Jobausstieg meistern
Wie Arbeitnehmer bei Entlassungen ihre Abfindung klug für den Lebensabend nutzen
●
MÜNCHEN - „Gefeuert“nach Jahrzehnten? Nicht wenigen Mitarbeitern droht dieses Schicksal in den nächsten Monaten, nachdem ganze Branchen, wie Automobil, Luftfahrt oder Touristik, durch die Pandemie immer mehr unter Druck geraten. Wer geschickt verhandelt, kann sich aber eine Kündigung durch eine Abfindung versüßen lassen. Allerdings gilt es einiges zu beachten, damit ein zu schnell unterschriebener Aufhebungsvertrag oder hohe Steuern den Traum nicht zerplatzen lassen.
Strategisch vorgehen
●
„Die Höhe einer Abfindung ist in der Regel Verhandlungssache und kein Rechtsanspruch“, erklärt Claus Walter, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Freiburger Vermögensmanagement GmbH. In den meisten Fällen muss der Arbeitgeber keinen finanziellen Ausgleich für den Jobverlust bieten. Aber um mögliche Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sind Personalabteilungen oft gewillt, dieses Risiko für das Unternehmen durch eine einmalige Zahlung gegen Klageverzicht aus der Welt zu schaffen. Die Höhe ist im Normalfall weder nach oben noch nach unten in Stein gemeißelt. Eine grobe Orientierung bietet die Faustregel: Halber Bruttomonatslohn mal die Jahre des Beschäftigungsverhältnisses – also bei 6000 Euro Gehalt und 20 Jahren wären das 60 000 Euro Abfindung, das kann jedoch je nach Branche sehr unterschiedlich sein. Es spricht viel dafür, nicht die erstbeste gebotene Summe zu akzeptieren, sondern sich Rat bei einem Fachjuristen und beim Steuerberater für die Verhandlung einzuholen. Denn es gilt enge Fristen zu beachten, einen möglichen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu gefährden und bei der Gestaltung der Auszahlung das Finanzamt einzukalkulieren. Selbst wenn das alles geschafft ist, bleibt die Frage: Wohin mit dem Geld? „Zuallererst sollten die individuelle Vermögenssituation, die eigenen Pläne und das persönliche Chance-Risiko-Bedürfnis ermittelt werden“, rät VermögenDabei verwalter Walter, „dann kann passend dazu ein strategischer Plan entwickelt werden.“Eine ausgewogene Mischung verschiedener Anlageklassen, wie Aktien, Renten oder Edelmetalle, kann dann auch in Niedrigzinszeiten langfristig reale Erträge für ein Abfindungsdepot bringen.
Finanzielle Freiheit
●
Ob die angebotene Summe für einen frühzeitigen Ruhestand ohne Einschränkungen des Lebensstandards reicht, hängt von der Gesamtsituation ab. „Wer eine Abfindungssumme aufteilt und klug anlegt, kann den Arbeitsplatzverlust zu einem gelungenen Jobausstieg machen“, erklärt Ingo Fischer, Direktor bei der Bayerische Vermögen AG aus München.
gilt es, eine gute Balance zwischen schnell verfügbaren, sicheren Anlageformen und langfristig chancenreichen Investments zu wahren. Zudem ist es wichtig, die Vermögensstruktur im Blick zu behalten. Denn nach Jahren in einem gut dotierten Beschäftigungsverhältnis steht meist nicht nur die Abfindungssumme zur Verfügung. Ansprüche aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge, angespartes Kapital sowie Immobilienbesitz gehören zu einer Gesamtbetrachtung dazu. „Stehen die Kinder auf eigenen finanziellen Beinen und sind längst von daheim ausgezogen, kann es zum Beispiel auch eine Option sein, das selbstgenutzte Wohneigentum zu verkleinern“, sagt Finanzfachmann Fischer. Eine pflegeleichte Wohnung ohne großen Garten kann im Ruhestand für manchen mehr Freiheit bieten als ein zu groß gewordenes Einfamilienhaus. Wenn eine Abfindung den frühzeitigen Ausstieg aus dem Job möglich macht, beginnt ein neuer Lebensabschnitt – eine gute Gelegenheit, die persönliche Vermögensstruktur anzupassen.
Steuern sparen
●
Grundsätzlich ist eine Abfindung eine einmalige außerordentliche Zahlung des Arbeitgebers. Diese ist steuerpflichtig, aber es müssen keine Sozialabgaben, wie Kranken-, Rentenoder Arbeitslosenversicherung, darauf gezahlt werden. Im Prinzip gefährdet sie auch nicht die Auszahlung des Arbeitslosengeld I, allerdings kommt es hier auf die Details an, bei denen der Rat eines spezialisierten Juristen hilfreich sein kann. Stimmt der Arbeitnehmer zum Beispiel einer fristlosen Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung zu, muss er Wartezeiten in Kauf nehmen, bis Leistungen der Agentur für Arbeit fließen. Auf Kleinigkeiten kann es auch beim Finanzamt ankommen, denn es gibt die Möglichkeit, durch die sogenannte „Fünftelregelung“Steuern zu sparen: Verkürzt gesagt wird dabei nicht der gesamte Abfindungsbetrag auf das Jahreseinkommen angerechnet, sondern nur 20 Prozent. Das sich daraus ergebende Steuerplus wird wieder mal fünf genommen und muss als Steuer für die Abfindung bezahlt werden. Was nach „Tasche rein, Tasche raus“klingt, kann dank geringerer Steuerprogression helfen, Geld zu sparen. Ob diese Regelung tatsächlich angewendet werden kann und wieviel sie hilft, Steuern zu sparen, hängt jedoch ganz entscheidend von der Gestaltung der Abfindung ab. Deswegen macht es Sinn, schon während der Verhandlung über die Abfindung den Steuerberater zu befragen. Noch zusätzlich für Mitglieder in Kirchen gut zu wissen: Eine Abfindung unterliegt zwar grundsätzlich auch der Kirchensteuer, aber auf Nachfrage ist es oft möglich, dass bei größeren Summen ein individuell vereinbarter Rabatt gewährt wird.
Was ist momentan ein typischer Abfindungsfall aus Ihrer Praxis? Zum Beispiel ein leitender Angestellter Ende 50 aus der Automobilbranche, dem im Zuge von betrieblichen Umstrukturierungen eine Abfindungslösung in Höhe von 150 000 Euro angeboten wird. Er unterschreibt einen Aufhebungsvertrag zum Jahresende und steht jetzt vor der Herausforderung, dass das Geld die nächsten Jahre den Verdienstausfall ausgleichen und zur Ruhestandsvorsorge beitragen soll.
Was ist dabei die größte Herausforderung?
Im Prinzip hätten Kunden immer gerne das magische Dreieck: Absolute Sicherheit, größtmögliche Flexibilität
Warum die Abfindungssumme nicht einfach gleich ganz auf dem Girokonto liegen lassen?
Je länger die Nullzinsphase dauert, desto größer wird der Druck für Banken und Sparkassen den Kostendruck auch an Privatkunden weiterzugeben. Immer mehr Institute werden Negativzinsen für größere Guthaben einführen. Und es gibt noch ein zweites Gegenargument: Durch die Corona-Hilfen steigt die Staatsverschuldung und damit auch die Inflationsgefahr. Das heißt, das Geld auf dem Giro wird sowohl von Negativzinsen als auch Kaufkraftverlusten bedroht.