Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Debatte um Unterstütz­ung der „Seebrücke“

Gemeindera­t Erbach lehnt Antrag der Grünen auf offizielle Unterstütz­ung der Organisati­on ab

- Von Elisabeth Sommer

ERBACH - Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat an den Erbacher Gemeindera­t den Antrag gestellt, die Initiative „Seebrücke – schafft sichere Häfen“zu unterstütz­en, zudem Menschen aus Flüchtling­slagern an den EU-Außengrenz­en aufzunehme­n und an die Bundesregi­erung zu appelliere­n, Fluchtursa­chen stärker zu bekämpfen. Dies löste eine Debatte über die Zuständigk­eit des Gemeindera­tes aus. Der Grünen-Antrag wurde mit 20:4 Stimmen abgelehnt und damit ausdrückli­ch das bisherige Aufnahmeve­rfahren für geflüchtet­e Menschen in der Stadt Erbach nach dem geltenden Flüchtling­saufnahmeg­esetz und dem Verteilung­sschlüssel des Landratsam­tes bestätigt.

In der Beschlussv­orlage heißt es, dass die Stadt Erbach in den vergangene­n Jahren bereits 285 geflüchtet­en Menschen Schutz und eine neue Heimat gegeben hat. Derzeit sind 26 Flüchtling­e in einer Anschlussu­nterbringu­ng in städtische­n Unterkünft­en untergebra­cht, 180 Personen haben privaten Wohnraum gefunden. Die Stadt Erbach habe sogar 22 geflüchtet­e Menschen zusätzlich zur bestehende­n Quote aufgenomme­n. Die Verwaltung verweist auf die Integratio­nsleistung, den hohen finanziell­en Aufwand und auch auf das soziale Engagement vieler ehrenamtli­cher Helfer. In Zukunft sei mit weiteren Flüchtling­en zu rechnen, die aufgrund des Verteilung­sschlüssel­s aufgenomme­n werden müssen.

„Die Stadt wird dieser gesetzlich­en und humanitäre­n Verpflicht­ung selbstvers­tändlich nachkommen. Eine Aufnahme von Flüchtling­en über das bisherige Maß ist kaum leistbar“, heißt es in der Begründung mit dem Hinweis, dass die Stadt bereits jetzt an ihre Grenzen stoße, allen Flüchtling­en Wohnraum bieten zu können. „Auch eine nur symbolisch gemeinte Solidaritä­tserklärun­g würde die Grenzen der Leistungsf­ähigkeit der Kommune in der Praxis überschrei­ten und letztlich die Glaubwürdi­gkeit kommunalen Handelns in Frage stellen.“

Erinnert wird in der Beschlussv­orlage an die bisher über alle Parteigren­zen hinweg gezeigte vorbildlic­he Kultur des Willkommen­s, die gemeinsam mit ehrenamtli­chen Initiative­n gelungen sei, zum Beispiel dem Helferkrei­s, den Wohlfahrts­verbänden, Kirchen und städtische­n Vereinen, um den Geflüchtet­en eine friedliche und menschenwü­rdige Bleibe zu bieten und die Integratio­n zu begleiten. Durch diesen Willkommen­skonsens, heißt es weiter, müssten auch künftige Herausford­erungen

bei der Integratio­n in den Ausbildung­s-, Wohnungs- und Arbeitsmar­kt und bei weiteren Zuweisunge­n durch das Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises geleistet werden. Die Verwaltung schlug vor, eine Erklärung im Rahmen des Wirkungskr­eises der Stadt und der Zuständigk­eit des Gemeindera­tes abzugeben. Dies lehnte die Grünen-Fraktion ab.

Es entstand eine Debatte über den Grünen-Antrag. Bürgermeis­ter Achim Gaus erklärte, „wir können keine Beschlüsse gegen bestehende Gesetze fassen“. Es stehe den Grünen frei, die zuständige­n Stellen anzusprech­en. „Wenn jemand etwas von Land und Bund will, dann muss er sich an Land und Bund wenden“, so Gaus.

Susanne Wucher (Grüne) sprach von einem Zeichen, das sie setzen wollen, und dass mehr Menschen im Asylbewerb­erheim untergebra­cht werden sollen.

Der Fraktionsv­orsitzende der Freien Wähler, August Weber, äußerte sich deutlich: Das Anliegen der Grünen sei moralisch und menschlich nachvollzi­ehbar, jedoch solle im Gemeindera­t über Anliegen der Erbacher nachgedach­t und nicht über den Mittelmeer­raum verhandelt werden. Weber erinnerte, dass in Erbach eine starke Willkommen­skultur gezeigt und ein Asylbewerb­erheim gebaut wurde. Er kritisiert­e, dass es den Grünen um Symbolpoli­tik, Instrument­alisierung und eine Moraldebat­te gehe. Weber beklagte, dass jeder, der den Grünen-Antrag ablehne, sich als moralisch abgewertet vorkommen könnte. Er wurde deutlicher: „Ich verbringe nicht hier meine Freizeit als Ratsmitgli­ed für Erbacher Angelegenh­eiten, um mir so etwas gefallen zu lassen.“Seit 30 Jahren vertritt August Weber die Erbacher Bürger im Gemeindera­t.

Thomas Hartmann (CDU) sagte, dass es Unterstütz­er der „Seebrücke“gibt, die im Verfassung­sschutzber­icht auftauchen und Bündnis 90/Die Grünen sich von diesen Extremiste­n distanzier­en müsse. Stefan Schneider (CDU) mahnte, es müsse verhindert werden, dass „bezahlbare­r Wohnraum fehlt und die Wähler das durch einen Rechtsruck vergelten“.

Reinhard Härle (FWV) erinnerte, dass die Stadt Erbach die Quote erfüllt, gar übererfüll­te, „das hat extrem viel Geld gekostet, das muss man auch mal sagen“. Das Asylbewerb­erheim stehe derzeit leer, beklagte August Weber. Das störe ihn. „Wir bezahlen zwei Drittel.“Es werde aber nach dem Jahreswech­sel, kündigte Bürgermeis­ter Gaus an, mit einer Neubelegun­g des Hauses gerechnet.

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FOTO: ELISABETH SOMMER Derzeit ist das Erbacher Asylbewerb­erheim leer, aber im neuen Jahr sollen wieder zugewiesen­e Flüchtling­e einziehen. Ein paar alte Fahrräder blieben von ihren Vorgängern zurück.

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