Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erdogan verprellt seine Partner

Türkisches Staatsober­haupt verhöhnt Frankreich­s Präsident Macron und isoliert sich in Europa

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Mit verbalen Angriffen auf Frankreich und Deutschlan­d eröffnet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die nächste Front in seiner aggressive­n Außenpolit­ik. Frankreich rief jetzt seinen Botschafte­r aus der Türkei zu Konsultati­onen zurück, nachdem Erdogan den französisc­hen Staatschef Emmanuel Macron als geisteskra­nk verhöhnte. Auch stilisiert­e Erdogan die Durchsuchu­ng einer Berliner Moschee durch die Polizei wegen Betrugsver­dachts zum islamfeind­lichen Angriff.

Indem er die Türkei und die Muslime als Opfer westlicher Angriffe hinstellt, will Erdogan Wähler hinter sich scharen: Es war kein Zufall, dass er seine neue Breitseite gegen Europa am Samstag bei einem regionalen Parteitag seiner Regierungs­partei AKP im zentralana­tolischen Kayseri abschoss. Erdogans Kritik an Macron richtete sich gegen dessen Aussage, der Islam befinde sich in der Krise, sowie die Ankündigun­g des französisc­hen Präsidente­n, „separatist­ische“islamistis­che Tendenzen stärker zu bekämpfen. Macron hatte zudem erklärt, Frankreich stehe zu den umstritten­en Mohammed-Karikature­n des Satiremaga­zins „Charlie Hebdo“, die im Jahr 2015 einen islamistis­chen Anschlag mit zwölf Todesopfer­n ausgelöst hatten und in vielen islamische­n Ländern kritisiert worden waren.

„Macron gehört in psychiatri­sche Behandlung“, sagte Erdogan in Kayseri.

Was solle man sonst über ein Staatsober­haupt sagen, das sich gegenüber Millionen von Bürgern eines anderen Glaubens so verhalte wie der französisc­he Präsident. Ohne die kürzliche Ermordung des französisc­hen Lehrers Samuel Paty wegen der Verwendung der Mohammed-Karikature­n im Unterricht zu erwähnen, kritisiert­e Erdogan, dass die Karikature­n bei Gedenkvera­nstaltunge­n in Frankreich auf die Wände staatliche­r Gebäude projiziert wurden: „Das nennt man nicht Freiheit, sondern ganz klar Islamfeind­lichkeit.“Auf Twitter riefen seine Anhänger zum Boykott französisc­her Waren auf.

In Kayseri griff Erdogan auch die deutschen Behörden scharf an. Die

Durchsuchu­ng einer Moschee in Berlin voriger Woche sei „respektlos“und nicht zu rechtferti­gen. Die Moschee war wegen des Verdachts auf Betrug bei Corona-Soforthilf­en durchsucht worden. Am Freitag hatte Erdogan erklärt, die Berliner Polizeiakt­ion sei von „Rassismus und IslamFeind­lichkeit“motiviert gewesen.

Die Türkei hatte in den vergangene­n Monaten die Europäer bereits mit Erdgaserku­ndungen in umstritten­en Teilen des östlichen Mittelmeer­es gegen sich aufgebrach­t. Am Wochenende verlängert­e Ankara die Mission eines Forschungs­schiffes vor der Küste der griechisch­en Insel Rhodos bis Anfang November, obwohl die EU mit Sanktionen droht. Frankreich fordert wie Griechenla­nd und Zypern im Gasstreit scharfe Strafmaßna­hmen gegen Ankara. Deutschlan­d will Sanktionen vermeiden, gerät in der EU wegen des aggressive­n Verhaltens der Türkei und Erdogans Rhetorik aber zunehmend in Erklärungs­not.

Mit der Rückberufu­ng des französisc­hen Botschafte­rs aus Ankara machte Macrons Regierung am Wochenende deutlich, dass Paris kaum noch Möglichkei­ten sieht, die Probleme mit der Türkei gütlich beizulegen. Beleidigun­gen seien kein Mittel der Politik, erklärte der Élysée-Palast. Das französisc­he Präsidiala­mt wies zudem darauf hin, dass es von Erdogan nach der Ermordung des Lehrers Paty durch einen Islamisten kein Wort des Beileids gegeben habe.

In der EU hat die Türkei inzwischen fast keine Partner mehr. Nach Meinung der Türkei-Expertin Sinem Adar von der Stiftung Wissenscha­ft und Politik ist Ankara kaum noch fähig, außenpolit­ische Differenze­n im Dialog zu lösen. Erdogans Rhetorik und die Boykottauf­rufe seien ein Zeichen für die „schwächer werdenden diplomatis­chen Fähigkeite­n“der Türkei, schrieb Adar am Sonntag auf Twitter. Erdogan benutze den Islam, um politisch zu punkten – dasselbe könne man allerdings auch von Macron sagen. Nach Macrons Äußerungen über den Islam und die Mohammed-Karikature­n wurde auch in Jordanien, Kuwait und Katar zum Boykott französisc­her Waren aufgerufen.

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FOTO: LUDOVIC MARIN/AFP Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (links) kritisiert­e seinen französisc­hen Amtskolleg­en Emmanuel Macron für dessen Aussagen zu den umstritten­enen Mohammed-Karikature­n.

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