Katholische Kirche im Zentrum des Protests
In Polen gehen Tausende Frauen gegen Abtreibungsverbot auf die Straße
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WARSCHAU (KNA) - Martialische Wörter machen in Polen die Runde. Manche sprechen von „Religionskrieg“, andere von einer „Hölle für Frauen“. Ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts für ein fast völliges Abtreibungsverbot hat das Land in Aufruhr versetzt. Bisheriger Höhepunkt der seit fast einer Woche anhaltenden Protestwelle: ein landesweiter Streiktag am Mittwoch. Mehr als 100 000 Frauen beteiligten sich laut Schätzungen an Kundgebungen.
Längst geht es um mehr als das Abtreibungsgesetz. Die Frauenrechtsbewegung fordert den Rücktritt der nationalkonservativen Regierung. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte das Urteil herbeigeführt und als Erfolg für den Schutz ungeborener Kinder gefeiert. Die Proteste richten sich aber auch gegen den Einfluss der katholischen Kirche im öffentlichen Leben.
Die polnischen Bischöfe riefen vor der Entscheidung der Verfassungsrichter eine Gebetsnovene für die Achtung des menschlichen Lebens
ab der Empfängnis aus. Dem Vorsitzenden, Erzbischof Stanislaw Gadecki, ist die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes ein besonderes Anliegen. Im November 2019 bezeichnete er die „gesetzliche Erlaubnis zur Selektion aufgrund des Gesundheitszustands des noch ungeborenen Kindes“als eine „direkte Diskriminierung“kranker Kinder. Der PiS warf Gadecki vor, ihr Wahlversprechen von 2015 für eine Gesetzesverschärfung gebrochen zu haben.
Als nun die höchsten Richter Abtreibungen von unheilbar kranken Föten für verfassungswidrig erklärten, lenkte die Frauenbewegung ihre Proteste schnell auch gegen die Kirche. Sie rief dazu auf, Sonntagsmessen zu stören. Das Resultat: Demonstranten drangen in 22 Gotteshäuser ein; die Fassaden von 79 Kirchengebäuden wurden mit Parolen beschmiert, wie Innenminister Mariusz Kaminski am Mittwoch mitteilte. Die Polizei schreite entschlossen gegen solche Angriffe und Entweihungen ein. 76 Personen wurden laut dem Minister bereits festgenommen.
Empört über die Attacken auf Gottesdienste reagierte unter anderen der prominente Priester Tadeusz Isakowicz-Zaleski. Er verglich die Ausschreitungen auf Twitter mit der Judenverfolgung in der Reichspogromnacht im November 1938. „Diese Angriffe sind das Ergebnis eines Kulturkrieges, der seit Generationen andauert und darauf abzielt, das Christentum zu vernichten und die Welt zu stürzen“, schrieb er in seinem Blog. Doch sein Unmut richtet sich auch gegen die Bischöfe von Warschau. Sie würden schweigen – und das sei nicht recht gegenüber den Geistlichen und Gläubigen.
Der Sprecher der Bischofskonferenz, Leszek Gesiak, macht sich derweil Sorgen, dass sich angesichts der Proteste weitere Katholiken von der Kirche abwenden könnten. Mitverantwortlich dafür sei womöglich die Sprache, die die Kirche spreche, sagte er in einem Radiointerview. „Vielleicht passt unser hierarischer Diskurs nicht in die veränderte Situation.“Gesiak betonte zudem: „Es war nicht die Kirche, die diesen Krieg verursacht hat. Wir wollten diesen Krieg wirklich nicht.“
Kampflustig gab sich der VizeMinisterpräsident und PiS-Vorsitzende