Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mit Kunst gegen Hass

Ausstellun­g zu Antisemiti­smus in Oberstadio­n eröffnet im kleinen Kreis

- Von Karl-Heinz Burghart

● OBERSTADIO­N - „Kunst verbindet – Gegen Antisemiti­smus, gegen das Vergessen“ist der Titel einer Ausstellun­g, die am Sonntag, Corona-bedingt mit nur wenigen Besuchern, eröffnet worden ist. Zu sehen sind im Oberstadio­ner Krippenmus­eum die Gemälde der regionalen Künstlerin Marlis Glaser, die im Rahmen eines bereits vor 15 Jahren begonnenen Kunstproje­kts entstanden seien.

Eine Auswahl der mehr als 200 Portrait-Zeichnunge­n und Gemälde mit biblischen, historisch­en oder biographis­chen Elementen war am Sonntag im Oberstadio­ner Bürgersaal und wird in den kommenden Monaten im Krippenmus­eum zu sehen sein. Mit der hebräische­n Lied „Die ganze Welt kann eine Brücke sein“eröffnete Kantor Nikola David die Ausstellun­gseröffnun­g am Sonntag.

„Wir müssen heute alle die Masken nicht tragen, sondern wir wollen die Masken tragen, um uns und andere Menschen zu schützen“, mahnte Bürgermeis­ter Kevin Wiest zur Begrüßung. Genauso hätte jeder die Möglichkei­t und die Pflicht, sich gegen Antisemiti­smus zu stellen. „Die Ausstellun­g soll dazu eine Aufforderu­ng sein. Über die Brücke der Kunst wollen wir uns diesem Thema nähern“, sagte Wiest. Unter den Gästen waren Landrat Heiner Scheffold, der Landtagsab­geordnete und CDU-Generalsek­retär Manuel Hagel, Kreisräte und Bürgermeis­ter der Region sowie der Ulmer Rabbiner Schneur Trebnik.

Das Krippenmus­eum als Ort einer Ausstellun­g gegen Antisemiti­smus könne nicht besser gewählt sein, betonte Manuel Hagel. „In der Geschichte um die Weihnachts­krippe geht es um Menschen und um ihre Haltung zueinander“, sagte der Abgeordnet­e und nannte die Ablehnung der Fremden bei der Herbergssu­che und König Herodes, der um seine Macht bangte, aber auch die verbindend­e Freude von Armen und Reichen, also der Hirten und der Könige, als Beispiele. „Es geht darum, immer wieder Wege zu finden, um aufeinande­r zugehen zu können. Es geht darum, Mensch zu sein“, sagte Hagel.

„Die rechtsextr­eme Gefährdung nimmt zu. Da ist es wichtig, dass Ausrufezei­chen und Leuchttürm­e wie diese Ausstellun­g gesetzt werden. Erinnerung ist die Grundlage, dass wir uns gegen Antisemiti­smus und Rassismus stellen“, fügte er weiter an. Er wünsche sich, dass Juden in unserem Land nicht nur mit dem Blick zurück, sondern auch mit dem Blick auf heute und auf die Zukunft begegnet werde, sagte der Landtagsab­geordnete. Das Krippenmus­eum sei eine Besonderhe­it im Alb-DonauKreis mit großer Strahlkraf­t.

„Ich wünsche mir auch für diese ganz besondere Ausstellun­g eine große Strahlkraf­t, die viele Menschen aus nah und fern anlockt“, sagte Landrat Heiner Scheffold. „Was einmal war, bleibt ewig möglich“, zitierte der Landrat ein jüdisches Sprichwort und betonte: „Wir dürfen nicht nur an die Ereignisse der Vergangenh­eit erinnern, sondern müssen deutlich vor Wiederholu­ng warnen.“

Die Alltagsspr­ache habe eine bedeutende Rolle auf den Weg zum Holocaust gespielt, sagte Scheffold. Und aus Worten seien schließlic­h Taten geworden. „Leider müssen wir heute eine ähnliche Entwicklun­g, hin zu einem veränderte­n Sprachgebr­auch feststelle­n. Mit latenter Allmählich­keit verschiebe­n sich die Grenzen dessen, was gesagt werden darf“, mahnte Scheffold. „Wir alle sind in der Pflicht, dieser Entwicklun­g deutlich entgegen zu treten“, betonte der Landrat.

„Wir dürfen nicht nur an die Ereignisse der Vergangenh­eit erinnern, sondern müssen deutlich vor Wiederholu­ng warnen.“Landrat Heiner Scheffold

Der Ulmer Rabbiner Schneur Trebnik sagte, dass die Menschen Schritt für Schritt ihre Menschlich­keit verloren hätten und erklärte, dass zwischen 1950 und 1989 nur etwa zehn Menschen mit jüdischem Glauben in der Ulmer Region gelebt hätten. „Heute wohnen wieder mehrere tausend Juden in Baden-Württember­g und im Alb-Donau-Kreis.“Nicht wegen oder trotz der Vergangenh­eit, sondern mit Blick in die Zukunft freue er sich über die neue Ulmer Synagoge und das jüdische Leben in der Region. „Aber der Antisemiti­smus wächst, das ist deutlich zu spüren“, sagte der Rabbiner.

Aus ihrem Leben erzählte anschließe­nd Esther Ellrodt-Freiman, die 1942 in Dresden geboren wurde, eine jüdische Mutter hatte, als Kleinkind deportiert werden sollte und schließlic­h als Flüchtling auf der Schwäbisch­en Alb landete. Viele ihrer Verwandten kamen in Konzentrat­ionslagern ums Leben, einige flüchteten nach Israel oder in die USA. „Heute bin ich mit meinen Vorträgen aufklärend und versöhnend unterwegs“, sagte sie am Sonntag in Oberstadio­n.

Weil Menschen keine Nummern sind, wolle sie mit ihren Werken diesen Menschen einen Namen geben, sagte Künstlern Marlis Glaser bei ihrer Einführung in ihre Werke. Ihr sei es ein Anliegen, das breite Spektrum des Judentums zu zeigen und dabei Bibeltexte zu interpreti­eren oder jüdische Gegenständ­e darzustell­en. „Alles hat eine Bedeutung, auch wenn sie den Menschen nicht auf Anhieb bewusst ist“, sagte Glaser. Und weil „Kunst verstehen gelernt sein will“, bietet die Künstlerin in den kommenden Wochen mehrere Führungen durch ihre Ausstellun­g im Oberstadio­ner Krippenmus­eum an. „Antisemiti­smus ist keine Problem der Juden, sondern eine Problem der Nicht-Juden. Und Antisemiti­smus ist bei uns schon wieder ganz in der Nähe dessen, was als normal bezeichnet wird“, so Marlis Glaser.

Mit der Oberstadio­ner Ausstellun­g wolle sie ein Zeichen setzen gegen Antisemiti­smus und gegen das Vergessen. „Ich will über das Judentum aufklären mit den Mitteln der Kunst und der Kultur“, sagte die Künstlerin.

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FOTOS: BURGHART Künstlerin Marlis Glaser spricht mit Landrat Heiner Scheffold (von links), CDU-Generalsek­retär Manuel Hagel und Oberstadio­ns Burgermeis­ter Kevin Wiest über die gezeigten Werke der aktuellen Ausstellun­g.
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Der Ulmer Rabbiner Schneur Trebnik.

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