In drei Stufen aus dem Schul-Lockdown
Kultusminister der Länder grundsätzlich für baldigen Präsenzunterricht bis Klasse 6 – Was Eltern jetzt wissen müssen
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STUTTGART - In etlichen Bundesländern hat am Montag die Schule wieder begonnen – allerdings nicht vor Ort, sondern per Fernunterricht. Baden-Württemberg und Bayern folgen kommende Woche. Sollen die Schulen trotz hoher Infektionszahlen öffnen? Ein Überblick:
Wer entscheidet über Unterricht ● und Betreuung?
Bildung ist Ländersache. Die Kultusminister der Länder stimmen sich zwar ab – wie am Montag. Entschieden wird aber letztlich in den Landeshauptstädten.
Wie geht es mit den Kitas weiter? ●
Das ist noch sehr unklar. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat für ein verlässliches und möglichst bundesweit einheitliches Stufenmodell plädiert, unter welchen Bedingungen die Kitas öffnen sollen. Einen solchen Plan haben die Kultusminister der Länder für die Schulen am Montag beschlossen – nicht aber für die Kitas. Ob es einheitliche Regeln geben wird, entscheiden am Dienstag die Ministerpräsidenten der Länder bei ihrer Konferenz mit der Bundeskanzlerin.
Wie geht’s an den Schulen weiter? ●
Die Öffnung der Schulen habe höchste Bedeutung, heißt es in dem gemeinsamen Beschluss der Bildungsminister vom Montag. Ihnen ist der Frust vieler Eltern und Schüler vom Frühjahr noch sehr präsent: Über Wochen blieben Schulen geschlossen, während es in anderen Bereichen Lockerungen gab – etwa im Profisport. Alles sei wichtiger als die Kinder, lautete damals eine oft geäußerte Kritik an den Schulschließungen. Seitdem legen die Länder großen Wert auf Präsenzunterricht. Deshalb haben sich die Kultusminister jetzt auf ein Stufenmodell geeinigt.
Wie sieht das Stufenmodell aus?
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Für Länder wie Rheinland-Pfalz, wo die Schule bereits begonnen hat, gilt generell Distanzunterricht. Grundlage dafür ist der noch geltende Lockdown, der voraussichtlich über den
10. Januar hinaus verlängert wird. Darüber beraten am Dienstag die Länderchefs mit der Kanzlerin. Die Runde entscheidet auch, ob die Länder das Stufenmodell ihrer Kultusminister übernehmen. Es sieht drei Stufen vor, die Schulen umsetzen sollen, wenn dies „die Situation der einzelnen Länder“zulasse, heißt es in dem Beschluss. In allen drei Stufen sollen die Schüler der Klassenstufen 1 bis 6 in den Schulen unterrichtet werden. Stufe 1 sieht vor, dass die älteren Schüler im Fernunterricht lernen. In der Stufe 2 sollen sie im Wechsel in der Schule Unterricht bekommen – etwa tage- oder wochenweise. In der Stufe 3 sollen auch sie täglich in die Schulen zurückkehren. Abschlussklassen sollen so viel Präsenzunterricht wie möglich bekommen.
Wann setzt welche Stufe ein?
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Das bleibt unklar. Kriterien wie etwa Infektionszahlen werden nicht genannt. Diese Entscheidung liegt letztlich bei den Ländern. Einige wollen zunächst auch am Distanzunterricht für alle festhalten – etwa Sachsen und Thüringen.
Wie will Bayern vorgehen?
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Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) macht Schülern und Eltern wenig Hoffnung auf schnelle Schulöffnungen. Er liebäugelt mit einem Wechselunterricht für jüngere Schüler, aber weiter mit Fernlernen für die älteren. Er verweist auf die hohe Infektionslage im Freistaat von 160 neuen Corona-Infektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. „Daher ist es weiter sinnvoll und richtig, dass die Länder bei unterschiedlichen Ausgangslagen auch teilweise unterschiedlich agieren“, sagte Piazolo am Montag. Wie es nun an den Schulen ab Montag weitergeht, will das Kabinett am Mittwoch entscheiden.
