Die Kapseln kommen wieder
Erfrierungsschutz: Die „Ulmer Nester“für Obdachlose können abermals aufgestellt werden
Kadeltshofen, Raunertshofen und Beuren und weiter über Straß nach Neu-Ulm. „Mir ist bewusst, dass wir in die Lebenswelten von Menschen eingreifen, was nicht immer für alle schön ist. Aber wir bemühen uns, fair und offen damit umzugehen.“
Als Leiter des Projekts hat Baumann keine Trasse im Kopf, die bei den Planungen vorne liegt oder besonders geeignet wäre: „Wir sind da vollkommen offen. Alle vier Varianten sind gleichwertig, haben alle ihre Schwierigkeiten und ihre Vorteile. Uns ist es egal, welche rauskommt.“Eine wird es am Ende werden.
Ein Raumordnungsverfahren bei der Regierung von Schwaben soll Anfang 2023 beginnen. Dabei beurteilt die Regierung die vier Varianten. Danach kann die Bahn die jeweiligen Kosten schätzen. „Spätestens Anfang 2024 wollen wir eine Vorzugsvariante bestimmen. Die muss wiederum vom Bundestag beschlossen werden“, sagt Baumann.
Welche Trasse es wird, liegt nicht bei den Kommunen. Doch die sollen mitsprechen. Am Montag startet ein virtueller Bürgerdialog auf der Internetseite der Bahn, um mit Bürgern in der Region ins Gespräch zu kommen. „Wir nehmen Hinweise aus den Kommunen auf“, sagt Baumann. Beim Planfeststellungsverfahren ist die Bahn schließlich Antragsteller und will das Baurecht für die Strecke bekommen. Spätestens da können sich Gemeinden wieder einbringen. Bei diesem Planungsschritt gibt es auch das Klagerecht. Für Baumann ist klar, dass betroffene Kommunen keine Bahnstrecke durch ihren Ort wollen: „Wenn ich die Gemeinden frage, sagen alle: Wir wollen das nicht. Die Schienen in die Luft legen, kann ich leider nicht.“
Die Planung der Trassierungsräume ist für die Region um die Donau herausfordernd, berichtet Baumann von seinen Hürden bei der Projektplanung. „Man hat eine enge Besiedelung und im Bereich der Donau Tabuzonen, wie Flusstäler mit Schutzgebieten.“Neben der regionalen Topografie und Herausforderungen bei der Trassenplanung gibt es außerdem ein politisches Problem: „Es gibt zwischen Ulm und Augsburg verschiedene politische Vorstellungen. Die müssen moderiert werden“, sagt Baumann.
Der Bürgerdialog zum Bahnausbau startet am Montag, 7. Dezember, um 18 Uhr. Die Teilnahme erfolgt über einen Link, der kurz vor der Veranstaltung auf ulm-augsburg.de veröffentlicht wird. Es ist keine Anmeldung erforderlich.
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ULM - Lange waren viele Fragen offen, nun steht fest: Die Schlafkapseln für Obdachlose sollen im Januar wieder aufgebaut werden.
Zunächst war fraglich, ob die Stadt Ulm das nötige Geld angesichts der Corona-Pandemie und ihrer finanziellen Auswirkungen ausgeben kann und will. Dann gab es Zweifel, ob der Erfrierungsschutz den Hygieneansprüchen genügt, die in der Pandemie gestellt werden. Nun hat Holger Hördt aus der Ulmer Stadtverwaltung sogar ein eigenes Konzept für die beiden „Ulmer Nester“erarbeitet. So heißen die Erfrierungsschutz-Kapseln, die bei einem eigens von der Stadt ins Leben gerufenen Projektwettbewerb entwickelt worden sind.
Der genaue Termin und die genauen Standorte sollen noch festgelegt werden, kündigt Hördt an. Geplant sei derzeit ein Start in der ersten Januarwoche. Genaueres solle noch besprochen werden. Das Gleiche gilt für die Standorte. Im vergangenen Jahr stand eine Schlafkapsel am Karlsplatz, die andere am Alten Friedhof nahe der Pauluskirche. Der erste Standort soll bleiben – er wurde von den Obdachlosen gut angenommen und fand auch bei den Nachbarn und bei morgendlichen Gassigängern viel Zustimmung. Der Alte Friedhof hat sich aus Sicht der Stadt nicht bewährt, als denkbare Alternative hatte Hördt vor rund zwei Monaten den Blaupark genannt. Welchen Platz die Verantwortlichen bei der Stadt wählen, soll noch in der ersten Dezemberhälfte feststehen.
Beim Hygienekonzept war von vornherein nur eine Frage problematisch: „Es gibt kein Problem beim Abstand
halten, es ist ja nur einer drin“, sagt Hördt. Die Schlafkapseln sind zwar theoretisch so konzipiert, dass Paare auch zu zweit Platz darin finden könnten – aber die müssten Abstandsregeln ja auch nicht berücksichtigen.
Für die Desinfektion habe man dagegen eine Lösung gebraucht, so Hördt. Die hat der Mann von der städtischen Abteilung Soziales nun gefunden: Mitarbeiter der Caritas übernehmen morgens die nötige Flächendesinfektion. Weitere Bedingungen gebe es erst einmal nicht. „Ob das sinnvoll ist, ist die andere Frage“, räumt Hördt ein. Doch auf diese Weise erfülle man die Voraussetzungen und könne den Erfrierungsschutz wieder aufstellen.
Die Caritas wird über Sensoren informiert, wenn jemand in einem „Ulmer Nest“übernachtet. Morgens kommen die Mitarbeiter der Aufsuchenden Arbeit. Sie sehen nach, ob der Übernachtungsgast noch da ist, suchen das Gespräch und betreuen ihn weiter. Außerdem prüfen sie, ob an der Schlafkapsel alles in Ordnung ist.