Geschichte einer abenteuerlichen Flucht
Rasser veröffentlicht Buch über britische Offiziere, die 1941 durch einen Tunnel kamen
zwar nicht dem, was ich unter normalen Umständen verdient hätte“, sagt Wilfert. „Aber ich komme damit hin.“
Die Speisekarte hat sie an die veränderten Bedingungen angepasst. Statt Frühstück gibt es jetzt Mittagessen. Kuchen und Kaffee sind dort im Moment nicht zu finden. In Konkurrenz zu ihren Eltern sieht sie sich allerdings nicht. Es sei ohnehin der Plan gewesen, gemeinsam einen Mittagstisch anzubieten. Außerdem sei die Zielgruppe eine andere, meint Wilfert. Sie will mit ihrem Konzept jüngere Menschen ansprechen. Ihre Idee deshalb: Bowls. „Ich wollte etwas Gesundes anbieten. Das ist in der Mittagspause in Laupheim schwer zu finden“, sagt Wilfert. Die Schüsseln mit Zutaten wie Couscous, Avocado und Bulgur seien in München schon lange im Trend.
Dort hat Jette Wilfert die vergangenen Jahre gelebt. Nach ihrem Studium in Soziologie und Politikwissenschaften hat sie im Marketing verschiedener Unternehmen gearbeitet. Es sei ihre Möglichkeit gewesen, etwas anderes auszuprobieren, sagt sie. Doch sie habe dort gemerkt, dass sie lieber in der Gastronomie arbeiten will. „Das hat mich schon immer fasziniert“, sagt Wilfert. Durch ihre Eltern kenne sie die Branche genau und wisse was sie erwarte.
Den Teil-Lockdown sieht die junge Gastronomin auch mit Blick auf die Zahl der Sitzplätze im Café nicht weiter tragisch. „Mit den Abstandsregeln hätten höchstens zwölf Besucher in meinem Café Platz gefunden“, sagt sie. Allerdings hatte sie sich für den Winter schon eine Alternative überlegt. Zum Geburtstag gab es deshalb ein großes Zelt geschenkt. Das hätte Jette Wilfert dann im Garten aufgestellt. Mit Heizstrahlern ausgestattet, hätte es die Fläche des Cafés erweitern können. „Ich bin echt froh, dass ich das noch nicht aufgebaut habe.“
Und die gewonnene Zeit bis zur richtigen Eröffnung des Cafés habe auch einen Vorteil, sagt Wilfert. „Die Kaffeemaschine wurde kaputt geliefert. Im Moment wird sie noch repariert.“Für ihren Lieferservice braucht sie die Maschine im Moment nicht. Wenn Jette Wilfert nach dem Teil-Lockdown eröffnen darf, soll sie dann aber einsatzbereit sein.
BIBERACH (gem) - Er nennt sie „meine Helden“und spricht von den 26 britischen Offizieren, denen im September 1941 durch einen selbst gegrabenen Tunnel die Flucht aus dem Lager Lindele in Biberach gelang, wo die Nazis sie gefangen hielten. Nach rund neun Jahren der Forschung, Aktenstudium und unzähligen Gesprächen hat Stefan Rasser ein Buch darüber veröffentlicht. „Das Lager Lindele – Wir sind durch“heißt das Werk, das jüngst in der Biberacher Verlagsdruckerei erschienen ist.
Stefan Rasser zog 2010 mit seiner Frau nach Biberach. Mit Anfang Zwanzig hatte der Diplomingenieur für Elektrotechnik und Chemie vier Jahre lang für eine deutsche Firma in London gearbeitet. „Ich bin dort erwachsen geworden und betrachte mich bis heute als halben Engländer“, sagt der heute 75-Jährige. Aus diesem Interesse heraus besuchte er Anfang 2011 eine der Sitzungen des GuernseyFreundeskreises im Biberacher Partnerschaftsverein, hörte dort zum ersten Mal von der Tunnelflucht der Offiziere und war elektrisiert. Ob man nicht eine Gedenktafel am Ausgang des Fluchttunnels aufstellen könne, schlug die kürzlich verstorbene frühere Vhs-Leiterin Marianne SikoraSchoeck damals vor. Man wisse aber doch gar nicht, wo genau der Ausgang sei, hieß es im Guernsey-Freundeskreis. „Der Ausgang wird ja wohl zu finden sein“, sagte Rasser daraufhin und stürzte sich in die Recherchen.
