Mit dem Prinzip Hoffnung in den Bankrott
Ehemaliger Geschäftsführer zu Geldstrafe verurteilt – Schuldenberg statt Karriere
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RIEDLINGEN - Er hatte sich eine solide berufliche Zukunft erhofft, als er 2016 die Stelle als Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens im westlichen Landkreis Biberach annahm. Es endete mit einem wirtschaftlichen Desaster und einem Schuldenberg, den der heute 45-Jährige abzutragen hat. Weniger kriminelle Energie als vor allem kaufmännische Unbedarftheit wurde ihm am Amtsgericht Riedlingen attestiert, wo er jetzt wegen Bankrott und Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt wurde.
Der Handwerker war 2008 nach Deutschland gekommen. Seinen erlernten Beruf konnte er wegen einer Verletzung nicht mehr ausüben. Zunächst habe er sich im Handel versucht, was aber schiefgelaufen sei. Ein Jahr lang sei er dann in einem Metallverarbeiter beschäftigt gewesen und dann zu einer anderen Firma gewechselt. Deren Inhaber sei für ihn wie ein Vater gewesen, berichtete der Angeklagte. Das Geschäftsmodell des neuen Arbeitgebers war es, insolvente Firmen zu übernehmen, fortzuführen und gewinnbringend weiterzuverkaufen. Nach etwa einem Jahr machte der seinem Mitarbeiter ein Angebot: Er solle in einem Dienstleistungsunternehmen Mitgeschäftsführer werden, zuständig für das operative Geschäft, während sein bisheriger Arbeitgebeber den kaufmännischen Bereich übernehme. Die Firma wurde im Juli 2016 gegründet. Zum Ende des Jahres schied der kaufmännische Gesellschafter überraschend aus; der 45-Jährige war somit ab 2017 alleiniger Geschäftsführer. Dieser Aufgabe war er offenbar nicht gewachsen. Die Zahlen wurden immer schlechter, die Schulden immer größer. Als im Juni 2017 schließlich der Insolvenzantrag eingereicht wurde, war es dafür längst zu spät, die Drei-Wochen-Frist bei Weitem überschritten. Es wurde nun wegen vorsätzlichem Bankrott, Insolvenzverschleppung und nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge ermittelt.
Gegen den Strafbefehl hat der gescheiterte Geschäftsführer Widerspruch eingelegt. Er sei zwar voll umfänglich geständig, erklärte sein Verteidiger Achim Ziegler, wolle aber das Strafmaß auf maximal 90 Tage beschränken, weil sonst das laufende Einbürgerungsverfahren gefährdet sei. Sein Mandant habe hauptsächlich handwerkliche Leistungen für die Firma erbracht. Er habe gesehen, dass sein Arbeitgeber mit seinem Geschäftsmodell offenbar sehr erfolgreich war. Der Einstieg in die Mitgeschäftsführung schien eine Riesenchance für den Handwerker, der soeben Vater geworden war und ein Eigenheim zu finanzieren hatte. Um das Geld unter anderem für das Stammkapital zur Gründung der GmbH aufzubringen, habe er sein Haus verkaufen müssen: „Er hat alles reingesteckt in diese Geschichte.“
Völlig unerwartet sei dann der Mitgeschäftsführer ausgestiegen: „Da stand er alleine da – und hat gehofft, dass er das hinbekommt.“Die Außenstände bei den Sozialversicherungsträgern, die im übrigen kein Interesse an einer strafrechtlichen Verfolgung äußerten, wolle der Beschuldigte unverzüglich begleichen. Genau 2382 Euro hat die Familie zusammengekratzt und in bar ihrem Anwalt übergeben, der es treuhänderisch an die Krankenkassen weiterleiten will.
Es sei schwer nachzuvollziehen, dass jemand mit so schlechten Sprachkenntnissen und ohne kaufmännischer Sachkenntnis eine solche Verantwortung übernimmt, merkte Richter Ralph Ettwein an. Seine Frau habe ihm dabei helfen wollen, erklärte der 45-Jährige. Und er habe geglaubt, wenn er alle Energie in diese Firma stecke, könne es funktionieren: „Ich habe in der Firma gewohnt.“Da er keinerlei Unterstützung in technischen Dingen gehabt habe, sei er davon ausgegangen, dass auf der anderen Seite auch von ihm kein Beitrag in kaufmännischen Dingen erwartet werde. Er habe auf keinen Fall jemandem schaden wollen.
Als sein Mitgeschäftsführer im Dezember 2016 ausschied, habe er dies als Sparmaßnahme deklariert und in Aussicht gestellt, ihn in kaufmännischen Angelegenheiten weiter zu unterstützen. Tatsächlich habe er an der Firma aber keinen Anteil mehr genommen. „Er hat sich vom Acker gemacht“, wandte Richter Ettwein, der die Rolle des Geschäftspartners durchaus als fragwürdig einschätzte. Der Beschuldigte indes zeigte sich nicht nachtragend. Es sei ein Verhältnis wie zu einem Vater gewesen: „Es ist extrem schmerzhaft.“Rückblickend müsse er eingestehen, sehr naiv gewesen zu sein. „Das ist mir furchtbar peinlich.“
Als sich Anfang Januar zeigte, dass die Zahlen weiter extrem schlecht waren, habe er immer noch auf zwei Großkunden gehofft. Den Ratschlag, Insolvenz anzumelden, hatte offenbar bereits 2016 die Steuerberaterin gegeben. Als Zeugin berichtete sie, dass bis zum Jahresende bereits über 150 000 Euro Schulden aufgelaufen seien. Der kaufmännische Geschäftsführer habe es auch abgelehnt, eine Bilanz zu erstellen, solange die Werte so schlecht seien. Vielmehr habe er, mit seinem Partner, noch privates Kapital in die Firma zuführen wollen. Trotz aller Ungereimtheiten sei er kein „typischer GmbH-Beerdiger“, der einen Strohmann in die Geschäftsleitung gesetzt hatte: „Bei den anderen Firmen lief alles immer ordentlich.“„Moralisch hat er ihn im Regen stehen lassen“, ärgerte sich Ettwein. Allerdings habe sich für diesen Kollegen das Geschäft auch nicht rentiert, nachdem er mit rund 200 000 Euro hafte. Auf rund 100 000 Euro bezifferte der Angeklagte seine Schulden. Der habe sich „missbrauchen lassen“, sagte er in seinem Beschluss und äußerte den Wunsch: „Ich hoffe, dass Sie davon künftig die Finger lassen.“