Dramatischer Landrat-Appell: „Mitarbeiter opfern sich auf“
Das Gesundheitsamt in Neu-Ulm arbeitet bereits jetzt am Limit
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LANDKREIS NEU-ULM - Die Worte von Thorsten Freudenberger (CSU), Landrat im Kreis Neu-Ulm, sind dramatisch: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter opfern sich auf“, sagte er am Mittwoch im Gespräch. Gemeint ist das Personal im Gesundheitsamt, das nachverfolgt, welcher CoronaInfizierte mit welchen anderen Personen in Kontakt stand – um diese Menschen gegebenenfalls in Quarantäne zu schicken. Laufend muss das Landratsamt dieses sogenannte Contact Tracing Team (CTT) aufstocken, denn die Infektionszahlen gehen auch im Landkreis Neu-Ulm ungebremst nach oben.
Am Mittwoch lag die 7-Tages-Inzidenz bei 99,31. Damit ist die Ampelstufe „Dunkelrot“im Prinzip schon erreicht. Freudenberger rechnet damit, dass die 100er-Grenze am Donnerstag
oder am Freitag übersprungen wird. Mittlerweile macht sich die zweite Welle der Pandemie auch in den Krankenhäusern bemerkbar.
In der Vor-Corona-Zeit sah der Stellenplan für das Gesundheitsamt gerade mal 13,5 Beschäftigte vor. Doch mittlerweile schaffen dort 50 Menschen – und es werden noch mehr. Die meisten davon gehören zur CTT-Einheit. Um sie schlagkräftiger zu machen, hat das Landratsamt bereits acht Polizisten zur Unterstützung bekommen, auch die Finanzbehörde leistete schon Amtshilfe. Mittlerweile hat die Kreisverwaltung die Bundeswehr sozusagen um Schützenhilfe
gebeten und angefragt, ob sie fünf Soldaten bekommen könne. Das Technische Hilfswerk im Landkreis soll im November ebenfalls einige Helfer bereitstellen.
Derzeit laufen Bewerbungsverfahren, um die Zahl der Beschäftigten aufzustocken. Aber, dauert das nicht viel zu lange? So kritisiert eine Frau aus dem Landkreis, sie habe sich auf eine Stelle im Gesundheitsamt beworben, um Kontaktpersonen nachzuverfolgen. Ihr sei gesagt worden, sie bekomme in vier Wochen Bescheid.
Landrat Freudenberger räumt ein: „Man braucht ein paar Wochen, bis man die Leute hat. Außerdem müssen sie ja dann noch geschult werden.“Aber ein solcher Fall sei ihm nicht bekannt, das könne er auch nicht nachprüfen. Allerdings beteuert er, das Neu-Ulmer Landratsamt habe die von der Regierung von
Schwaben bewilligten zusätzlichen Stellen „in Windeseile“besetzen können. Da sei man im Regierungsbezirk am schnellsten gewesen. Nun seien weitere Stellen bewilligt worden, die entsprechend zügig besetzt würden. „Wir nehmen alle Personen, die wir kriegen können.“Derzeit komme der Öffentliche Gesundheitsdienst gerade noch klar. Aber: „Das Gesundheitsamt arbeitet am Limit, es kann nicht mehr so viel leisten, wie wünschenswert wäre. Die Leute können nicht mehr machen.“
Wenn sich jedoch die Kontakte einer infizierten Person nicht nachverfolgen lassen, dann gelingt es nicht, die Infektionsketten zu durchbrechen. Die Infizierten übertragen das Virus auf immer mehr Personen. Freudenberger spricht davon, dass in jedem einzelnen Fall zwischen 10 und 30 weitere Personen überprüft werden müssen.