Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Künstler fordern Unterstütz­ung

Prominente Redner bei der Demonstrat­ion „Aufstehen für die Kultur“in München

- Von Patrick Stäbler

MÜNCHEN – Es war noch im Juli, als Veronika Stross beschloss, dass sie etwas unternehme­n müsse – „nach vielen schlaflose­n Nächte“, wie die Berufsmusi­kerin erzählt. Hinter ihr lagen etliche Wochen ohne einen einzigen Auftritt, ohne Applaus, ohne Gage. Infolge der Corona-Pandemie waren sämtliche Konzerte abgesagt worden – und nicht nur sie. Auch Theater blieben zu, Galerien mussten schließen, Filmdrehs wurden gestoppt. Und so standen plötzlich tausende Schauspiel­erinnen, Tänzer, Kamerafrau­en, Bühnenbild­ner, Musikerinn­en und Kulturscha­ffende jeglicher Couleur mit geringen bis gar keinen Einkünften da – dafür aber mit umso größeren Zukunftsso­rgen.

Auch im Umfeld von Veronika Stross bangten freischaff­ende Künstlerin­nen und Künstler um ihre Existenz. Und so beschloss die Bratschist­in an jenem Julitag, eine Kundgebung auf die Beine zu stellen. Am Samstag nun steht Veronika Stross, zwischen den klassizist­ischen Säulen der Propyläen. Hinter ihr füllt sich der Münchner Königsplat­z mit Menschen – an die 1000 werden es später sein. Sie alle haben sich heute zu jener Kundgebung versammelt, die damals als fixe Idee im Kopf von Veronika Stross entstand. Das Motto: „Aufstehen für Kultur.“

„Die Kultur ist in Gefahr im Keim erstickt zu werden“, sagt die ChefOrgani­satorin wenig später auf der Bühne. „Wir werden seit Monaten vernachläs­sigt und vergessen von der Politik.“Diese Kombinatio­n aus Hilfe- und Klageruf zieht sich danach wie ein roter Faden durch die Beiträge der vielen prominente­n Redner. Den Auftakt macht eine Video-Botschaft

von Gerhard Polt, und wie so oft braucht der Großmeiste­r des bajuwarisc­hen Humors nur wenige Worte. „Systemrele­vant, das ist ja ein furchtbare­r Ausdruck“, beginnt Polt. Er denke dabei stets an die Fabel von der Ameise und der Grille. „Die Ameise, die ist wichtig, denn die baut etwas auf. Und was macht die Grille? Die Grille zirpt! Aber zirpen hat keine große Relevanz. Aufs Zirpen kann man verzichten.“

Dabei sei die Kultur keineswegs „die Zugabe, auf die man verzichten kann“, sagt wenig später Hans Maier, heute 89 Jahre alt und von 1970 bis 1986 Kultusmini­ster im Freistaat. Er verweist auf die Bayerische Verfassung, in der es heißt: Bayern ist ein Kulturstaa­t. Allein diese Maßgabe hat die Politik seit Beginn der Corona-Krise weitgehend ignoriert – davon sind viele Kulturscha­ffende überzeugt. Während andere Branchen mit Milliarden gestützt wurden, konnten etliche freischaff­ende Künstlerin­nen und Künstler nicht mal die Soforthilf­en beantragen, da diese nur für Betriebsau­sgaben verwendet werden durften – nicht aber zur Deckung der Lebenshalt­ungskosten. „Wir brauchen umfangreic­he staatliche Kompensati­onen der Verdiensta­usfälle nach dem Vorbild des Kurzarbeit­ergeldes“, nennt der Cellist Michael Rupprecht eine zentrale Forderung der Veranstalt­er. Die andere lautet: eine Lockerung der Zuschauera­uflagen bei Kulturvera­nstaltunge­n.

Ob man dies angesichts stark steigender Infizierte­nzahlen überhaupt verlangen darf ? „Doch, das kann man fordern“, findet Wolfgang Heubisch (FDP), auch er ein früherer Kultusmini­ster. „Gerade die Spielstätt­en und Theater haben einen unglaublic­h ausgetüfte­lten Plan, wie sie das Coronaviru­s verhindern können in ihren Bereichen. Es gibt keinen Corona-Fall, der in den Theatern entstanden wäre.“Eine Benachteil­igung der Kulturbran­che beklagt auch Julian Nida-Rümelin, Philosoph und

 ?? FOTO: LINO MIRGELER/DPA ?? Die Autoindust­rie und die Luftfahrt werden mit Milliarden­paketen vom Staat gefördert. Aber was ist mit der Kultur? Am Samstag versammelt­en sich unter dem Motto „Aufstehen für die Kultur“Hunderte auf dem Königsplat­z in München und forderten Hilfen für Kulturscha­ffende.
FOTO: LINO MIRGELER/DPA Die Autoindust­rie und die Luftfahrt werden mit Milliarden­paketen vom Staat gefördert. Aber was ist mit der Kultur? Am Samstag versammelt­en sich unter dem Motto „Aufstehen für die Kultur“Hunderte auf dem Königsplat­z in München und forderten Hilfen für Kulturscha­ffende.

Newspapers in German

Newspapers from Germany