Showdown in Schelklingen
Wer wird Landtagskandidat der Grünen? Die Nominierung am Donnerstag hat es in sich
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EHINGEN - Wer gewinnt den Richtungsstreit? Mit Spannung wird erwartet, wen die Grünen im Wahlkreis Ehingen an diesem Donnerstag in Schelklingen zu ihrem Kandidaten bei der Landtagswahl im Frühjahr küren. Zur Wahl stehen mit Monika Buchenscheit und Robert Jungwirth zwei Kandidaten, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Auf der einen Seite eine Frau mit verhältnismäßig wenig politischer Erfahrung, die sich in erster Linie für Gleichberechtigung und Bildungsgerechtigkeit einsetzen möchte – auf der anderen Seite ein Mann, langjähriger Kreisrat, der sich den Artenerhalt und die Energiewende auf die Fahnen geschrieben hat.
Welten prallen aufeinander am Donnerstag 29. Oktober, ab 19 Uhr in der Stadthalle in Schelklingen.
Das liegt nicht nur am sehr unterschiedlichen Profil der beiden Anwärter auf den Kandidaten-Posten bei der kommenden Landtagswahl. Sondern auch daran, dass Buchenscheit und Jungwirth jeweils eines der beiden Lager repräsentieren, in die die Grünen im Alb-Donau-Kreis nach teils heftigen Auseinandersetzungen im Sommer zerfallen waren – und es immer noch sind.
Anders, als es zuletzt Masallah Dumlu, einer der vier Vorsitzenden der Grünen im Alb-Donau-Kreis, erklärt hat, stehen sich die Lager noch immer in herzlicher Antipathie gegenüber. Das geht aus den Gesprächen hervor, die die „Schwäbische Zeitung“mit Jungwirth (60) und Buchenscheit (56) mit Blick auf die Nominierungsversammlung in Schelklingen geführt hat.
Jungwirth sagt: Die „Unstimmigkeiten“zwischen Teilen der Mitglieder (eher den langjährigen) und einzelnen Mitgliedern des Kreisvorstands seien „bis heute nicht“ausgeräumt. Und er glaubt auch nicht, dass dies bald der Fall sein wird.
Hintergrund sind die, laut Jungwirth, „nicht nachvollziehbar“hohen Zahlen neuer Mitglieder, die in den Wochen vor der Landtagsnominierung im Wahlkreis Ulm zu den Grünen im Alb-Donau-Kreis gestoßen sind. Die hierzu nach wie vor offenen Fragen habe der Kreisvorstand noch nicht beantwortet.
Jungwirth und andere altgediente Kreisgrüne vor allem aus dem Ehinger Raum hegen der Verdacht: Die neuen Mitglieder wurden von Dumlu nur geworben, um ihm aussichtsreiche Posten zu verschaffen; während sie mit grünen Idealen eher wenig am Hut haben.
Jungwirth & Co. fordern deshalb eine Auflistung und Transparenz: Wo leben die neuen Mitglieder? Wie hoch ist der Mitgliedsbeitrag, den sie bezahlen?
Eine entscheidende Rolle spielt hier Monika Buchenscheit. Sie ist nämlich nicht nur Jungwirths Gegenkandidatin am Donnerstag, sondern ebenfalls Mitglied des Kreisvorstands. Und sie steht felsenfest zu ihrem Kollegen Masallah Dumlu.
Rund 150 Mitglieder, die im Ehinger Landtagswahl-Kreis 65 wohnen, sind in Schelklingen wahlberechtigt. Schwer abzusehen, zu wessen Gunsten das Pendel ausschlagen wird. Weder Jungwirth noch Buchenscheit genießen Heimvorteil. Sie leben nämlich beide im Ulmer Landtagswahl-Kreis 64, der Kinderarzt Jungwirth in Blaustein, die in Freiburg geborene Buchhalterin Buchenscheit in Erbach.
Buchenscheit sagt, sie wolle die noch unentschlossenen Mitglieder mit den Themen „Frauen“und „Schulpolitik“von sich überzeugen. Zu letzterem Punkt verweist sie auf ihre Erfahrung als „engagierte Elternbeirätin“, drei Jahre war sie auch Mitglied des Landeselternbeirats.
Die jetzige Schulpolitik des Landes (die Grünen stellen zwar den Ministerpräsidenten, das Schulressort verantwortet hingegen CDU-Frau Susanne Eisenmann) „kann uns nicht gefallen“, sagt sie. Ihre Kritik: Kinder würden zu früh getrennt, zu schnell würde ausgesiebt.
Auch der Umgang mit Corona an den Schulen missfällt Buchenscheit. Um Kinder vom Maskentragen zu „erlösen“, sollte viel mehr Unterricht
(wenn möglich) ins Freie verlegt werden.
Anders als ihr Kontrahent spricht Monika Buchenscheit wenig über Umweltschutz. Dies liege aber daran, sagt sie, dass dieser Bereich für sie eine „Selbstverständlichkeit“sei, das „Dach oben drüber“. „Ich lebe Umweltschutz – ich brenne für die grünen Themen.“Deshalb brauche sie hier über Biodiversität und den Klimawandel „eigentlich nicht mehr reden“.
Robert Jungwirth hingegen umso mehr. Der passionierte Radfahrer fordert, dass sich die Landwirtschaft ändern müsse. Er will Anreize schaffen, damit Bauern weniger Pestizide einsetzen. Kippe das Klima vollends, verliere der Mensch seine Lebensgrundlage. Einsetzen will er sich auch dafür, dass noch mehr Menschen umsteigen vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel.
Auch Buchenscheit spricht von bestehenden „Differenzen“. Wie sie diese als eine der Kreisvorsitzenden (was sie auch bleiben will nach der Wahl) heilen möchte, deutet sie nur an. Alle Beteiligten müssten jedoch mehr miteinander sprechen.
Mit Jungwirth tut sie dies derzeit kaum bis gar nicht. Beim Namen nennt sie ihn nicht, spricht lieber von ihrem „Mitbewerber“. Selbstbewusst kündigt sie aber an, dass die Grünen nur dann eine Chance hätten, nach der Wahl einen Abgeordneten aus dem Ehinger Landtagswahlkreis nach Stuttgart zu schicken, wenn sie es sei, die nominiert wird.
Robert Jungwirth, der mit Sachkompetenz in grünen Kernfeldern und seiner langjährigen Erfahrung als Kreisrat und Gemeinderat punkten möchte (Buchenscheit ist Dellemsinger Ortschaftsrätin), sieht dies naturgemäß anders. Er sei der Bewerber, der für die „grüne Identität“stehe. Sein Verhältnis zu Buchenscheit: „respektvoll im Umgang, aber nicht freundschaftlich“. Beide treten mit jeweils einem Ersatzkandidaten an, die ähnliche Profile aufweisen wie sie selbst. Buchenscheit zur Seite steht Muharrem Aras, Jungwirth die Landwirtin Bettina Egle.
Jeweils eine Viertelstunde sollen die beiden am Donnerstag vor den Mitgliedern sprechen und für sich werben können. Das ist wenig Zeit, aber dürfte den Wahlberechtigten beim Showdown in Schelklingen trotzdem klar vor Augen führen, welcher der Kandidaten wofür steht. Eben weil sie so unterschiedlich daherkommen. So hat die Schlammschlacht auch eine positive Seite: Die im Ehinger Wahlbezirk lebenden Grünen haben eine echte Wahl.