Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Dramatisch­er Landrat-Appell: „Mitarbeite­r opfern sich auf“

Das Gesundheit­samt in Neu-Ulm arbeitet bereits jetzt am Limit

- Von Ronald Hinzpeter

LANDKREIS NEU-ULM - Die Worte von Thorsten Freudenber­ger (CSU), Landrat im Kreis Neu-Ulm, sind dramatisch: „Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r opfern sich auf“, sagte er am Mittwoch im Gespräch. Gemeint ist das Personal im Gesundheit­samt, das nachverfol­gt, welcher CoronaInfi­zierte mit welchen anderen Personen in Kontakt stand – um diese Menschen gegebenenf­alls in Quarantäne zu schicken. Laufend muss das Landratsam­t dieses sogenannte Contact Tracing Team (CTT) aufstocken, denn die Infektions­zahlen gehen auch im Landkreis Neu-Ulm ungebremst nach oben.

Am Mittwoch lag die 7-Tages-Inzidenz bei 99,31. Damit ist die Ampelstufe „Dunkelrot“im Prinzip schon erreicht. Freudenber­ger rechnet damit, dass die 100er-Grenze am Donnerstag

oder am Freitag übersprung­en wird. Mittlerwei­le macht sich die zweite Welle der Pandemie auch in den Krankenhäu­sern bemerkbar.

In der Vor-Corona-Zeit sah der Stellenpla­n für das Gesundheit­samt gerade mal 13,5 Beschäftig­te vor. Doch mittlerwei­le schaffen dort 50 Menschen – und es werden noch mehr. Die meisten davon gehören zur CTT-Einheit. Um sie schlagkräf­tiger zu machen, hat das Landratsam­t bereits acht Polizisten zur Unterstütz­ung bekommen, auch die Finanzbehö­rde leistete schon Amtshilfe. Mittlerwei­le hat die Kreisverwa­ltung die Bundeswehr sozusagen um Schützenhi­lfe

gebeten und angefragt, ob sie fünf Soldaten bekommen könne. Das Technische Hilfswerk im Landkreis soll im November ebenfalls einige Helfer bereitstel­len.

Derzeit laufen Bewerbungs­verfahren, um die Zahl der Beschäftig­ten aufzustock­en. Aber, dauert das nicht viel zu lange? So kritisiert eine Frau aus dem Landkreis, sie habe sich auf eine Stelle im Gesundheit­samt beworben, um Kontaktper­sonen nachzuverf­olgen. Ihr sei gesagt worden, sie bekomme in vier Wochen Bescheid.

Landrat Freudenber­ger räumt ein: „Man braucht ein paar Wochen, bis man die Leute hat. Außerdem müssen sie ja dann noch geschult werden.“Aber ein solcher Fall sei ihm nicht bekannt, das könne er auch nicht nachprüfen. Allerdings beteuert er, das Neu-Ulmer Landratsam­t habe die von der Regierung von

Schwaben bewilligte­n zusätzlich­en Stellen „in Windeseile“besetzen können. Da sei man im Regierungs­bezirk am schnellste­n gewesen. Nun seien weitere Stellen bewilligt worden, die entspreche­nd zügig besetzt würden. „Wir nehmen alle Personen, die wir kriegen können.“Derzeit komme der Öffentlich­e Gesundheit­sdienst gerade noch klar. Aber: „Das Gesundheit­samt arbeitet am Limit, es kann nicht mehr so viel leisten, wie wünschensw­ert wäre. Die Leute können nicht mehr machen.“

Wenn sich jedoch die Kontakte einer infizierte­n Person nicht nachverfol­gen lassen, dann gelingt es nicht, die Infektions­ketten zu durchbrech­en. Die Infizierte­n übertragen das Virus auf immer mehr Personen. Freudenber­ger spricht davon, dass in jedem einzelnen Fall zwischen 10 und 30 weitere Personen überprüft werden müssen.

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FOTO: ANBR Landrat Thorsten Freudenber­ger.

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