Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tipps der Polizei gegen den Enkeltrick

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die meisten dieser in Methoden der Gesprächsf­ührung geschulten Anrufer in profession­ell organisier­ten Callcenter­n in der Türkei, ihre Hintermänn­er sitzen ebenfalls in der Türkei und sind für die deutsche Justiz kaum zu fassen. Nach Recherchen des Rundfunks BerlinBran­denburg (rbb) finden sich zu dieser Masche Banden mit ganz unterschie­dlicher Täterherku­nft zusammen. Einige Verfahren werden eindeutig der Clankrimin­alität zugeordnet. Erfahrene Ermittler aus diesem Bereich vermuten gar, dass einzelne Clans mit den Erträgen aus dem Telefonbet­rug inzwischen mehr Geld verdienen als mit dem organisier­ten Drogenhand­el, Raub oder Einbrüchen.

„Einzige Voraussetz­ung für den Mitarbeite­r im Callcenter: Er muss perfekt Deutsch sprechen“, sagt ein Ermittler, „dann kann er gezielt Vertrauen aufbauen.“Die Anrufer sind in Deutschlan­d aufgewachs­en, dadurch wirken sie auf ihre Opfer sehr authentisc­h. Fahnder nennen sie „Keiler“. Sie sind einfühlsam, vor allem aber einschücht­ernd. Sie erfinden Märchen und weben Netze, in denen sich ihre Opfer hoffnungsl­os verheddern.

In Einzelfäll­en telefonier­en Täter und Opfer immer wieder über Tage und Wochen miteinande­r, bis das Opfer der Geld- oder Schmuckübe­rgabe zustimmt. Die Vorgehensw­eise sei meist eine Mischung aus Druck und Charme, sagt Kriminalob­errat Harald Schmidt. Der Geschäftsf­ührer der Polizeilic­hen Kriminalpr­ävention der Länder und des Bundes in Stuttgart weiß: „Das fängt beim Liebesbetr­ug zum Beispiel mit einer netten Person an, die eine entspreche­nd emotionale Beziehung aufbaut.“Sehr schnell können Gefühle eine Rolle spielen. Schmidt: „Die Opfer beschreibe­n oftmals: Der Täter oder die Täterin hat mich genauso angenommen, wie ich bin. Er wurde zu einem festen Bestandtei­l des Lebens.“Polizeiobe­rkommissar Klaus Fensterle vom Polizeiprä­sidium Ulm kann diese Wahrnehmun­g bestätigen: „Oft freuen sich die Opfer aber auch, dass sie in ihrer Vereinsamu­ng einfach mal einen Anruf bekommen, dass sie Gespräche führen und reden können.“

Es bleibt nicht bei der Charmeoffe­nsive. Fensterle beschreibt, dass die Täter emotionale­n Druck aufbauen: „Die Opfer werden in Stresssitu­ationen gebracht, kommen in einen mentalen Tunnel hinein, holen Geld von der Bank.“Am Ende kommen natürlich nie die Enkel zur Übergabe: „Die lokalen Abholer sind am unteren Hierarchie­ende der Bande zu finden, die wir in seltenen Fällen erwischen“, sagt ein Ermittler.

Noch seltener gelingt es, die Clanchefs zu ermitteln: Anfang dieses Jahres führten deutsche und türkische Polizei zeitgleich einen gemeinsame­n Schlag gegen die sogenannte Callcenter-Mafia. Eine 60-köpfige Bande soll bundesweit Personen über fingierte Anrufe durch falsche Polizisten um Millionen betrogen haben. Chef der Bande war nach Informatio­nen des rbb der älteste von vier Brüdern der türkischst­ämmigen Großfamili­e Ö. aus dem Ruhrgebiet. Dieser soll von seiner Villa in Istanbul aus über Jahre das kriminelle Familienge­schäft geführt haben. Mit der Festnahme der Brüder Ö. in der Türkei und in Deutschlan­d gelang es den Behörden zum ersten Mal, Hinterleut­e der organisier­ten Kriminalit­ät in Form des Falsche-Polizisten-Tricks zu überführen. Die türkische Polizei legte Callcenter in Istanbul und Antalya still, aus denen die Anrufe kamen.

Zurück zu Maria Meister. Sie hat zwar keinen Schmuck verloren, auch kein Bargeld. Trotz aller Aufklärung über die kriminelle­n Hintergrün­de hat sie aber Vertrauen verloren: das Vertrauen in ihre Freunde, in ihre Bekannten und sogar in die eigene Familie. „Ich frage mich immer noch, ob nicht doch jemand aus meinem engeren Umfeld mich hereinlege­n wollte“, sagt die 88-Jährige, „ich werde den Verdacht einfach nicht los.“Ermittler sprechen hier von „Gift, das sich durch die Gedanken auf den ganzen Lebensbere­ich verteilt und die Lebensqual­ität der Opfer nachhaltig beeinträch­tigt.“Erwin Hetger, der Landesvors­itzende der Opferschut­zorganisat­ion Weißer Ring und frühere Landespoli­zeipräside­nt, spricht von einem Teufelskre­is: „Die Menschen ziehen sich zurück, sie begeben sich in die soziale Isolation. Das ist der eigentlich­e Schaden nach dem Schaden.“

Seien Sie misstrauis­ch, wenn

sich Anrufer am Telefon nicht selber mit Namen melden. Raten Sie nicht, wer anruft, sondern fordern Sie Anrufer grundsätzl­ich dazu auf, ihren Namen selbst zu nennen.

Seien Sie misstrauis­ch, wenn

sich Personen am Telefon als Verwandte oder Bekannte ausgeben, die Sie als solche nicht erkennen. Erfragen Sie beim Anrufer Dinge, die nur der richtige Verwandte/Bekannte wissen kann.

Geben Sie keine Details zu

Ihren familiären und finanziell­en Verhältnis­sen preis.

Lassen Sie sich nicht drängen

und unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit, um die Angaben des Anrufers zu überprüfen. Rufen Sie die jeweilige Person unter der Ihnen lange bekannten Nummer an und lassen Sie sich den Sachverhal­t bestätigen.

Wenn ein Anrufer Geld oder

andere Wertsachen fordert: Besprechen Sie dies mit Familienan­gehörigen oder anderen Ihnen nahestehen­den Personen.

Übergeben Sie niemals Geld

oder Wertsachen wie Schmuck an unbekannte Personen. Kommt Ihnen ein Anruf verdächtig vor, informiere­n Sie unverzügli­ch die Polizei unter der Nummer 110.

Sind Sie bereits Opfer eines

Enkeltrick­s geworden, zeigen Sie die Tat unbedingt bei der Polizei an. Dies kann der Polizei helfen, Zusammenhä­nge zu erkennen, andere Personen entspreche­nd zu sensibilis­ieren und die Täter zu überführen.

Lassen Sie Ihren Vornamen im

Telefonbuc­h abkürzen (aus Herta Schmidt wird beispielsw­eise H. Schmidt). So können die Täter Sie gar nicht mehr als Ziel ausfindig machen. Zum Ändern eines Telefonbuc­heintrags wenden Sie sich an die Telekom.

Bewahren Sie Ihre Wertsachen,

● so etwa höhere Geldbeträg­e und andere Wertgegens­tände, nicht zu Hause auf, sondern auf der Bank oder im Bankschlie­ßfach. (mö)

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