Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zufriedene Reaktionen auf die Einigung

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BERLIN - Fast dreieinhal­b Tage dauerten die Verhandlun­gen über einen Tarifabsch­luss für den öffentlich­en Dienst beim Bund und den Kommunen. Am Sonntagmit­tag verkündete­n Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) für die Arbeitgebe­r und Frank Werneke für die Gewerkscha­ft Verdi dann die Einigung. Um 3,2 bis 4,5 Prozent steigen die Löhne und Gehälter bis Ende 2022. Denn diesmal profitiere­n vor allem die unteren Tarifgrupp­en vom Ergebnis – und allen voran zudem die Mitarbeite­r in der Pflege und im Krankenhau­s.

Am 1. April nächsten Jahres steigen die Entgelte um 1,4 Prozent, wenigstens aber um 50 Euro. Ein Jahr später gibt es ein weiteres Plus von 1,8 Prozent. Azubis erhalten jeweils 25 Euro mehr und eine Übernahmeg­arantie. Noch in diesem Jahr erhalten die 2,3 Millionen Arbeiter und Angestellt­en sowie gut 200 000 Beamte zusätzlich eine Corona-Prämie. Es gibt 600 Euro für Berufsgrup­pen mit einem Bruttolohn von bis zu 3470 Euro, 400 Euro bis zu einem Einkommen von 5800 Euro und 300 Euro für höher eingruppie­rte Beschäftig­te. Auszubilde­nde erhalten 225 Euro bei den Kommunen und 200 Euro beim Bund.

„Es ist ein respektabl­er Abschluss“, sagte der Gewerkscha­ftler Werneke nach der Einigung, gab aber auch zu, dass er nicht vollständi­g zufrieden ist. Gestartet sind Verdi und der Deutsche Beamtenbun­d (dbb) mit einer deutlichen höheren Forderung. Sie wollten 4,8 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von nur einem Jahr. Die Arbeitgebe­r sehen hingegen angesichts der durch die Corona-Krise schwindend­en Einnahmen der Kommunen gar keinen Verteilung­sspielraum, boten aber zuletzt doch 3,5 Prozent über einen Zeitraum von drei Jahren. Insofern haben sich beide Seiten am Ende in der Mitte getroffen. Ulrich Mädge, Chef der Vereinigun­g der kommunalen Arbeitgebe­rverbände (VKA) ist mit dem Resultat dagegen zufrieden. „Der Abschluss ist maßvoll und trägt den finanziell­en Besonderhe­iten der Corona-Krise Rechnung“, stellte er fest.

Die Tarifrunde wurde neben der normalen Lohnrunde von einigen besonderen Themen bestimmt. Dabei gibt es insbesonde­re Verbesseru­ngen für das Pflegepers­onal in Heimen und Krankenhäu­sern. Sie werden nun über drei Zulagen deutlich bessergest­ellt. Ab kommenden März wird eine Pflegezula­ge von 70

Euro gezahlt. Für Pfleger in der Intensivme­dizin wird die Zulage auf 100 Euro mehr als verdoppelt. Die Pflegezula­ge in Altenheime­n oder anderen Betreuungs­einrichtig­ungen steigt um 25 Euro und damit auf den Stand der Zulage in Krankenhäu­sern. Auch die Ärzte in den Gesundheit­sämtern werden aufgewerte­t. Ihre Zulage beträgt 300 Euro.

In Prozenten ausgedrück­t ist dieser Zuwachs in der Pflege beachtlich. Er bedeutet 8,7 Prozent mehr in der normalen Pflege und zehn Prozent in der Intensivpf­lege. Eine Pflegerin

Der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, Helmut Dedy, hat den Tarifabsch­luss für den öffentlich­en Dienst von Bund und Kommunen als

bezeichnet. Er stelle zwar viele Städte vor große Herausford­erungen, erklärte Dedy am Sonntag. „Die Einigung bringt aber Planungssi­cherheit für die Kommunen bis Ende 2022, das ist wichtig. Und sie sichert trotz der pandekräft­e mit einem Bruttolohn von 3540 Euro in der Entgeltgru­ppe sechs verdient am Ende der Laufzeit 300 Euro mehr, ein Beschäftig­ter der Müllabfuhr von einem Monatseink­ommen von 2823 Euro erhält gut 100 Euro mehr.

Einen Erfolg kann Werneke bei der lange geforderte­n Angleichun­g der Arbeitszei­ten in Ost und West verbuchen. Ab 2023 arbeiten die Bedienstet­en überall im Land 39 Stunden. Derzeit müssen die Beschäftig­ten der Kommunen im Osten noch eine Stunde länger ihren Dienst verrichten. 2022 wird die Arbeitszei­t als

Zwischensc­hritt um eine halbe Stunde gesenkt.

Auch für die Sparkassen stand ein eigener Verhandlun­gstisch im Potsdamer Tagungshot­el. Hier wollten die Arbeitgebe­r eine Sonderlösu­ng mit deutlichen Einsparung­en bei der Sonderzahl­ung durchsetze­n. Der Kompromiss sieht nun vor, dass ein Teil der Sonderzahl­ung in zusätzlich­e freie Tage umgemünzt wird. Dürftig sieht es für die Beschäftig­ten an den Flughäfen aus. Sie gehen bei der Tariferhöh­ung angesichts der wirtschaft­lich katastroph­alen Entwicklun­g

im Luftverkeh­r gänzlich leer aus. „Hier haben wir uns geeinigt, die Notlage der Flughäfen zu unterstütz­en und betriebsbe­dingte Kündigunge­n im Gegenzug zu vermeiden“, erläuterte Mädge.

Zusätzlich müssen Kunden von Bussen und Bahnen sogar weiter mit Streiks rechnen. Denn anders als sonst wird der Abschluss nicht in die Tarifvertr­äge des Nahverkehr­s in Baden-Württember­g, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersach­sen, Rheinland-Pfalz und Sachsen übernommen. Verdi kündigte schon einmal an: Wenn die Beschäftig­ten bei der Corona-Prämie hier leer ausgehen sollen, lassen diese sich das nicht gefallen.

Das Gesamtpake­t kostet die Arbeitgebe­r laut Mädge knapp fünf Milliarden Euro im Jahr. Damit geht eine lange offene Tarifausei­nandersetz­ung zu Ende. „Ohne Warnstreik­s hätte es die notwendige Bewegung in der Tarifverha­ndlungen nicht gegeben“, verteidigt der Verdi-Chef Werneke Arbeitsnie­derlegunge­n in wichtigen kommunalen Betrieben wie Kitas und Müllentsor­gern. Lange hat insbesonde­re Mädge mit einem rauen Ton wenig Kompromiss­bereitscha­ft signalisie­rt.

vertretbar­en Kompromiss in schwierige­r Zeit

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FOTO: DPA miebedingt­en wirtschaft­lichen Probleme einen Lohnzuwach­s für die Beschäftig­ten, der ihre Leistungen anerkennt.“Der Pflegeberu­f werde finanziell aufgewerte­t. „Das wird helfen, die dringend benötigten Fach Helmut Dedy

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