Er studierte Verhörprotokolle in Archiven, er sprach mit Zeitzeugen in Deutschland und startete Aufrufe im englischen Sprachraum, um mehr über die Flucht der Offiziere herauszubekommen. Zunächst meldeten sich die Angehörigen von zweien, die wiederum den Kontakt zu weiteren Angehörigen herstellten. „Leider konnte ich keinen mehr persönlich befragen. Der letzte der Offiziere starb Ende 2012“, sagt Rasser. Was er aber über die Angehörigen erhielt waren Tagebücher, Fotos, ja sogar ein Fluchtkarte.
Ein wichtiger Tag bei seiner Arbeit war für Stefan Rasser der 26. März 2015. Bei Erschließungsarbeiten für das neue Baugebiet Hochvogelstraße gegenüber der Hochschule für Polizei (früher Lager Lindele), stieß ein Baggerfahrer direkt neben der Straße auf ein Loch. Kein Zweifel: Es handelte sich dabei um ein Stück des Fluchttunnels von 1941. Ein alter Schürhaken, den die Tunnelgräber zum Lockern des Erdreichs benutzt hatten, fand sich dort ebenfalls und bestätigte die Entdeckung. Aufgrund der Bauarbeiten
für das Wohngebiet konnte das Tunnelstück leider nicht erhalten werden.
Für Rasser war jedoch von Anfang an klar, dass er die Ergebnisse seiner Forschungen in einem Buch veröffentlichen wollte. Es sollte aber keine rein historische Dokumentation, sondern eher eine Art spannender Roman, basierend auf historischen Fakten. „Zu 90 Prozent ist die Handlung historisch belegt, zehn Prozent sind meine Fantasie“, sagt Rasser.
Und so erweckt er die britischen Offiziere wieder zum Leben und schildert die drei Monate des Tunnelgrabens, die Ängste, Gefahren und Zweifel mit denen die Männer zu kämpfen hatten. Auf einem Fetzen Papier notierten die Tunnelgräber mit einem dreckigen Stein die Worte „Wir sind durch!“. Das war die Information für die anderen, die im Lager den Tunneleingang bewachten und den Erdaushub verschwinden lassen mussten.
Mit zahlreichen Fotos und Plänen reichert Rasser seine Geschichte an, die am Ende wieder den Bogen in die Jetztzeit schlägt. Er schildert Begegnungen mit den Nachfahren der Offiziere und zeigt auf, wie aus Feinden Freunde wurden.
Unterstützt wurde er bei der Gestaltung seines Texts vom früheren
Biberacher Redaktionsleiter der „Schwäbischen Zeitung“, Gunther Dahinten. „Denn ich bin ja eigentlich kein Schriftsteller“, sagt Stefan Rasser. Aktuell ist er dabei, auch eine englische Version seines Buchs zu verfassen, die noch eine etwas stärkeren Fokus auf Militärgeschichte legt. „Das wird mich noch eine Weile beschäftigen“, sagt er. Anschließend würde er dazu gerne Lesungen in London und auch auf Guernsey veranstalten.
Und auch für die Zeit danach, hat Stefan Rasser noch ein Recherchethema in der Schublade liegen. Es geht um den Bombenangriff auf Biberach durch die US Air Force am 12. April 1945. „Ich habe den Verdacht, dass dies Absicht war und kein Zufall, wie in Quellen immer wieder zu lesen ist“, sagt Rasser. Er habe Kontakt zu einem inzwischen verstorbenen Mitglied der betreffenden Bomberstaffel gehabt, „und ich würde gerne in deren Archiv forschen, wenn mir das erlaubt wird“.
Stefan R. Rasser:
„Das Lager Lindele – Wir sind durch“; erschienen bei der Biberacher Verlagsdruckerei; 80 Seiten; ISBN 978-3947348-53-4; 14,80 Euro