„Weihnachten, Silvester: ohne Theater nicht vorstellbar“
Verärgerung, Verunsicherung, aber auch Verständnis: Kultur-Reaktionen auf Lockdown sind unterschiedlich
NEU-ULM/ULM (hub) - Kay Metzger, Intendant am Theater Ulm, empfindet die Schließung der Kultureinrichtungen als Misstrauensvotum gegen das Publikum. „Was macht es mit dem Publikum, wenn es so abgestraft wird?“
Sein nicht mehr ganz junges Kernpublikum, sagt Metzger, sei auch in den vergangenen schwierigen Monaten für kulturelle Teilhabe eingestanden. Diese kulturelle Teilhabe werde nun wieder genommen. „Wir Theater müssen diese kommenden Wochen nutzen, um zu unterstreichen, was wir leisten und wie wir vorgehen“, sagt Metzger. Man habe beispielsweise am Theater Ulm die CO2-Belastung gemessen und festgestellt, dass man weit unter den als belastend eingestuften Werten liege. „Wir können nur auf den Dezember hoffen“, sagt Metzger. „Ein Weihnachten und Silvester ohne Theater ist mir nicht vorstellbar.“
Das erste Philharmonische Konzert der Spielzeit, drei Mal geplant ab 2. November, entfällt nun.
Am Theater Neu-Ulm sieht Claudia Riese die Beschlüsse zwiespältig, sagt sie. Einerseits seien die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nötig, andererseits sei die Situation im Theater Neu-Ulm so gewesen, dass bei keiner Vorstellung einer der etwa 20 erlaubten Besucher hätte ermahnt werden müssen, seine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Ihr Publikum sei tendenziell nicht mehr ganz jung, kulturinteressiert und sehr vernünftig. „Es hilft aber nichts, gegen die Maßnahmen zu sein. Individuell kann die Politik Veranstalter nicht behandeln. Die Dinge sind so wie sie sind.“
Sowohl sie selbst als auch ihr Mann Heinz Koch gehören zur Risikogruppe, sagt Claudia Riese. „Anstecken wollen wir uns auf keinen Fall.“Plakatiert für die Premiere am kommenden Freitag habe man nun vergeblich. Als problematisch empfindet Claudia Riese die Einstellung aller Freizeiteinrichtungen, während Arbeit und Schule laufen. Das könne schwierig zu vermitteln sein.
„Der Freizeitbetrieb wird als etwas Furchtbares hingestellt.“Weil die Situation vorhersehbar gewesen sei, hätte die Politik im Sommer reagieren und beispielsweise große Hochzeiten und Privatfeiern einschränken müssen. Für seine Premiere hofft das Theater Neu-Ulm auf den Tag, an dem die Beschränkungen aufgehoben werden. „Dann startet Kaschmirgefühl“, sagt Claudia Riese.
Jens Hagg vom Musik-Pub Fiddlers Green in Pfaffenhofen klingt frustriert. „Die Lage ist deprimierend“, sagt er. Er könne nicht einschätzen, ob die von der Politik getroffenen Maßnahmen die richtigen sind, „um das Schlamassel in den Griff zu bekommen. Es war ja absehbar, dass es in diese Richtung geht“. Seine sonntäglichen LivemusikAbende hatten Künstlern nicht nur etwas Einkommen gegeben, sondern auch die Chance, wieder auf der Bühne zu stehen. „Wir hatten 35 Leute im Lokal und die Musiker waren weit genug vom Publikum entfernt.“Mit Blick auf die Infektionszahlen aus dem Landkreis Neu-Ulm, die am Donnerstag die Inzidenz von 100 Neuinfektionen in sieben Tagen überschritten, sagt Hagg: „Wir werden wohl bis einschließlich 1. November noch bis 21 Uhr geöffnet haben können.“Zum Glück habe bei ihm schon im Frühjahr gut funktioniert, dass sich Kunden Essen geholt haben. „Darauf setzen wir, dass das wieder so läuft.“Und dass die angekündigten finanziellen Hilfen wirklich denen unter die Arme greifen, die es dringend nötig haben.