nachhallen. Nicht nur wegen seiner rein digitalen und deshalb bislang einzigartigen Präsentation, sondern insbesondere auch wegen der Inhalte, die so wichtig für die Fußballwelt waren, wie selten zuvor. Die Ergebnisse werden die Branche jedenfalls noch einige Zeit lang beschäftigen und hatten bereits Folgen. Auch für den Regionalligisten SSV Ulm 1846 Fußball.
Nachdem beim Bundestag entschieden worden war, dass die 3. Liga fortgesetzt werden soll und die zuständigen Verbände einen Aufsteiger aus der vierten Liga bestimmen dürfen, wenn sie sich zu einem Abbruch entschließen sollten, beendete die Regionalliga Südwest ihre Saison zum Stichtag 30. Juni. Das sorgte einerseits für Erleichterung bei den Viertligisten, die seit Wochen auf eine Entscheidung warten mussten. Andererseits sorgte es für pure Begeisterung. Durch die Entscheidung der Liga-Verantwortlichen, den Aufsteiger in die 3. Liga mit der Quotientenregelung zu bestimmen, war klar, dass der 1. FC Saarbrücken in der kommenden Saison in der dritthöchsten deutschen Spielklasse antreten wird. Dass es Saarbrücken verdient hat, daran zweifelt niemand in der Liga. Mit sechs Punkten Vorsprung thront der FCS an der Tabellenspitze. Stephan Baierl, Sportlicher Leiter des SSV Ulm 1846 Fußball, sagte: „Saarbrücken ist zurecht aufgestiegen, es war in dieser Saison in allem ein Stück weiter als die anderen Teams.“Auch am anderen Ende der Tabelle gibt es Grund zur Freude, selbst wenn die teilweise mit Augenreiben garniert sein dürfte: Absteiger gibt es keine, was auch zur Folge hat, dass Schlusslicht RW Koblenz mit null Siegen und fünf Punkten aus 22 Spielen in der Liga bleiben darf.
In der kommenden Saison wird es eng im Spielplan: Dadurch, dass es vier Aufsteiger aus der Oberliga geben wird (VfB Stuttgart II, Eintracht Stadtallendorf, Hessen Kassel, Schott Mainz) und mit Sonnenhof Großaspach ein württembergisches Team abstiegsgefährdet in der 3. Liga spielt, könnte die Regionalliga Südwest auf 22 Teams anschwellen. Als möglicher Starttermin für die Spielzeit 2020/21 gilt der 1. September. Bis dahin sind es noch drei Monate, in denen es sich zeigen wird, ob es realistisch ist, zu dem Zeitpunkt einen Spielbetrieb zu starten. Geisterspiele kommen für die Regionalligisten aber nicht infrage: „Das lehnen alle ab“, sagt Stephan Baierl. „Die Atmosphäre von Geisterspielen hat ja nichts mit normalem Fußball zu tun.“Dazu kommt, dass Geisterspiele für Amateurklubs, zu denen Regionalliga-Teams auf dem Papier zählen, Verlustgeschäfte bedeuten. Fernseheinnahmen, der treibende Faktor hinter den Öffnungen der ersten und zweiten Bundesliga, gibt es in der vierten Liga nicht und so müssten Klubs durch die Organisationskosten von Geisterspielen am Ende draufzahlen. Für Sponsoren sind Partien ohne Zuschauer auch uninteressant, weil es dann keine Adressaten für die Stadionwerbung gibt. Noch bleibt der Liga und den Vereinen aber Zeit, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. Baierl ist jedenfalls optimistisch, dass sich etwas in den nächsten Wochen tun wird: „Es wird eine Lösung geben.“Er kann sich beispielsweise vorstellen, Zuschauer mit Abstand über das ganze Donaustadion zu verteilen. Mit Platz für 18 000 Zuschauer gebe es dafür genügend Fläche in der Heimspielstätte des SSV.
Ein bisschen klingen solche Gedanken aber noch nach Zukunftsmusik, erst mal ist für den Sportlichen Leiter wichtig, dass es jetzt Klarheit gibt, dass die Saison vorbei ist. Auch die Spatzen hatten sich für einen Abbruch ausgesprochen. „Wir hätten uns das Ergebnis früher gewünscht, aber die Verbände haben sich sehr bedeckt gehalten.“Abgesehen vom bayerischen Verband BFV haben andere Organisationen lange mit einer Entscheidung gewartet, da sie Klagen und Regressforderungen im Falle eines Saisonabbruchs fürchteten. Mit seiner Entscheidung, die laufende Saison am 1. September fortzusetzen, steht der BFV nun aber ziemlich alleine da. Es ist wahrscheinlich, dass sich auch daran in den nächsten Tagen und Wochen etwas ändern wird.
Damit zeichnet sich langsam aber sicher ein Ende des fußballerischen Flickenteppichs in der Bundesrepublik ab, ein weiterer wichtiger Punkt ist aber noch unklar: Wie es mit den Verbandspokalen weitergeht. Der württembergische Fußballverband WFV will seinen Pokalwettbewerb zu Ende spielen, es hängen Prestige und Sponsorendeals daran. Wer das Turnier gewinnt, spielt im DFB-Pokal, die Finalspiele aller Verbandswettbewerbe werden live im TV beim „Finaltag der Amateure“übertragen. Es soll jedes Jahr eine Würdigung der „Kleinen“sein, was auch dem DFB wichtig ist, weil der von den Amateurklubs nicht als der Wohltäter betrachtet wird, als der er sich selbst gern sieht. Für die Ulmer Spatzen wäre es zwar nicht unwichtig, ihren Titel im WFV-Pokal zu verteidigen, Baierl ist aber skeptisch, ob die restlichen Spiele überhaupt stattfinden werden. Er sieht vor allem ein Zeitproblem. Optimalerweise müssten die Pokalspiele vor dem 30. Juni stattfinden, danach enden Spielerverträge und das Mannschaftsgefüge der Teilnehmerklubs ändert sich. „Ich weiß nicht, ob sich der WFV damit einen Gefallen tut.“Zudem trainieren die Spatzen derzeit in Kleingruppen ohne Körperkontakt, an einen Spielbetrieb sei deshalb nicht zu denken. Somit hofft Baierl, dass sich die Vorgaben wenigstens im Training in naher Zukunft etwas lockern, die aktuelle Situation sei nicht zufriedenstellend.
Es scheint also, als richtete sich der Blick der Ulmer vor allem auf die kommende Saison. Kürzlich gaben sie mit Lukas Kiefer den ersten Neuzugang bekannt. Im Internet wird spekuliert, dass Ulm Interesse am Uerdinger Torhüter René Vollath hat. Das wollte Stefan Baierl aber nicht kommentieren.