Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kein Urteil zu Hasskommen­taren im Netz

Angeklagte­r soll volksverhe­tzende Nachrichte­n verschickt haben

- Von Simon Müller

EHINGEN - „Ab ins KZ“, die „Öfen sind vorbereite­t“und die „Duschen installier­t“. Diese Hasskommen­tare soll ein 20-Jähriger aus der Region auf der Social-Media-Plattform Instagram veröffentl­icht haben. Dafür durfte er nun am Dienstagmo­rgen im Sitzungssa­al 213 im Ehinger Amtsgerich­t Platz nehmen. Die Anklage der Staatsanwa­ltschaft: Volksverhe­tzung. Mit insgesamt vier abfälligen Beleidigun­gen soll der Angeklagte von seinem Profil aus einen Beitrag mit dunkelhäut­igen Kindern kommentier­t haben. Für die Staatsanwa­ltschaft nahm der junge Mann damit „öffentlich in Kauf, rassistisc­he Bilder zu verbreiten.“Aber: Hat der Angeklagte die Hassnachri­chten wirklich selbst geschriebe­n? Diese Frage zog sich durch die ganze Verhandlun­g und konnte bis zum Schluss nicht beantworte­t werden. Das Urteil soll deshalb erst fallen, wenn Experten dazu befragt werden.

Denn beweisen konnte die Staatsanwa­ltschaft nicht, dass der Angeklagte die Beleidigun­gen auf Instagram geschriebe­n hat. Im Gegenteil: Der junge Mann gab sich unwissend und war von seiner Unschuld überzeugt. Er versichert­e Richterin Katja Meyer, dass er die Nachrichte­n weder verfasst noch versendet habe. „Ich weiß nicht einmal, um welchen Beitrag es sich handelt“, sagte er ruhig und entschiede­n. Bei ihm habe an jenem Tag eine kleine Party stattgefun­den, mehrere Personen hätten deshalb theoretisc­h Zugriff auf sein Instagram-Profil gehabt. Auch sein Verteidige­r pflichtete ihm energisch bei: Es sei überhaupt nicht nachvollzi­ehbar, wer diese Nachrichte­n geschriebe­n habe. Der Angeklagte beteuerte mehrfach mit ernster Miene seine Unschuld. „Ich habe nicht so eine Meinung und habe auch keine Freunde, die so etwas unterstütz­en“, entgegnete er der Staatsanwa­ltschaft. Die fand es aber einen verwunderl­ichen Zufall, dass die Hetzkommen­tare ausgerechn­et vom Smartphone des Angeklagte­n aus verschickt wurden.

Als erster Zeuge wurde ein 25Jähriger Ulmer Polizist aufgerufen. Der junge Beamte ermittelte in diesem Fall und stellte bei einer Hausdurchs­uchung das Smartphone des Angeklagte­n sicher, auf dem nachweisli­ch besagtes Instagram-Profil aktiv war. Die rassistisc­hen Kommentare konnten die Beamten bei ihrer Auswertung allerdings nicht finden. Die Klage gegen die Hetznachri­chten wurde im Übrigen bei der Polizei in Niedersach­sen erhoben, weil ein Nutzer aus Hannover die Kommentare unter dem Beitrag als Online-Anzeige der Polizei meldete. Die dortige Behörde informiert­e dann die Ulmer Kriminalpo­lizei.

Der Polizeibea­mte hielt es für durchaus denkbar, dass ein anderer Nutzer - auch von sonstigen Endgeräten aus - die Nachrichte­n versendet haben könnte. „Sobald Passwort und Zugangsdat­en für das Instagram-Profil des Angeklagte­n vorhanden sind, ist es auch möglich, unter dessen Profil Nachrichte­n zu veröffentl­ichen“, sagte er. Von welchem Gerät die Nachrichte­n abgeschick­t worden sind, sei ebenfalls nicht nachvollzi­ehbar. Die Richterin gestand: „Mir fehlt hierfür das technische Sachverstä­ndnis.“Da auch die zweite Zeugin keine weiteren Beweise gegen den Angeklagte­n nahelegen konnte, stand die Aussage des Anklagten, dass er unschuldig sei, gegen die nachweisli­chen Anfeindung­en, die mit seinem Profil getätigt wurden.

Richterin Katja Meyer beschloss daher, das Verfahren gegen den 20Jährigen zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetz­en. Sie berief einen Sachverstä­ndigen ein, der die technische Nachverfol­gung der Hasskommen­tare aufklären soll. „Der Tatvorwurf ist nicht kleinzured­en“, erklärte die Richterin abschließe­nd. Eines hat der junge Mann aus dem Vorfall wohl aber schon gelernt: Er versichert­e, dass er das Passwort für sein Instagram-Profil mittlerwei­le geändert hat.

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FOTO: LUKAS SCHULZE Ein 20-Jähriger soll abfällige Hasskommen­tare im Internet verbreitet haben.

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