„Das Problem ist Trumps Unberechenbarkeit“
IG-Metall-Vorstand Wolfgang Lemb zu den Auswirkungen der US-Wahlen auf deutsche Unternehmen
BERLIN - Die US-Außenwirtschaftspolitik unter Präsident Donald Trump hat den internationalen Handel hart getroffen – auch die deutsche Industrie. Weshalb die US-Präsidentschaftswahl am 3. November die deutsche Industrie besorgt, welche Auswirkungen eine Wiederwahl Trumps haben könnte und welche Vorteile ein demokratischer Präsident für die internationale Industrie birgt, darüber hat Hannes Koch mit dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der Gewerkschaft IG Metall, Wolfgang Lemb, gesprochen.
Herr Lemb, schaut die Industriegewerkschaft Metall mit Befürchtungen auf die US-Wahl?
Wir machen uns in der Tat Sorgen, sollte US-Präsident Donald Trump die Wahl gewinnen. Für eine mögliche zweite Amtszeit befürchten wir weitere Schwierigkeiten durch Sanktionen und Einfuhrzölle, die auch deutsche Unternehmen und ihre Beschäftigten treffen.
Welche deutschen Branchen könnten besonders leiden?
Es geht um alle wichtigen Bereiche der deutschen Exportindustrie. Vornehmlich betroffen wären die hiesige Automobilindustrie und ihre Zulieferer, die in den USA stark vertreten sind. Der Maschinenbau müsste sich ebenfalls Sorgen machen – unter anderem weil er von den Aufträgen der Autohersteller abhängt. Das Grundproblem besteht in der Unberechenbarkeit des Amtsinhabers. Die führt zur Verunsicherung der Unternehmen, gefährdet Investitionen und Arbeitsplätze
Was könnte diesbezüglich noch geschehen, wenn Trump seine Sanktions- und Zollpolitik fortsetzen kann?
Trumps Unberechenbarkeit macht realistische Prognosen unmöglich.
Nicht nur Streit über Zölle kann eine Rolle spielen, sondern auch der zusätzliche Konflikt über das internationale Steuerabkommen, bei dem sich mehr als 130 Staaten über die Verteilung der Gewinnsteuern von Konzernen einigen wollen.
Die Politik des jetzigen Präsidenten, die eigenen Interessen immer an die oberste Stelle zu setzen, erschwert die Lösung aller internationalen Fragen. Das reicht vom grenzüberschreitenden Handel über die Zukunft der Welthandelsorganisation bis zum Steuerrecht und dem Klimaabkommen von Paris.
Gehen Sie davon aus, dass ein demokratischer Präsident Joe Biden mehr auf Eigeninteressen achten und den Zugang für internationale Unternehmen zum nordamerikanischen Markt beschränken würde? Nein, damit rechne ich nicht. Natürlich muss auch Biden versuchen, die gespaltene Gesellschaft der USA wieder zusammenzuführen. Die Interessen der US-Industrie, ihrer Beschäftigten und der Bevölkerung im Mittleren Westen kann er nicht ignorieren. Er wird auch sicher nicht sofort alles über den Haufen werfen, was Trump eingeführt hat. Aber ich rechne mit einem vorsichtigen Schwenk zurück auf den Weg der internationalen Kooperation in der Handels- wie auch der Klimapolitik.
Die Globalisierung hat sich verlangsamt, der Freihandel steht unter Druck, Nordamerika, die EU und China driften auseinander. Sollte sich die deutsche Industrie auf Europa konzentrieren?
Könnte dann die ökonomische Bedeutung der USA für europäische Unternehmen abnehmen?
Nicht auszuschließen ist, dass sich in diesem Fall die ökonomischen Gewichte perspektivisch verschieben könnten. Solche Effekte machen sich aber wohl nur langfristig bemerkbar.
Würden Sie es begrüßen, wenn das umstrittene Mercosur-Handelsabkommen abgeschlossen würde? Ich glaube, dass dies notwendig ist. Wenn über dieses Abkommen die Handelsbeziehungen, auch für deutsche Unternehmen, erleichtert werden, ist das zu begrüßen. Allerdings: Verbindliche Regelungen zur Einhaltung
von Sozial- und Umweltstandards sind Grundbedingung.