Was macht Baden-Württemberg? ●
Schon vor dem Jahreswechsel hatte sich Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) für Präsenzunterricht ab dem 10. Januar unabhängig von Infektionszahlen ausgesprochen – zumindest für die jüngeren Schüler. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte dem widersprochen: „Keine Maßnahmen erfolgen unabhängig von den Infektionszahlen.“Die Sieben-Tage-Inzidenz ist mit 125 im Südwesten niedriger als in Bayern. Möglich also, dass am Montag die Stufe 1 gilt: Also Unterricht in der Schule für die Klassen 1 bis 6 sowie für die Abschlussklassen und Distanzunterricht für die anderen Klassenstufen. Entschieden ist aber auch das noch nicht – Klarheit gibt es frühestens nach Treffen der Ministerpräsidenten am Dienstag.
Sind jüngere Kinder weniger ansteckend? ●
Diese Frage ist nicht abschließend geklärt. In Baden-Württemberg verweisen Politiker gerne auf die Heidelberger Studie vom Juni. Dafür haben die Uni-Kliniken im Land 2500 Kinder und je ein Elternteil untersucht. Die zentrale Erkenntnis: Kinder bis zehn Jahre sind seltener von einer Corona-Infektion betroffen als Erwachsene. Sie seien daher keine Treiber des Infektionsgeschehens. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Es gibt aber auch andere Erkenntnisse. Der Berliner Virologe Christian Drosten hatte auf Basis einer eigenen Studie erklärt, es gebe keine Hinweise darauf, dass Kinder weniger ansteckend seien als Erwachsene. Viel Beachtung erfährt zudem die sogenannte React-Studie aus England. Hierfür werden zufällig ausgewählte Bürger getestet, um Informationen über das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung zu bekommen. Die siebte Runde dieser Untersuchungen lief Anfang Dezember. Das Ergebnis: Unter den Fünf- bis Zwölfjährigen fanden die Forscher deutlich mehr Infizierte – und damit potenziell Ansteckende – als im nationalen Durchschnitt.
Welche Alternativen gibt es zu ● geöffneten Schulen für alle?
SPD, Landeselternbeirat und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Südwesten fordern Unterricht im täglichen Wechsel für jüngere Schüler. Die Klassen sollen dafür geteilt werden. Während die eine Hälfte Unterricht hat, soll die andere auf einen anderen Raum ausweichen – etwa auf eine Gemeindehalle. Dort sollen sie durch pädagogische Assistenten oder Studenten beim Fernlernen betreut werden. Das fördere die Bildungschancen der Kinder und löse ein mögliches Betreuungsproblem. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch rechnet dafür mit Kosten von 30 bis 40 Millionen Euro. Die Lehrer wünschen sich derweil mehr Flexibilität bei der Entscheidung über Präsenzoder Distanzunterricht. Das ergab eine Umfrage unter 1000 Lehrern im Südwesten, die der Verband Bildung und Erziehung durchgeführt hat. 86 Prozent der Befragten plädierten dafür, dass die Schulen entscheiden sollten, was sie anbieten.
Dürfen die Schulen auf andere Räume ausweichen?
Ministerin Eisenmann hatte sich dazu bislang skeptisch geäußert. Ihr Sprecher betont nun aber: „Ein Schulträger kann einer Schule zusätzliche Räumlichkeiten mit einer funktionierenden Infrastruktur wie beispielsweise Tafeln und Fachräume zur Verfügung stellen, sofern diese einverstanden ist. Wir mischen uns da nicht ein.“Zu bedenken seien aber auch der logistische Aufwand bezüglich des Schülertransports und der erhebliche organisatorische Aufwand für die Schulen durch den Einsatz der Lehrkräfte an wechselnden Orten.