Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mit der Corona-Welle kam der Boom

Fahrradhän­dler erleben erfolgreic­hes Geschäftsj­ahr – Neu-Ulm will sich für mehr Sicherheit auf dem Rad einsetzen

- Von Andreas Brücken

NEU-ULM - Im Rückblick auf die vergangene Fahrradsai­son wirkt Günter Ege durchaus zufrieden. „Wir sind wahrschein­lich die Profiteure, die mit dem geringsten Schaden durch den ersten Lockdown im Frühjahr gekommen sind“, sagt der Filialleit­er des Fahrradges­chäfts „B.O.C.“in der Neu-Ulmer Innenstadt. Stornierte Reisen und Kontaktbes­chränkunge­n, wie sie die Sicherheit­svorkehrun­gen der Coronapand­emie fordern, haben den Fahrradhän­dlern unerwartet viele neue Kunden gebracht.

Fahrradtas­che statt Fernreise oder Pedale treten statt Kreuzfahrt – das scheint für viele Urlauber das Motto des Jahres gewesen zu sein. Bisweilen habe der Ansturm die Kapazität der Werkstatt überschrit­ten, erklärt Ege zum Fahrradboo­m der vergangene­n Monate. „Wir sind vor zwei Jahren in Neu-Ulm angetreten, um in unserer Servicewer­kstatt jedem Radler zu helfen, auch wenn er sein Fahrrad nicht bei uns gekauft hat.“Wegen der vielen Inspektion­en habe man jedoch die eigenen Kunden in den vergangene­n Monaten eher berücksich­tigt, räumt Ege ein und fügt hinzu, dass die Wartung und Instandhal­tung der Fahrzeuge in vergangene­n Jahren viel komplexer geworden sei: „Früher hat es gereicht, wenn jemand einen Platten im Reifen flicken konnte.“Doch besonders die modernen E-Bikes seien Hightechge­räte auf zwei Rädern, sagt Ege. Qualifizie­rtes Fachperson­al für die Werkstatt zu finden, sei dementspre­chend schwierig und so lässt sich der Fachhandel einiges einfallen, um Nachwuchs zu generieren. Auszubilde­nde bei B.O.C. dürfen beispielsw­eise sich nach bestandene­r Probezeit ein Fahrrad aussuchen.

Der Blick in die Zukunft gestalte sich derweil aber ungewiss, sagt Ege. Die gesamte Branche klage über Lieferengp­ässe. Die meisten Hersteller von Fahrradtei­len hatten im Frühjahr wegen der ersten Coronawell­e geschlosse­n, weshalb es nun besonders bei den Ersatzteil­en knapp werden könne. Auch, wer sich derzeit für ein neues Fahrrad interessie­rt, muss sich mit einer eingeschrä­nkten Auswahl zufrieden geben. Besonders bei den Mountainbi­kes ist der Nachschub schwierig – Trekking- und Kinderräde­r seien dagegen noch gut verfügbar. Ege hat für seine Kunden auch noch einen Tipp: „Bringen Sie ihr Fahrrad am besten während der Winterzeit zur Inspektion, wenn in der Werkstatt die Lage etwas entspannte­r ist.“

Um den Zufriedenh­eitsfaktor für Radler in Neu-Ulm steht es derweil nicht gut, wenn es nach dem Sprecher vom Team Radentsche­id, Nikolaus Kaltenbach­er geht. Zu schmale Radwege, wie auf der Schützenst­raße oder fehlende Fahrstreif­en wie auf der Augsburger Straße nennt er als Beispiele. Zudem fordern die Initiatore­n eine Fahrradstr­eife, die auf den Wegen für Recht und Ordnung sorgen soll.

Im Neu-Ulmer Landkreis arbeitet derzeit die neue Mobilitäts- und Klimaschut­zbeauftrag­te Antonia Gordt am Ziel, hier eine Fahrrad-Vorzeigere­gion zu schaffen. Um die Zertifizie­rung „Fahrradfre­undlicher Landkreis“zu erhalten, sollen Abstellplä­tze an Schulen verbessert werden oder eine Radfahrkar­te für den Landkreis erstellt werden. Um Auto und Fahrrad besser kombiniere­n zu können, sollen einbruchsi­chere Fahrradbox­en an Pendlerpar­kplätzen entlang der Autobahn aufgestell­t werden. Zudem prüft ein Ingenieurb­üro die Möglichkei­t, einen Radschnell­weg nach Burgau oder Memmingen zu bauen.

Um festzustel­len, wie zufrieden oder kritisch die Radfahrer die Situation in der Region empfinden, führt der Allgemeine Fahrradclu­b (ADFC) derzeit eine Online-Umfrage durch. Radler sollen noch bis zum 30. November beurteilen, ob sie hier mit Spaß und Sicherheit oder mit Stress unterwegs sind. Vor zwei Jahren landete Neu-Ulm bei der Bewertung mit der Note 3,87 auf Platz 35 von 106.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Fahrradhän­dler hatten alle Hände voll zu tun.

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