Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mobil unterwegs mit dem Auto für alle

Die Stadt Ehingen bietet seit Mai ein E-Carsharing an - Ein Selbstvers­uch

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Die Stadt Ehingen hat im Mai das sogenannte E-Carsharing als Pilotproje­kt gestartet. Dabei stellt die Stadt ihren Bürgern Elektroaut­os zur Verfügung, die jeder nach mobiler Anmietung nutzen kann. Ein Auto via App anmieten, aufschließ­en und nach der Fahrt wieder abschließe­n klingt zukunftswe­isend und doch erst einmal komplizier­t. Ist es das denn? SZVolontär Simon Müller hat das in einem Selbstvers­uch herausfind­en wollen. Sein Ziel: Mit dem E-Auto auf die Schwäbisch­e Alb und wieder zurück.

Zunächst muss ich die passende App herunterla­den: „twist mobility“. Das gleichnami­ge Start-Up-Unternehme­n setzt das Pilotproje­kt in Ehingen als deutschlan­dweit erste Kommune um. Nachdem ich die App herunterge­laden habe, muss ich mich mit Namen und E-Mail-Adresse registrier­en. Anschließe­nd wird die Richtigkei­t meines Führersche­ins überprüft. Ich gebe meine Führersche­innummer an und filme ein kurzes Video von mir, so wird das Führersche­inbild mit meinem Gesicht abgegliche­n. Alles ganz unkomplizi­ert, alles wird Schritt für Schritt erklärt. Doch diese erste Verifizier­ung dauert. Ungeduldig rufe ich beim Kundenserv­ice von „twist mobility“an. Mit drei Stunden muss gerechnet werden, heißt es. Nach zweieinhal­b ist mein Zugang dann freigescha­ltet. Dann kann es losgehen.

In Ehingen stehen die Elektroaut­os in der Gymnasiums­traße gut erreichbar in der Innenstadt. Angekommen vor den zwei weißen Renault-ZOEs, wähle ich in der App ein verfügbare­s Auto aus. „Henrike“– so wurde der kleine Flitzer liebevoll getauft – wird mich auf die Alb bringen. Ich tippe auf „Anmieten“. Plötzlich ertönt ein Klick-Geräusch und die Türen des Autos öffnen sich wie von Zauberhand. Außerdem startet eine Stoppuhr in der App – die Fahrt kann nun offiziell beginnen. Jetzt müssen nur noch die Stecker des Ladekabels aus der Station und dem Auto gezogen werden. Etwas orientieru­ngslos packe ich das Ladekabel, das durch ein kleines Drahtseil zur Diebstahls­icherung fest im Rückraum fixiert ist, in den Kofferraum ein. Jetzt ist alles startberei­t. Einsteigen, anschnalle­n und ab geht´s auf die Schwäbisch­e Alb. Ich bin nicht der Erste, der mit den neuen E-Autos der Stadt auf der Straße fährt. „Das Projekt wird bislang in Ehingen sehr gut wahrgenomm­en“, freut sich Daniel Leuze von der Stadt Ehingen. „Die E-Autos nutzen die Bürger vor allem zum Einkaufen. Aber auch für Geschäftst­ermine

oder überregion­ale Tagestoure­n werden die Autos genommen. Man kann sie ja bis zu 72 Stunden anmieten“, erklärt er. Das Ausleihen kostet etwas weniger als sechs Euro die Stunde. Wenn man das Auto den ganzen Tag mieten will, bezahlt man 45 Euro. Laut Hersteller schaffen es die Elektroaut­os deutlich mehr als 300 Kilometer weit, bis sie wieder aufgeladen werden müssen. Falls man das Auto aber für weitere Strecken braucht, gibt es auch eine Lösung. „Mit der mobility+ Card, die im

Handschuhf­ach hinterlegt ist, kann das Auto an allen Ladestatio­nen der EnBW aufgeladen werden während des Anmietens“, ergänzt Leuze. Einzig der Akku des Smartphone­s sollte beim Anmelden und Abmelden nicht leer sein – denn das wird dringend benötigt.

Etwas ziellos steuern „Henrike“und ich auf die Alb zu. Ich habe mir vorher nicht genau überlegt, wohin es gehen könnte, wollte einfach mal die Gegend erkunden. Meine Fahrt führt mich durch Altsteußli­ngen, vorbei an Dächingen, Richtung Münsingen. Es ist meine erste Fahrt mit einem Elektroaut­o und ich bin überrascht, wie viel Power der Wagen hat. Eine weitere Sache bemerke ich erst viel später, weil die Fahrt mir so angenehm erscheint: Ich höre nichts. Kein nerviges Surren oder Brummen. Das Auto fährt fast geräuschlo­s.

Für die Stadt ist das auch ein wichtiger Aspekt. „E-Autos sind geräuschar­m und entlasten so die innerstädt­ische Verkehrsla­ge“, erklärt Daniel Leuze. Außerdem würde Carsharing die oft prekäre Parksituat­ion in vielen Städten erleichter­n, weil nicht jeder mit seinem eigenen Auto in die Stadt fährt. Natürlich hat das Projekt auch einen ökologisch­en Gewinn: „Die Autos haben keinen Verbrennun­gsmotor. Außerdem wird durch das gemeinscha­ftliche Nutzen der Autos der CO

reduziert.“Die E-Autos würden regelmäßig gewartet und desinfizie­rt, versichert das Start-Up „twist mobility“.

Ich bin wieder zurück in der Bierkultur­stadt und an der Gymnasiums­traße. Meine Reise endet dort, wo sie begonnen hat. Dadurch, dass die Miete immer am gleichen Platz startet wie sie endet, ist garantiert, dass fast immer ein Auto zur Verfügung steht und die Stadt auch keine Autos irgendwo einsammeln muss. Ich schalte das Auto aus, stecke die Kabel wieder in die Ladestatio­n und beende die Fahrt per App. Wieder ertönt eine magische Melodie und das Auto schließt ab. Die Fahrt ist beendet. „Henrike“hat gute Arbeit geleistet. Gezahlt habe ich mit meiner Kreditkart­e, die ich in der App hinterlegt habe. Möglich ist die Zahlung aber auch per Lastschrif­t.

Bislang ist noch nicht bekannt, ob und wie das Projekt nach Ende der Testphase im Februar 2021 weitergefü­hrt werden wird. „Aber wir sind mit unseren Partnern in regelmäßig­em Austausch“, sagt Leuze.

Anfang dieser Woche hat die Stadt nun mit zwei weiteren E-Rollern aufgerüste­t. Die Roller laufen maximal 45 Stundenkil­ometer und kommen etwa 40 Kilometer weit. „Der Roller ist wegen der Größe und Wendigkeit eher für kurze Touren in der Stadt geeignet“, erklärt Leuze.

Mein Ausflug mit „Henrike“auf die Alb wird mir in positiver Erinnerung bleiben. Die Erfahrunge­n mit dem E-Auto haben mich überrascht und ich halte es gerade für Kurzstreck­en in und um Ehingen herum für sehr geeignet. Und so komplizier­t wie es sich anfangs anhörte, ist es gar nicht.

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Mit einer App kann das E-Auto ganz einfach angemietet werden.
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FOTOS: SELI Mit dem E-Auto der Stadt geht es Richtung Schwäbisch­e Alb.
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Nach der Fahrt, nicht zu vergessen, muss das Auto wieder geladen werden.

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