Fieser die Glocken nie klingen
Es weihnachtet im neuen Hörbuch von Florian Schröder – Er nimmt darin die Alb-Bewohner aufs Korn
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ULM - Die Schwäbische Alb ist nicht gerade bekannt dafür, ihre Bewohner zu umarmen. Eher versetzt sie diesen Tritte in den Allerwertesten. Und so heißt das neue Hörbuch von Florian Schröder, Pop-Art-Künstler aus Heroldstatt, konsequenterweise auch: „Ein Guter hälts aus“– vom Leben und Erwachsenwerden auf der Albhochfläche.
Böse Zungen behaupten, das Beste an der Alb, im Speziellen der Laichinger Alb, sei dank A 8 ihre klasse Verkehrsanbindung. Man ist schnell da, aber genauso schnell wieder weg.
In seinem neuen Hörbuch, das seit diesem Donnerstag bei allen bekannten Streamingplattformen (audible, spotify) erhältlich ist, kehrt Schröder alias Autor Michael Berger aus der großen Stadt zurück in seine Heimat, inklusive Stau bei Bad Urach bei der Fahrt hinauf auf die Alb. Anlass ist das nahende Weihnachtsfest. Und die Hoffnung, in ihrer Abgeschiedenheit und Ödnis Inspiration zu finden für sein neues Buch.
In Bärenbeuren (Schröder lebt und arbeitet in seiner Heimatgemeinde Heroldstatt) ist eigentlich alles noch immer so, wie es schon zu Bergers Kindheitstagen war. Nix los. Auch das Weihnachtsfest wird zuhause bei den Bergers noch fast immer so gefeiert, wie in den 1980erJahren, als der kleine Micha einmal, weil er zu viel Mon Chéri futterte, in sein Geschenk unterm Christbaum (ein Räuber-Hotzenplotz-Spiel) brechen musste.
Ziemlich derb geht es zu in Schröders zweitem Hörbuch (nach „Sage mir deine Freunde“, 2018). Das liegt zum einen daran, dass der Autor das Buch selbst vorliest und keine Scheu zeigt – meist dann, wenn er Dialoge zwischen den Protagonisten spricht –, das breiteste Alb-Schwäbisch auszupacken. Gelernt ist gelernt.
Zum anderen beweist Schröder ungeheures Beobachtungstalent. Für „Ein Guter hälts aus“hat er den Menschen der Alb so was von aufs Maul geschaut. Er beschreibt vortrefflich, was diesen Menschenschlag von anderen abhebt. In erster Linie eine bis zur Selbstaufgabe und darüber hinaus reichende Liebe zur Arbeit. Schröder teilt aus, ist gemein. Was irre komisch ist.
Sein Fazit lautet: Gewonnen hat auf der Schwäbischen Alb jener, der es am längsten aushält in einem Job, der vieles, aber sicher nicht erfüllend ist. Das klingt absurd. Für viele von
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Schröders Personen scheint die Spanne zwischen Geburt und Tod aber vor allem ein Wettbewerb mit den Mitmenschen zu sein, ein Kampf, den es unbedingt zu gewinnen gilt. Sei es am Esstisch und der Frage, ob es sich ziemt, noch ein zweites Stück Hasenbraten zu vertilgen (oder werd’ ich dann als verfressen abgestempelt?); oder beim Begegnungsverkehr auf dem Gehweg. Hier lautet das Motto: Wer zuerst grüßt, der hat verloren. Denn dann bestünde ja die Gefahr, dass das Gegenüber von einer Erwiderung des Grußes absieht, was eine große Blamage wäre.
All die, oder zumindest die allermeisten in „Ein Guter hälts aus“geschilderten Szenen sind natürlich maßlos überspitzt. Mal lehnt sich der Autor zwar scheinbar an Begebenheiten an, von denen man sich erzählt, dass sie sich wirklich so (oder so ähnlich) zugetragen haben (könnten).
Vieles dürfte allerdings frei erfunden sein. Auch das macht das Buch spannend: Zu entwirren, was jetzt „echt“und was „fake“sein muss.
Die grobe Geschichte (ohne zu viel zu verraten): Schröder taucht ein in seine Heimat und Kindheit, er trifft Freunde von früher, wie den „Bombe“(einen etwas abgehalfterten, ehemaligen Festzelt-Schläger), und schildert ohne Pathos, was die ins Land gezogenen Jahre so alles angerichtet haben. Am Ende macht sich trotzdem so etwas wie Hoffnung breit. Und die Alb erlebt das größte Feuerwerk ihrer jüngeren Geschichte.
Schröder selbst ist Älbler. Vielleicht gelingt es ihm deshalb, die teils absurden Abläufe ohne Hochnäsigkeit zu schildern. Man darf sich über Menschen lustig machen. Aber nur dann, wenn man diese, wie Schröder, im Grunde gerne hat. Seine etwas andere, fiese Weihnachtsgeschichte taugt durchaus als herb geratener Liebesbeweis an seine Heimat, deren Winter einige Kittel kälter sind als anderswo im Ländle. Deren Bewohner aber, das ist der Clou, robust und standfest sind. Hartgeklopft von Wind, Wetter und Abgeschiedenheit. Sturköpfe, aber aufrechte. Schröder hat ihnen mit „Ein Guter hälts aus“ein kleines Denkmal gesetzt.