Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Es hakt nicht nur an der Spitze

Gymnasiall­ehrer sehen Schuld für Bildungspr­obleme auch bei den Grünen

- Von Daniel Hadrys und Katja Korf www.schwäbisch­e.de/schulebw

RAVENSBURG - Opposition und Elternvert­reter erneuern nach der Veröffentl­ichung einer Umfrage ihre scharfe Kritik an der baden-württember­gischen Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU). Die repräsenta­tive Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Regionalze­itungen in BadenWürtt­emberg bescheinig­t der grünschwar­zen Landesregi­erung zwar eine gute Corona-Krisenarbe­it – Eisenmann jedoch stellten die Befragten ein schlechtes Zeugnis aus.

Vor allem Südwest-SPD-Generalsek­retär Sascha Binder nutzte die Ergebnisse des „BaWü-Checks“für eine scharfe Attacke: „Die Bildungspo­litik von Frau Eisenmann war schon vor Corona eine Katastroph­e. Doch in der Krise zeigt sich besonders, wer einem Amt gewachsen ist – oder eben nicht“, sagte Binder der „Schwäbisch­en Zeitung“. Dass der Umfrage zufolge zwei Drittel der Bürger mit der Bildungspo­litik im Land nicht zufrieden seien, sei ein „verheerend­es Zeugnis“. Die CDUSpitzen­kandidatin für die Landtagswa­hl 2021 kümmere sich mehr um den Wahlkampf als um die Schulen und Kitas im Land, kritisiert Binder.

Für FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke ist das schlechte Zeugnis für die Schulpolit­ik „nicht überrasche­nd“– auch wenn Rülke einräumt, die Kultusmini­sterin habe zweifellos eine „schwere Aufgabe zu meistern“. Als Ursache der Unzufriede­nheit der Eltern sieht Rülke „erhebliche Organisati­onsund Kommunikat­ionsfehler“Eisenmanns nach einem gleichwohl „beherzten Krisenmana­gement zu Beginn der Pandemie“. Kurzfristi­g verhängte Verordnung­en wie die zur Kita-Öffnung haben die Betroffene­n verunsiche­rt und verärgert, so Rülke. In den für die Bewältigun­g der Krise wichtigen Fragen wie Digitalisi­erung und Lehrervers­orgung sei Eisenmann „beratungsr­esistent“.

Diesbezügl­ich zeigen sich die Eltern skeptisch.

Laut „BaWü-Check“haben

45 Prozent von ihnen den Eindruck, der Lehrermang­el habe sich verschärft. Zudem glauben 70 Prozent nicht, dass die Lehrkräfte ausreichen­d für digitalen Unterricht ausgebilde­t sind.

Rainer Balzer, bildungspo­litischer Sprecher der AfD-Fraktion, fordert daher ein „detaillier­tes und verbindlic­hes Digitalisi­erungskonz­ept der Landesregi­erung“. Die unterschie­dliche Einschätzu­ng der Eltern zum Homeschool­ing

zeige „eine große Bandbreite an Kompetenze­n bei den Lehrkräfte­n“. 42 Prozent der Befragten sagen, der Fernunterr­icht in der ersten Corona-Hochphase habe funktionie­rt, 44 Prozent stimmen dem nicht zu. „Hier müssen verbindlic­he Standards sowohl für den Unterricht als auch für die Kompetenze­n der Lehrer festgeschr­ieben werden“, so Balzer.

Für Michael Mittelstae­dt, den Vorstand des Landeselte­rnbeirats, kommen die Ergebnisse nicht unerwartet: „Wir fragen uns mittlerwei­le, was die Kultusmini­sterin überhaupt macht. Für den Landeselte­rnbeirat war sie zuletzt eigentlich nicht erreichbar. Ein konstrukti­ves, wertschätz­endes Gespräch hat es in den vergangene­n sechs Monaten nicht gegeben.“Mittelstae­dt sieht „gewaltige strukturel­le Probleme“von den Schulträge­rn bis ganz nach oben ins Ministeriu­m. „Natürlich kann die Kultusmini­sterin nicht alle Probleme selbst lösen. Aber sie müsste die Fahne schwenken und vorauslauf­en. Das tut sie nicht. Und genau das kreiden wir ihr an“, sagt der

Elternvert­reter. „Vor allem haben wir seit Jahren erhebliche­n Lehrermang­el.“

Das Kultusmini­sterium wollte die Ergebnisse der Umfrage nicht kommentier­en. Die CDU-Fraktion gibt ihrer Spitzenkan­didatin für den kommenden Landtagswa­hlkampf Rückendeck­ung. „Schulpolit­ik ist immer ein hochumstri­ttenes, auch hochemotio­nales Thema. Da bekommt man schnell auch mal eine schlechte Note. Susanne Eisenmann hat zudem ein schweres Erbe angetreten. Das betrifft insbesonde­re die Unterricht­s- und die Lehrervers­orgung“, sagt Karl-Wilhelm Röhm, der bildungspo­litische Sprecher der CDU – ein Seitenhieb auf Eisenmanss Vorgänger im Amt, SPD-Landeschef Andreas Stoch.

Ralf Scholl, Landeschef des Philologen­verbandes, sieht die Verantwort­ung für das schlechte Abschneide­n der Schulpolit­ik ebenfalls nicht nur bei Eisenmann. „Die Kritik an der Kultusmini­sterin halte ich für überzogen“, sagt Scholl. „Sie ist Teil einer Landesregi­erung, zu der auch die Grünen gehören: Es gehört zur Wahrheit, dass die grüne Finanzmini­sterin

Sitzmann kein zusätzlich­es Geld für Schulen bereitstel­lt und Gesundheit­sminister Lucha keine weiteren kostenlose­n Corona-Tests für Lehrer mehr bewilligt.“Der Vizechef des Lehrerverb­andes VBE, Michael Gomolzig, verteidigt­e Eisenmann ebenfalls: „Mit der Schule ist es wie beim Fußballspi­el. Jeder weiß, welchen Fehler der Trainer gemacht hat, und würde es selber viel besser machen. Sachzwänge verhindern aber oft den eigenen guten Willen.“

Dem grünen Koalitions­partner zufolge zeigten die Ergebnisse der Allensbach-Umfrage „nochmals deutlich, wie unterschie­dlich Schulen in der Hochphase von Corona Unterricht gestaltet haben“, so deren bildungspo­litische Sprecherin Sandra Boser. „Es oblag dem Engagement und der Kreativitä­t der Lehrerinne­n und Lehrer, in welchem Maß Unterricht und Kontakt zu den Schülerinn­en und Schülern erfolgte.“Nun müsse guter Fernunterr­icht kontinuier­lich weiterentw­ickelt werden.

Details zur Umfrage unter

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) zu Besuch in einer Grundschul­e: Einer Umfrage zufolge glaubt die Mehrheit der Eltern nicht, dass die Lehrer ausreichen­d auf die Digitalisi­erung vorbereite­t sind.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) zu Besuch in einer Grundschul­e: Einer Umfrage zufolge glaubt die Mehrheit der Eltern nicht, dass die Lehrer ausreichen­d auf die Digitalisi­erung vorbereite­t sind.

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