Ein bedeutender Sieg
Wikileaks-Gründer Assange wird nicht an die USA ausgeliefert – In Haft bleibt er dennoch
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LONDON - Der Wikileaks-Gründer Julian Assange hat am Montag in seinem Kampf gegen die US-Justiz einen bedeutenden Sieg verbucht. Mit Blick auf die harten Bedingungen in US-Gefängnissen lehnte die Londoner Bezirksrichterin Vanessa Baraitser am Kriminalgericht die Auslieferung des 49-Jährigen ab. Die Sicherheit des depressiven und suizidgefährdeten Aktivisten sei jenseits des Atlantiks nicht gewährleistet. Weil die US-Vertreter unmittelbar Berufung einlegten, bleibt Assange zunächst weiter in britischer Haft.
Die ersten 50 Minuten der mit monotoner Stimme vorgetragenen Urteilsbegründung hatten bei vielen Beobachtern den Eindruck der Beweisaufnahme im Herbst bestärkt: Nüchtern wog die erfahrene Juristin die Argumente von Verteidigung und Anklage ab, am Ende schien alles für eine Auslieferung zu sprechen. Dann kam Richterin Baraitser auf Assanges Gesundheit zu sprechen.
Der Australier leidet am Asperger-Syndrom, einer Erkrankung des autistischen Spektrums, sowie an Depressionen. Vor knapp 30 Jahren wurde er in seiner Heimat wegen eines Selbstmordversuchs in einer psychiatrischen Klinik behandelt, in seiner Londoner Gefängniszelle wurde bei einer Durchsuchung eine halbe Rasierklinge sichergestellt. Beim katholischen Gefängnisgeistlichen habe der Gefangene um Absolution gebeten sowie kürzlich ein Testament aufgesetzt, sagte Baraitser. Sie zitierte die Gutachten von vier Psychiatern, darunter Professor Michael Kopelman vom Londoner King’s College: Assange leide an schweren Depressionen mit psychotischen Schüben.
Ausführlich widmete sich die Richterin den „besonderen Behandlungsmethoden“der US-Hochsicherheitsgefängnisse. Kontakt mit Mitgefangenen wird unterbunden, Sport findet in einem speziellen Käfig statt, pro Monat sind nur zwei private Telefonate möglich. Solche Bedingungen hätten „abträgliche Wirkung“auf Assanges Gesundheit, die Auslieferung wäre deshalb falsch.
Unbewegt wie zuvor nahm Assange das positive Urteil entgegen, nur beim Dauerkneten seiner Hände verriet er seine Anspannung. Hingegen weinte seine Lebenspartnerin und Mutter zweier gemeinsamer Kinder Stella Moris vor Glück.
Allerdings erhob eine US-Regierungsvertreterin trotz der Ohrfeige für ihre Strafjustiz sofort Einspruch. Beide Seiten hatten angekündigt, sie würden das Verfahren notfalls bis zum britischen Supreme Court und dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof ausfechten. Nun will
Richterin Baraitser am Mittwoch entscheiden, ob der Aktivist für weitere Rechtsstreitigkeiten womöglich jahrelang in Haft bleiben muss.
Wikileaks hatte 2010 und 2011 USGeheimdokumente veröffentlicht. Dadurch kamen Kriegsverbrechen amerikanischer Streitkräfte in Afghanistan und dem Irak ans Licht. Dem 49-Jährigen drohen in den USA wegen Computer-Hackings und Spionage bis zu 175 Jahre Freiheitsstrafe. Assange sei über die normale, von der US-Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützten Tätigkeit eines investigativen Journalisten hinausgegangen, sagte Baraitser. „Es geht hier nicht um das Recht auf freie Meinungsäußerung.“Ausführlich zitierte die Richterin
die Distanzierungen von Assanges Methoden durch jene Medien, die mit ihm zusammengearbeitet hatten.
Einwände der Verteidigung gegen das Vorgehen der US-Strafverfolger wies Baraitser zurück. Assanges Taten würden auch nach englischem Recht Straftatbestände darstellen. Ein unfaires Vorgehen sei ebenso wenig erkennbar wie Einflussnahme durch US-Präsident Donald Trump. Die Verteidigung hatte darauf abgehoben, dass in der Amtszeit von Barack Obama bis Januar 2017 keine Anstalten gemacht worden waren, die Auslieferung zu erwirken. Erst unter Trump wurde das Verfahren angeschoben, in den vergangenen zwei Jahren reichten US-Staatsanwälte zusätzliche Anklagepunkte nach.
Der Beschuldigte hatte sich im Juni 2012 der vom britischen Supreme Court angeordneten Auslieferung nach Schweden wegen angeblicher Sexualdelikte entzogen, indem er in der Londoner Botschaft von Ecuador um Asyl bat. Erst nachdem in dem lateinamerikanischen Land ein Machtwechsel stattgefunden hatte, konnte Scotland Yard im April 2019 Assange in der Botschaft festnehmen. Anschließend verbüßte er eine knapp einjährige Haftstrafe wegen seines Verstoßes gegen die Kautionsauflagen. Seit gut einem Jahr sitzt er in Auslieferungshaft im Gefängnis Belmarsh.