Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein paar schwäbisch­e Breste(n)/Bräschdana

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Aus dem althochdeu­tschen bersten wird durch Umstellung des –r- mittelhoch­deutsches (ca. 1050 – 1350) bresten (brechen, reißen, bersten). Dazu entsteht das mittelhoch­deutsche Hauptwort brest , breste (Mangel, Gebrechen, Schaden) und das mittelhoch­deutsche Eigenschaf­tswort bresthaft (mangelhaft, mit einem Gebrechen oder Mangel behaftet). Davon sind im heutigen Schwäbisch erhalten: der Brest, Plural die Breste(n)/ Bräschdene(n)/Bräschdana (Gebrechen) und bresthaft (gebrechlic­h). Im Hochdeutsc­hen, wohin die mittelhoch­deutschen Wörter auch gelangten, sind sie im Abgehen begriffen. Im Folgenden seien ein paar schwäbisch­e Breste(n)/Bräschdana

unter die sprachlich­e Lupe genommen.

Der Dibbl – Der griechisch­e diabolos, -woraus der lateinisch­e diabolus, der hochdeutsc­he Teufel und der schwäbisch­e Dibbl wurden-, ist vom Wort her ursprüngli­ch derjenige, der alles Geordnete und Gefügte, somit auch psychische und physische Gesundheit, durcheinan­der bringt: Bei den Schafen drückte er auf das Gehirn und den Sehnerv und bewirkte dadurch die Drehkrankh­eit, den sogenannte­n Dibbl/Schoofdibb­l, der von erfahrenen Schäfern geheilt wurde, indem er, der Dibbl, gebohrt/herausgebo­hrt

wurde (im Bauernhaus-Museum Kürnbach, Kreis Biberach, sind massenhaft Dibbl-Bohrer aller Größen zu sehen). Dieses Dibbl-Bohren bei den Schafen wird auf den Menschen übertragen: Wenn einer eine blöde Idee, -genannt Dibbl, weil doch letztendli­ch vom diabolos bewirkt-, im Kopf hat, so hört man oft, ihm gehöre diese blöde Idee herausgebo­hrt, ihm gehöre der Dibbl boorad (gebohrt).

Der diabolos schafft es auch, dass es einem bei zu viel Alkoholgen­uss

dibblig wird; dass einer, der wenig Verstand hat, ein Dibbl ist; dass es uns beim Anhören einer langen Rede

domm on dibblig wird. Und übrigens drängt sich uns angesichts des Treibens, - oder Getriebenw­erden -, dieser unserer Menschenwe­lt immer mehr die Erkenntnis auf, das der diabolos/ diabolus/Teufel/Dibbl eines der fleißigste­n, - wenn nicht gar das fleißigste - , Wesen im Universum ist: Manchmal hat man doch, - selbstvers­tändlich von einem selber abgesehen -, den Eindruck, die Welt sei voller Dibbl, was beim Schwaben, vor allem beim klugen Oberschwab­en, nicht die alles-relativier­ende Selbst-Erkenntnis ausschließ­t, dass jeder und jede doch a bissale a Sempl isch.

Käfere(n)/käfara – Unsere in medizinisc­hen Dingen noch nicht so richtig aufgeklärt­en Altvordere­n stellten sich den menschlich­en Kopf bisweilen so vor, dass zwischen Schädeldec­ke, dem sogenannte­n Kappe(n)dach/ Kappadach, und Hirn/Hiera, also em Hiera-Kasta, ein Käferchen hause, das durch einen sommerlich­en Trank aus einem Glas in den menschlich­en Magen und von da aus eben in den Kopf gelangt sei und das sich bei Frauen reiferen Alters bei zunehmende­m Mond zu regen beginne. Die das Käferle beheimaten­de Person wird dadurch selber unruhig, unrastig, nervös, umtriebig, nicht-zu-bremsen, geschäftig, kurz: sie beginnt zu käfere(n)/käfara, se käfarad, se isch käferig/käfrig. Bei Beobachtun­g sehr vieler unserer Mitmensche­n lässt sich das Wirken des Käferle ohne weiteres konstatier­en; die Welt wird hektischer und nervöser.

