Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Autofahrer brauchen bald wohl noch bessere Nerven

Soll eine Spur auf der Münchner Straße dem Radverkehr zugeschlag­en werden?

- Von Oliver Helmstädte­r

● ULM/NEU-ULM - 17 000 Autos fahren täglich auf der Münchner Straße in Ulm. Die meisten davon zur Rushhour, wenn sich die Pendler aus dem Kreis Neu-Ulm auf den Nachhausew­eg machen. Michael Jung, der Hauptabtei­lungsleite­r für Verkehr, kann es jeden Tag aus seinem Büro in der Münchner Straße 2 beobachten. Die Mobilitäts­wende soll hier jetzt mit mehr Platz für Radfahrer forciert werden.

Außer Frage steht für ihn, dass es mit der Umwandlung von je einer Fahrbahn in einen Radweg zu noch größeren Beeinträch­tigungen kommen wird. „Aber nicht zur ganz großen Verkehrska­tastrophe.“Der Ulmer Bauausschu­ss beauftragt­e daher die Verwaltung mit der Ausarbeitu­ng von Varianten des Projekts „Radstreife­n Münchner Straße“. Mit den Stimmen der Grünen und der SPD und gegen das Votum der Freien Wähler und CDU/UfA.

Wird der CDU-Fraktionsv­orsitzende Thomas Kienle darauf angesproch­en, fängt er an zu lachen. Das sei die „unnötigste Maßnahme schlechthi­n“. Mit einer solch unüberlegt­en Symbolpoli­tik würde man nur die Menschen verärgern. Hier würde Ideologie über Vernunft siegen. Er selbst fahre täglich Rad, würde aber nicht auf dieser Hauptverke­hrsader radeln wollen. Schon jetzt könne er täglich beobachten, wie die Autofahrer im Feierabend­verkehr auf dem staugeplag­ten Weg in Richtung NeuUlm die Nerven verlieren würden. Das würde noch schlimmer werden, wenn der Blechlawin­e noch eine Spur genommen werden würde. Der Verkehr lasse sich nicht durch Radwege aus der Stadt vertreiben.

Das Grundprobl­em: Bislang gibt es keine direkte Verbindung für den Radverkehr zwischen der Hauptroute von der Ulmer Innenstadt kommend und der Gänstorbrü­cke nach Neu-Ulm. Radler haben hier am Zeughaus vorbei Kopfsteinp­flaster, zwei 90 GradKurven und zwei Unterführu­ngen am Basteicent­er zu überwinden. Jung sieht durchaus, dass die Frage, wie viel Platz man Autos zugunsten des Radverkehr­s nimmt, nur politisch zu beantworte­n ist. Um in Ulm wirkliche Verbesseru­ngen für Radfahrer zu erreichen, „muss man dahin, wo es wehtut“.

Ein Gutachten geht davon aus, dass sich bei einem Umbau der Münchner Straße der Verkehr nur um etwa 2000 Autos verlagern würde. Es blieben also 15 000 Autos, das sei vergleichb­ar mit der Neuen Straße, die im Zuge des Baus der Neuen Mitte ebenfalls rückgebaut wurde. Und hier fließe der Verkehr. Im Falle der Münchner Straße entstehe die Stauproble­matik insbesonde­re an der Kreuzung vor der Gänstorbrü­cke gänzlich unabhängig von der Zahl der Spuren. Klar sei: Der Bau eines Radfahrstr­eifens mit einer Breite von 1,85 Metern je Fahrtricht­ung würde Einschränk­ungen für Autofahrer bringen. Aber die seien „hinnehmbar“, so Jung. „Politik lebt von Verlässlic­hkeit“, so Grünen-Stadtrat Michal Joukov-Schwelling in Richtung der Fraktionen, die die Radspuren ablehnen. Vor Jahren hatte der Gemeindera­t beschlosse­n, dass 2020 der Radverkehr 20 Prozent des gesamten Verkehrs in Ulm ausmachen soll. Das Ziel wurde bei Weitem verfehlt. Nun will die Stadt in fünf Jahren den Radverkehr­santeil auf 25 Prozent erhöhen. „Wenn wir mehr Radverkehr wollen, müssen wir den Radlern mehr Platz geben“, so Joukov-Schwelling.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Die Münchner Straße ist eine der Hauptverke­hrsachsen zwischen Ulm und NeuUlm.

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