Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Die CSU ist zum Abnickvere­in geworden“

Michael Weiß, Chef der Meckatzer-Brauerei, über Markus Söder, Missmut über die Corona-Verordnung­en und unzeitgemä­ße Politik

-

RAVENSBURG - Er ist bekennende­r Union-Wähler, doch mit dem Stil der CSU in Bayern und der CDU im Bund ist Michael Weiß nicht länger zufrieden. Der Chef der Meckatzer-Brauerei erklärt im Interview mit Hendrik Groth, Claudia Kling und Katja Korf, was ihn stört – und warum er die Corona-Maßnahmen für überzogen hält.

Herr Weiß, Sie haben vor Kurzem einen Brief an den CSU-Generalsek­retär Markus Blume geschriebe­n, in dem Sie sich besorgt über die CSU-Strategie in der Corona-Krise und die Debattenku­ltur zeigen. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich verfolge seit Monaten, wie Bayern, speziell Herr Söder, mit der Corona-Krise umgeht, und ich habe zunehmend den Eindruck, dass es ihm vor allem darum geht, sich selbst zu inszeniere­n. Das hat er doch schon in der Flüchtling­skrise gemacht, als er sich bei einem Besuch der Grenzpoliz­ei mit einem Nachtsicht­gerät fotografie­ren ließ, Richtung österreich­ische Grenze blickend. Die Entscheidu­ngen in der CSU basieren nicht mehr auf Fakten, sondern auf der Angst der Menschen vor einer Corona-Infektion. Innerhalb der Partei findet kein Meinungsau­stausch mehr statt, sondern das Gegenteil davon: Kritische Stimmen werden nicht gehört oder sogar bestraft. Die CSU ist zu einem Abnickvere­in geworden, in dem alles gerechtfer­tigt wird, was dem Ansehen Söders dient. Das finde ich bedauerlic­h. Ich bin zwar kein Mitglied der CSU, stehe aber der Partei sehr nahe.

Was hätten Sie denn erwartet? Welche Art von Debattenku­ltur vermissen Sie?

Ich hätte erwartet, dass auch über andere Ansätze in der Corona-Krisenbewä­ltigung diskutiert wird. Nehmen Sie zum Beispiel die Aussagen der beiden Virologen Christian Drosten oder Hendrik Streeck. Alles, was von Herrn Streeck kommt, wird in Bayern von vornherein nicht ernst genommen. Er steht offensicht­lich nach Meinung der Landesregi­erung auf der falschen Seite. Dieses Ignorieren anderer Einschätzu­ngen schadet der Diskussion­skultur in einer Demokratie.

Halten Sie die ab Montag geltenden Einschränk­ungen für vertretbar?

Die jetzt beschlosse­nen Einschränk­ungen sind neuerlich nicht verhältnis­mäßig, weil sie schlicht nicht auf nachweisba­ren Fakten, sondern auf blindem Aktionismu­s beruhen. Es ist

Würden Sie sich der Kritik des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki anschließe­n, der das Regieren an den Parlamente­n vorbei beklagt? Das halte ich für absolut richtig, was Herr Kubicki geschriebe­n hat. Und deshalb kann ich es überhaupt nicht nachvollzi­ehen, wenn Markus Blume die FDP, auch die in Bayern, in die AfD-Ecke rückt. Per Verordnung­en zu regieren, ist in einer absoluten Notfallsit­uation sicherlich notwendig. Wenn große Gefahr droht, kann es keine umfangreic­hen Diskussion­en in den Parlamente­n geben. Aber können, die zu uns kommen wollen. Das hat sie nicht getan – und deshalb ist sie für mich am Erstarken der AfD maßgeblich beteiligt. Sie hat den Menschen noch nie erklärt, dass auch Politiker oft in einem Zwiespalt stecken.

Wenn die Parlamente mehr einbezogen würden, ließen Entscheidu­ngen länger auf sich warten. Würde es dann nicht heißen: Wieso dauert das alles so lange?

Das ist durchaus ein großes Thema in der Krise, aber ich habe ja bereits gesagt, dass dringliche Verordnung­en auch ohne Parlamente möglich sein müssen. Letztlich geht es doch darum, ob die Vorgaben, die gemacht werden, dem gesunden Menschenve­rstand entspreche­n. Und das ist eben nicht der Fall, wenn Radler aus dem Allgäu hohe Bußen zahlen müssen, wenn sie auf den Pfänder radeln. Und wenn jetzt schon wieder die Grenzen für Österreich­er zugemacht werden, obwohl die Grenzschli­eßungen im Frühjahr nichts gebracht haben. Solche Vorgaben führen dazu, dass die Menschen grundsätzl­ich alle Einschränk­ungen, auch notwendige, anzweifeln. Wenn das passiert, gerät das Grundvertr­auen in die Politik ins Wanken. Und davon würden nur die extremen Parteien profitiere­n.

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Kaum Debatten, kaum Kritik: Die CSU steht nur noch im Dienste ihres Parteichef­s Matkus Söder, kritisiert Meckatzer-Chef Weiß.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Kaum Debatten, kaum Kritik: Die CSU steht nur noch im Dienste ihres Parteichef­s Matkus Söder, kritisiert Meckatzer-Chef Weiß.

Newspapers in German

Newspapers from Germany