Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Multiple Sklerose: Das Wichtigste in Kürze

-

wenn die Krankheit noch aktiv ist: Interferon ist für SPMS-Patienten gedacht, die noch Schübe haben, und Siponimod für solche, die Schübe haben oder bei einer MRT-Untersuchu­ng Entzündung­sherde in Gehirn und Rückenmark zeigen.

„Für Patienten, die keine Krankheits­aktivität mehr haben, aber an einer fortschrei­tenden Behinderun­g und zunehmende­r Hirnatroph­ie leiden, ist noch kein Medikament zugelassen“, erklärt die MSExpertin Judith Haas. „Da schauen wir nach wie vor auf ein Defizit.“Dass Hirngewebe mit dem Alter allmählich schwindet (Atrophie), ist normal, doch kann Multiple Sklerose diesen Vorgang deutlich beschleuni­gen. Daher leiden manche Patienten auch unter Konzentrat­ionsund Gedächtnis­störungen.

MS-Medikament­e wie Beta-Interferon und Siponimod beeinfluss­en das Immunsyste­m und können mit verschiede­nen Risiken und Nebenwirku­ngen verbunden sein. „Interferon kann vor allem grippeähnl­iche Symptome, aber auch zum Beispiel Depression­en und Hautreakti­onen auslösen“, sagt die Neurologin Michaela Krause. „Bei Siponimod muss man besonders darauf achten, dass die Lymphozyte­nzahl nicht zu sehr sinkt. Sonst besteht eine erhöhte Infektanfä­lligkeit.“Gerade zu Corona-Zeiten ist dieser Effekt gefürchtet.

Um den Nutzen des neuen Medikament­s wirklich beurteilen zu können, ist es Experten zufolge noch zu früh. So kam der Gemeinsame Bundesauss­chuss (G-BA) im August zu dem Schluss, ein Zusatznutz­en von Siponimod gegenüber vergleichb­aren Therapien sei nicht belegt. Das bedeutet aber nicht, dass das Mittel nicht besser wirken könnte, da in der Studie keine Vergleichs­substanz geprüft wurde. So hält es die MS-Expertin Judith Haas für plausibel, dass Siponimod langfristi­g einen deutlicher­en Effekt haben könnte: „Die Substanz greift stark ins Immunsyste­m ein. Je stärker, desto ausgeprägt­er ist in der Regel die Wirksamkei­t.“Sie betont aber: „Bewiesen ist das nicht.“Um sicher sagen zu können, dass das Fortschrei­ten der SPMS dadurch aufgehalte­n werde, sei es zu früh. „Die Krux an Studien in dem Bereich ist, dass sie nicht lang genug laufen. Eigentlich bräuchte man mindestens fünf Jahre, um wirklich belastbare Ergebnisse zu bekommen.“Kommt hinzu, dass niemand weiß, wie sich die Krankheit unbehandel­t entwickelt hätte.

Vor diesem Hintergrun­d setzt Haas auf eine gute, umfassende Aufklärung. „Man muss mit dem Patienten sprechen: Hat er mehr Angst vor dem Rollstuhl oder vor den Nebenwirku­ngen der Therapie? Da sind die Menschen ganz unterschie­dlich.“Für Michael Montag war die Entscheidu­ng offensicht­lich klar. Das Medikament habe er auch gut vertragen, berichtet er. „Vor allem hat es wohl dazu geführt, dass meine Gehfähigke­it sich nicht verschlech­tert hat.“Jetzt hofft Montag, diesen Stand zu halten.

Multiple Sklerose

ist eine chronische, entzündlic­he Erkrankung des Zentralen Nervensyst­ems. Sie ist nicht heilbar und verläuft sehr unterschie­dlich. Die Bezeichnun­g kommt aus dem Lateinisch­en: „multiplex“(vielfach) und „skleros“(hart). Bei der Krankheit treten an verschiede­nen Stellen im Gehirn oder im Rückenmark Entzündung­sherde auf, die nach ihrem Abklingen Verhärtung­en hinterlass­en. In Deutschlan­d leben schätzungs­weise rund 250 000 MS-Kranke, weltweit sind es etwa 2,8 Millionen. Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer. Meistens wird die Krankheit zwischen dem 20. und

40. Lebensjahr festgestel­lt.

Das ist unterschie­dlich. Häufig kommt es zunächst zu Sehstörung­en, etwa unscharfem Sehen, manchmal auch zu Missempfin­dungen wie Kribbeln der Haut, Muskelschm­erzen oder Lähmungser­scheinunge­n. Im weiteren Verlauf leiden viele Betroffene unter lähmender Müdigkeit (Fatigue) und motorische­n Einschränk­ungen.

Im Anfangssta­dium haben die meisten Patienten Schübe. In dieser Phase treten neue Symptome auf oder bestehende verschlech­tern sich. Nach Tagen oder Wochen bessert sich der Zustand wieder. Nach Jahren oder Jahrzehnte­n geht die Krankheit oft in einen „chronischp­rogredient­en“Verlauf über, das heißt, es kommt zu einer langsamen Verschlech­terung.

Was ist das?

Welche Anzeichen gibt es?

Wie verläuft die Krankheit?

Welche Ursachen kennt man?

Dazu gibt es viele Vermutunge­n, wirklich bewiesen ist aber wenig. Klar ist, dass die Veranlagun­g eine Rolle spielt. Dennoch ist MS keine klassische Erbkrankhe­it. Möglicherw­eise erhöhen Virusinfek­tionen in der Kindheit das Erkrankung­srisiko. Außerdem gibt es etwa die Hypothese, dass eine Unterverso­rgung mit Vitamin D das Risiko verstärkt: Je näher Länder am Äquator liegen, desto geringer sind die Erkrankung­szahlen. Abgesehen davon scheinen sich auch Übergewich­t in der Kindheit und das Rauchen negativ auszuwirke­n.

Heilen lässt sich die Krankheit in der Regel nicht. Inzwischen gibt es aber eine große Palette unterschie­dlicher Therapien, die individuel­l eingesetzt werden. Dadurch lässt sich der Krankheits­verlauf oft deutlich verlangsam­en. Es gilt das Motto: Je früher behandelt wird, desto besser. Weitere Informatio­nen gibt es im Internet unter www.dmsg.de

(stan)

Wie sind die Aussichten?

 ?? FOTO: STAN ?? Michael Montag geht es dank eines Medikament­s, das im Januar neu zugelassen wurde, besser.
FOTO: STAN Michael Montag geht es dank eines Medikament­s, das im Januar neu zugelassen wurde, besser.

Newspapers in German

Newspapers from Germany