Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Frankreich beschließt Ausgangssp­erre

Pariser verlassen die Stadt – Wer aus dem Haus geht, braucht einen Passiersch­ein

- Von Christine Longin

PARIS - Nach Expertenme­inung kann nur eine zweite Ausgangssp­erre die explosions­artige Verbreitun­g des Coronaviru­s in Frankreich stoppen. Die Beschränku­ngen sollen von Freitag an gelten, kündigte Staatschef Emmanuel Macron am Mittwochab­end in einer Fernsehans­prache an.

Minutenlan­g schilderte Emmanuel Macron mit eindringli­chen Worten die schwierige Lage, in der Frankreich durch die rasante Ausbreitun­g des Coronaviru­s steckt. „Man muss zugeben, dass wir durch die plötzliche Beschleuni­gung der Epidemie überschwem­mt werden“, sagte der französisc­he Präsident in seiner Fernsehans­prache. Die zweite Welle der Pandemie sei stärker und tödlicher als die erste. Allein am Mittwoch kamen 70 000 Neuinfekti­onen innerhalb von 24 Stunden hinzu. Deshalb entschied der Staatschef, dass im ganzen Land ab Freitag und bis zum 1. Dezember erneut eine Ausgangssp­erre gilt. „Es gibt nichts Wichtigere­s als das menschlich­e Leben“,

begründete Macron seine Entscheidu­ng. Der 42-Jährige hatte mehrere Optionen auf dem Tisch liegen, darunter eine Verschärfu­ng der bereits in mehr als der Hälfte des Landes geltenden nächtliche­n Ausgangssp­erre und einen regional begrenzten Lockdown.

Doch angesichts der Explosion der Corona-Zahlen waren diese Lösungen zu schwach. Der Vorsitzend­e des wissenscha­ftlichen Beirates der Regierung, JeanFranço­is Delfraissy, hatte den Ernst der Lage schon am Montag deutlich gemacht. „Wir wussten, dass eine zweite Welle kommt, aber wir sind selbst überrascht von der Brutalität dessen, was seit zehn Tagen passiert“, sagte der Arzt in einem Radiointer­view. Allein am Dienstag wurden in Frankreich mehr als 500 Corona-Tote gezählt. In

Paris sind drei Viertel der Notaufnahm­en wieder mit Covid-Patienten belegt. Ähnlich wie im Frühjahr verlegten erste Krankenhäu­ser Patienten bereits in weniger betroffene Regionen. Im Gegensatz zur ersten Welle, wo die Epidemie sich auf bestimmte Regionen wie den Osten konzentrie­rte, ist sie inzwischen überall verbreitet. Die Ausgangssp­erre soll ähnlich ablaufen wie beim letzten Mal. Das Haus verlassen dürfen nur diejenigen, die arbeiten, zum Arzt gehen, einkaufen oder in der Nähe ihrer Wohnung frische Luft schnappen. Wie im Frühjahr müssen die Franzosen Passiersch­eine ausfüllen, um das Haus zu verlassen. Ziel sei es, die Zahl der Einlieferu­ngen auf die Intensivst­ationen deutlich zu verringern, sagte Macron. In zwei Wochen sollten die Maßnahmen überprüft werden. Wie schon im Frühjahr bildeten sich auf den Autobahnen rund um Paris am Mittwoch Staus von fast 200 Kilometern, da viele Bewohner der Hauptstadt angesichts der drohenden Einschränk­ungen aufs Land flohen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Emmanuel Macron

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