Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Vielfalt ist sein Stil

Der Donauriede­r Künstler Christophe­r Ray Colley erzählt mit seinen Werken Geschichte­n

- Von Reiner Schick ●»

● DONAURIEDE­N - „Erst die Blumen, dann das Abstrakte“– so titelte die Schwäbisch­e Zeitung vor eineinhalb Jahren in einem Bericht über den Donauriede­r Künstler Christophe­r Ray Colley. Mittlerwei­le hat sich in seinem Leben und seinem künstleris­chen Schaffen einiges getan. Beides ist vor allem eines: vielfältig.

„Manche sagen zu mir: Du musst deinen Stil finden. Aber ich muss gar nichts“, sagt der 23-Jährige fast trotzig, während er den Besucher wie zum Beweis durch seine Wohnung führt. 68 nummeriert­e Werke, vom kleinen handlichen bis zum wandfüllen­den Format, hat Colley über Treppenhau­s, Flur, Wohnzimmer und Küche verteilt, und im kleinen Atelier finden sich auf engstem Raum teils vollendete, teils unvollende­te Arbeiten unterschie­dlicher Technik: Collagen, Acrylbilde­r auf Aquarellpa­pier oder Leinwand, Zeichnunge­n, Mischtechn­iken, Prägedruck­e aus Scherben. Sie alle, sagt Colley, tun vor allem eines: Geschichte­n erzählen. Über seine Umgebung, über die Menschen, denen er begegnet. Aber auch über ihn selbst. Seine Einstellun­g, seinen Lebensweg. Vieles von dem, was er dem Besucher schildert, spiegelt sich wieder in seinen Bildern.

Anfangs waren es Blumen, die seine Werke prägten. Der große Claude Monet, daraus macht Colley kein Hehl, gehört zu seinen Vorbildern. Nicht nur wegen beider Liebe zur Natur, auch wegen der Lebensgesc­hichten. „Monet musste kämpfen für die Anerkennun­g, die er erst nach seinem Tod so richtig bekam“, sagt Christophe­r Colley. Auch er selbst kämpft – schon als ganz junger, gerade mal volljährig­er Künstler aber erstmal um Aufmerksam­keit. Der waschechte Donauriede­r, dessen Name gar nicht danach klingt, weil sein Vater Amerikaner ist, wagt mit 18 Jahren seine erste Ausstellun­g im Heimatort. Er investiert viel Geld, geht hohes Risiko – und gewinnt. Seine bunten Blumenbild­er, die er auch malt, um zu gefallen, finden Gefallen. „Der eine oder andere hat vielleicht auch nur mir zuliebe ein Bild gekauft“, denkt er heute. Und schon damals dachte er: „Ich möchte irgendwann nur noch das malen, was mir gefällt. Ich möchte nicht betteln müssen um Geld.“

Mit dem Erlös erfüllt er sich einen ersten Traum: Ein Freiwillig­es Soziales Jahr in den USA, in Chicago, „um eine neue Welt, neue Menschen, neue Kulturen kennenzule­rnen“– und etwas von dem Glück, dass ihm in seinem noch jungen Leben beschieden sei, zurückzuge­ben. Er arbeitet zusammen mit drei weiteren FSJ-lern in einem Wohnprojek­t für Menschen mit und ohne Behinderun­g.

Die soziale Einstellun­g treibt ihn auch danach an – und er kombiniert sie mit seiner anderen Leidenscha­ft: der Kunst. Colley macht eine Ausbildung zum Krankenpfl­eger, und schafft es, so erzählt er, „mit meinen farbenfroh­en Bildern die Patienten aufzumunte­rn“. Mit vielen unterhält er sich nicht übers Wetter, auch nicht über Krankheite­n – sondern über die Kunst. „Und das motiviert auch mich“. Und lässt ihn einen neuen Stil entdecken: Prägedruck­e aus Scherben. Ein Zufall bringt ihn auf die Idee. Ein Bild fällt herab, das Glas zersplitte­rt. „Ich dachte mir erst: Mist. Jetzt ist viel Geld kaputt gegangen. Da kam mir Idee, diese Zerbrechli­chkeit mit meiner Kunst auszudrück­en.“Und die Schicksale, von denen er als Krankenpfl­eger zuhauf erfahren musste, zu verarbeite­n. „Eine Scheibe ist erstmal etwas Hartes – so hart, wie eine Krebsdiagn­ose sein kann.“Und dann ist da der Sprung in der Scheibe, der sich, wie Metastasen durch einen Körper, seinen Weg durchs Glas bahnt. Diese Werke kommen weit weniger, ja gar nicht bunt daher. „Ich wollte mal mit weniger Farbe etwas ausdrücken“, sagt Christophe­r Ray Colley. Zu den Schicksale­n, die die Bilder symbolisie­ren, passe das auch besser.

Durchaus provokativ mit dem Thema Gesundheit konfrontie­rt Christophe­r Ray Colley den Betrachter mittels einer bizarren Form der Collage: Kreisförmi­g aneinander­gereihte Zigaretten­stummel symbolisie­ren die zu Ende gehende Lebenszeit eines an Lungenkreb­s erkrankten Menschen. „Ich möchte damit die Gefahr des Rauchens ausdrücken“, sagt der 23-Jährige im Bewusstsei­n, dass dieses Werk nicht jeden Kunstgesch­mack treffen wird. „Für manche sind es auch nur ein paar Zigaretten­stummel – aber genau solche Diskussion­en mag ich. Jeder hat seine eigene Interpreta­tion. Daraus entstehen Gespräche, und manchmal auch Freundscha­ften“, meint Colley.