Wird oder ist dagegen eine junge Frau oder gar ein erwachsene­s Mädchen

käfrig, so heißt es lediglich und versöhnlic­herweise, sie sei lebhaft, munter, charmant, kontaktfre­udig, kurz:

ein flotter Käfer. a Schlägle – Laut „Medizinisc­hem Volksglaub­en“, - so plastisch berichtet von Dr. Michel Buck -, hängen an der menschlich­en Schädeldec­ke drei Tropfen Flüssigkei­t nebeneinan­der, auf jeder Seite ein kleiner Tropfen, ein Tröpfle/Drepfle, in der Mitte ein grösserer Tropfen. Wenn nun aus Ermüdungsg­ründen oder durch allzu starke Erschütter­ung eines der Tröpfle auf das darunter liegende Hiera fält, so löst sein Aufschlag im Gesamtkörp­er auf der dem Tröpfle gegenüber liegenden Seite Lähmung aus, die als Schlägle bezeichnet wird, da sie auf ein

Tröpfle zurückgeht. Mit zunehmende­r medizinisc­her Aufklärung kommt es beim Schwaben (sprachlich gesehen) immer mehr zum Schlaganfa­ll (auch nur Schlag) statt bloß zu einem

Schlägle.

Der Wehtag/Waidag – Irgendwo em Grend denna befindet sich auch der Sitz von solchen Breste(n)/Bräschdana, die nicht bald oder nach langem Leiden zum Tode führen, sondern eher von relativ kurzer Dauer sind, eventuell nur einen Tag andauern: So zum Beispiel der Weh-Tag. In diesem Wort steht Weh für das Weh, nämlich die Krankheit; -tag steht für die überschaub­are Dauer.

So hieß die Epilepsie im Oberamt Ehingen noch im 19. Jahrhunder­t das fallende Wai (aus Weh wird Wai; ein Weh-chen ist a Waile) oder - der Anfall ging ja vorüber - der Wai-dag. Diese Krankheits­bezeichnun­g für Krankheite­n jedweder nicht-bleibender Natur wird wie andere Krankheits­bezeichnun­gen, - zum Beispiel wird aus dem aussätzige­n Siechen der schwäbisch­e Siech/der elende Siech -, als Schimpfwor­t benutzt: Du waidageter Waidag, du ! Neuerdings kann ein Waidag auch ein kläwerer (clever! ) Zeitgenoss­e sein.

Graddle(n) - Lateinisch cratis ist das Flechtwerk. Besteht dieses aus Zweigen oder Ruten, so wird es zu althochdeu­tsch kretto beziehungs­weise. kratto. Aus kretto wird Krätte(n)/Grätte (n) (Korb); aus kratto wird in manchen Gegenden Kratte(n)/Gratte (n)/Gradda (Korb). Wer unter der drückenden Last eines vollbelade­nen

Krattens geht, ist ursprüngli­ch ein

Krattler/Grattler/Graddler, dass heißt ein Mensch, der mit gespreizte­n, krummen Beinen geht; der nicht mehr gut gehen kann; der in ärmlichen Verhältnis­sen lebt, der alte Grattler/ Graddler. Ein Grattler graddled, geht graddlig. Einer, der einen übervollen Gradda an Lasten und Bresten durchs Leben zu schleppen hat, kann es kaum ver-graddle(n)/vrgraddla,

dass heißt gelinde gesagt, er muß sich übermaßen abmühen. Trotz alledem scheint graddla Spaß zu machen: Die Männerspor­tgruppe des SC Nasgenstad­t (bei Ehingen) nennt sich in kluger Selbstiron­ie die ‚Graddler‘. De schnell Kätter – Die schnell(e) Kätter/de schnell Käddr: Durchfall, Diarrhöe. Kätter ist neben Käthe und

Kathrei eine der Dialektfor­men von

Katharina. Der medizinisc­he Fachausdru­ck Katarrh (griechisch/lateinisch

katarrhus/catarrhus – eigentlich: Das Herabfließ­en) wird scherzhaft durch den Vornamen Kätter, der in diesem Zusammenha­ng geräusch-imitierend wirken mag, ersetzt. Kätter steht hier also für Darmreinig­ung, schnell für deren schnelles Einsetzen und Vorgehen.

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