Kein Urteil zu Hasskommentaren im Netz
Angeklagter soll volksverhetzende Nachrichten verschickt haben
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EHINGEN - „Ab ins KZ“, die „Öfen sind vorbereitet“und die „Duschen installiert“. Diese Hasskommentare soll ein 20-Jähriger aus der Region auf der Social-Media-Plattform Instagram veröffentlicht haben. Dafür durfte er nun am Dienstagmorgen im Sitzungssaal 213 im Ehinger Amtsgericht Platz nehmen. Die Anklage der Staatsanwaltschaft: Volksverhetzung. Mit insgesamt vier abfälligen Beleidigungen soll der Angeklagte von seinem Profil aus einen Beitrag mit dunkelhäutigen Kindern kommentiert haben. Für die Staatsanwaltschaft nahm der junge Mann damit „öffentlich in Kauf, rassistische Bilder zu verbreiten.“Aber: Hat der Angeklagte die Hassnachrichten wirklich selbst geschrieben? Diese Frage zog sich durch die ganze Verhandlung und konnte bis zum Schluss nicht beantwortet werden. Das Urteil soll deshalb erst fallen, wenn Experten dazu befragt werden.
Denn beweisen konnte die Staatsanwaltschaft nicht, dass der Angeklagte die Beleidigungen auf Instagram geschrieben hat. Im Gegenteil: Der junge Mann gab sich unwissend und war von seiner Unschuld überzeugt. Er versicherte Richterin Katja Meyer, dass er die Nachrichten weder verfasst noch versendet habe. „Ich weiß nicht einmal, um welchen Beitrag es sich handelt“, sagte er ruhig und entschieden. Bei ihm habe an jenem Tag eine kleine Party stattgefunden, mehrere Personen hätten deshalb theoretisch Zugriff auf sein Instagram-Profil gehabt. Auch sein Verteidiger pflichtete ihm energisch bei: Es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, wer diese Nachrichten geschrieben habe. Der Angeklagte beteuerte mehrfach mit ernster Miene seine Unschuld. „Ich habe nicht so eine Meinung und habe auch keine Freunde, die so etwas unterstützen“, entgegnete er der Staatsanwaltschaft. Die fand es aber einen verwunderlichen Zufall, dass die Hetzkommentare ausgerechnet vom Smartphone des Angeklagten aus verschickt wurden.
Als erster Zeuge wurde ein 25Jähriger Ulmer Polizist aufgerufen. Der junge Beamte ermittelte in diesem Fall und stellte bei einer Hausdurchsuchung das Smartphone des Angeklagten sicher, auf dem nachweislich besagtes Instagram-Profil aktiv war. Die rassistischen Kommentare konnten die Beamten bei ihrer Auswertung allerdings nicht finden. Die Klage gegen die Hetznachrichten wurde im Übrigen bei der Polizei in Niedersachsen erhoben, weil ein Nutzer aus Hannover die Kommentare unter dem Beitrag als Online-Anzeige der Polizei meldete. Die dortige Behörde informierte dann die Ulmer Kriminalpolizei.
Der Polizeibeamte hielt es für durchaus denkbar, dass ein anderer Nutzer - auch von sonstigen Endgeräten aus - die Nachrichten versendet haben könnte. „Sobald Passwort und Zugangsdaten für das Instagram-Profil des Angeklagten vorhanden sind, ist es auch möglich, unter dessen Profil Nachrichten zu veröffentlichen“, sagte er. Von welchem Gerät die Nachrichten abgeschickt worden sind, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Die Richterin gestand: „Mir fehlt hierfür das technische Sachverständnis.“Da auch die zweite Zeugin keine weiteren Beweise gegen den Angeklagten nahelegen konnte, stand die Aussage des Anklagten, dass er unschuldig sei, gegen die nachweislichen Anfeindungen, die mit seinem Profil getätigt wurden.
Richterin Katja Meyer beschloss daher, das Verfahren gegen den 20Jährigen zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Sie berief einen Sachverständigen ein, der die technische Nachverfolgung der Hasskommentare aufklären soll. „Der Tatvorwurf ist nicht kleinzureden“, erklärte die Richterin abschließend. Eines hat der junge Mann aus dem Vorfall wohl aber schon gelernt: Er versicherte, dass er das Passwort für sein Instagram-Profil mittlerweile geändert hat.