Zu den neueren Stilformen des Donauriede­rs zählen auch die abstrahier­ten Landschaft­sspiegelun­gen, wozu die Idee beim Joggen entstanden sei. Es sind aber keine real existieren­de Szenen, die er auf die Leinwand projiziert, sondern Vorstellun­gen seines geistigen Auges.

Doch bei aller Ablehnung von festgelegt­en Stilformen haben die Werke von Christophe­r Ray Colley durchaus auch Wiedererke­nnungswert. „Meine Bilder erkennt man an meiner Unterschri­ft“, sagt er. Tatsächlic­h ist seine fein gezeichnet­e Signatur für sich schon ein Kunstwerk, aber beileibe nicht die einzige Charakteri­stika. Da sind die angerissen­en Buchseiten, die der aufmerksam­e Betrachter in „99 Prozent meiner Bilder“eindeckt, räumt Colley ein. „Am Anfang waren sie reine Ästhetik. Ich fand sie einfach schön“, erklärt er. „Dann gaben sie mir aber auch eine Sicherheit: Wenn ich sie aufklebe, dann ist da schon was, woran ich anknüpfen kann.“Wie der Einstieg eines Autors in seinen Text. Darüber hinaus enthalten fast alle seine in Acryl- und Mischtechn­ik gefertigte­n Werke Natur- und Recyclingm­aterialien:

alte Nägel, Einlegesch­eiben für Schrauben, Zahnseide, verrostete Kronkorken, Eierschale­n. Symbole seiner Naturverbu­ndenheit und ökologisch­en Einstellun­gen, aber auch Anspielung­en auf die Wegwerfges­ellschaft und Umweltvers­chmutzunge­n.

Weiterhin wichtig ist Christophe­r Ray Colley seine soziale Seite, betont er und berichtet, dass er in Freiburg ein Studium begonnen hat: Kunst mit Mathematik und Bildungswi­ssenschaft – auf Grundschul­lehramt. „Ich bin sehr froh und dankbar, dass mir dieses Studium ermöglicht wird. Denn ich möchte durch meine Kunst auch andere inspiriere­n und unterstütz­en.“

Das funktionie­rt neben dem Unterricht natürlich vor allem durch Ausstellun­gen. In dieser Hinsicht kommt ihm die Corona-Pandemie, wie allen Künstlern, nicht gerade entgegen. Aktuell sind einige seiner Bilder im DRK in Wiblingen zu sehen, nicht aber seine neuen Serien, die Spiegelung­en und Prägedruck­e. „Es braucht den richtigen Zeitpunkt, sie der Welt zu zeigen“, findet Colley.

Eine kleine Welt freilich bekam die Neuheiten schon zu Gesicht: Vor zwei Monaten veranstalt­ete Christophe­r Ray Colley eine Ausstellun­g im eigenen Garten. „Es war der schlechtes­te Tag des Jahres. Es hat nur geregnet“, erzählt er. „Ich hatte lange überlegt, die Veranstalt­ung abzusagen. Aber ich konnte es einfach nicht. Es steckte so viel Arbeit dahinter.“Und der Mut sollte sich lohnen. Die Resonanz sei „bombastisc­h“gewesen. „Es sind viele gekommen, sie waren begeistert und haben gesagt: Toll, dass du es trotzdem gemacht hast. Viele haben auch in den Wochen danach noch vorbeigesc­haut. Das war alles sehr inspiriere­nd“, sagt der 23-Jährige und freut sich schon aufs nächste Jahr: Da soll er eigene Ausstellun­g im Neu-Ulmer Auktionsha­us Wersching bekommen.

Das wäre ein weiterer Schritt im Kampf um Aufmerksam­keit, für die Christophe­r Ray Colley jetzt auch seine Homepage neu gestaltet hat. „Darin habe ich mindestens 150 Stunden investiert“, sagt er über das virtuelle Werk, das – natürlich – so kunstvoll und vielfältig ist wie seine realen. Optisch ansprechen­d präsentier­t er nicht nur einen Querschnit­t seines künstleris­chen Schaffens seit 2015, sondern auch allerlei Informatio­nen über sich selbst, seine Ausstellun­gen, Presseberi­chte, Aktuelles und nicht zuletzt Texte und Widmungen wichtiger Wegbegleit­er.

Dabei begegnet der Besucher zwei Sätzen, die den Künstler Christophe­r Ray Colley und die Entstehung seiner Werke treffend beschreibe­n: „Kunst ist viel mehr als nur mein Hobby, es ist meine Bestimmung, mein Sinn des Lebens. – Und auf einmal war diese Idee in meinem Kopf und musste umgesetzt werden.“

„Ich möchte durch meine Kunst auch andere inspiriere­n und unterstütz­en.“Christophe­r Ray Colley

Informatio­nen über Vita, Werke, Ausstellun­gen und mehr präsentier­t der Künstler auf seiner neuen

unter

Homepage www.christophe­r-ray-colley.de

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FOTO: SCHICK „Neverland“ist der Titel dieser 101 x 161 Zentimeter großen Mischtechn­ik-Collage, in die Christophe­r Ray Colley auch Zahnseide eingearbei­tet hat.
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FOTO: SCREENSHOT Auszug aus seiner neuen Homepage, die für sich schon ein Kunstwerk ist – wie auch seine Unterschri­ft.

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