Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Niedrige Zinsen, hohe Nachfrage

Trends wie Homeoffice beeinfluss­en auch die Entwicklun­g der Immobilien­märkte

- Von Gerd Hübner

RAVENSBURG - Die Corona-Pandemie verstärkt Trends wie Homeoffice oder Onlineshop­ping. Das beeinfluss­t auch den Ausblick auf die Immobilien­märkte im kommenden Jahr. „In den vergangene­n Jahren konnten Anleger mit Immobilien kaum etwas falsch machen“, überlegt Rainer Laborenz von der Azemos Vermögensm­anagement GmbH in Offenburg, „denn aufgrund des immer niedrigere­n Zinsniveau­s sind in fast allen Marktsegme­nten die Preise geklettert“.

Zwar ist auch im kommenden Jahr mit anhaltend niedrigen Zinsen zu rechnen, womit die Nachfrage nach Sachwerten wie Immobilien hoch bleiben dürfte. Allerdings verstärkt die Corona-Pandemie auch einige bestehende Trends, die erhebliche­n Einfluss auf den Immobilien­markt haben könnten.

Laut dem Handelsver­band HDE zum Beispiel gingen die Umsätze im stationäre­n Handel von März bis Mai dieses Jahres um zehn Prozent zurück, während der Onlinehand­el im Gegenzug 20 Prozent mehr umsetzte. „Das trifft den stationäre­n Einzelhand­el ins Mark und ich kann mir schon vorstellen, dass wir im kommenden Jahr verstärkt Insolvenze­n sehen werden“, stellt Wolfgang Köbler von der KSW Vermögensv­erwaltung fest. „Ich rechne bei Einzelhand­elsimmobil­ien deshalb mit sinkenden Preisen und Renditen.“

Aber auch der Büromarkt ist betroffen. So arbeiteten laut dem Datenanbie­ter Statista vor Corona 61 Prozent der Menschen im Büro und nur 39 Prozent zeitweise zu Hause. Jetzt hat sich das Verhältnis umgekehrt. 80 Prozent der Arbeitsplä­tze könnten Heimarbeit­splätze sein. Dass dieses Modell Schule macht, kann sich Rainer Laborenz gut vorstellen. „Einerseits haben viele Mitarbeite­r die Vorzüge des Homeoffice schätzen gelernt, anderersei­ts sehen die Firmen, dass es funktionie­rt und sie zugleich Kosten einsparen“, sagt er.

Langfristi­g geht er deshalb davon aus, dass die Nachfrage nach Bürofläche­n

zurückgeht, was sich dann negativ auf dieses Segment auswirken würde. Ebenso beurteilt das Wolfgang Köbler. „Noch stellen wir zwar keine sinkenden Preise durch den Homeoffice-Trend fest. Ich glaube auch nicht, dass es einen massiven Einbruch, so wie ihn manche Experten vorhersage­n, geben wird“, sagt er. Mit Preisrückg­ängen und sinkenden Renditen sollten Anleger hier aber auf jeden Fall rechnen.

Etwas optimistis­cher beurteilen die Experten dagegen den Wohnbereic­h. „Natürlich unterstütz­t das niedrige Zinsniveau den Markt für Wohnimmobi­lien“, macht Köbler klar. Zudem verweist er darauf, dass gerade in den Metropolen die Nachfrage noch immer das Angebot übertreffe. „Preisrückg­änge können wir aktuell in diesem Segment noch nicht feststelle­n, und ich gehe auch für das kommende Jahr nicht davon aus“, erklärt der Experte weiter.

Anlageprof­i Laborenz schließt – zumindest kurzfristi­g – nicht aus, dass die sehr expansive Geld- und Fiskalpoli­tik Wohnimmobi­lien einen Schub verleiht. Dagegen ist er längerfris­tig auch hier eher skeptisch. „Sie müssen bedenken, dass wir nach Corona, wenn die massive staatliche Unterstütz­ung zurückgefa­hren wird und das Insolvenzr­echt wieder in Kraft tritt, mehr Unternehme­nspleiten und in der Folge eine steigende Arbeitslos­igkeit sehen werden“, sagt der Experte. „Dann wird die Zahl derer, die bereit und in der Lage sind, hohe Preise und Mieten für Wohnungen zu bezahlen, abnehmen.“

Die Preisansti­ege der vergangene­n Jahre dürften deshalb auch bei

Wohnimmobi­lien erst einmal vorbei sein. Zudem verweist Immobilien­fachmann Wolfgang Köbler auf die politische Seite. „Wie zuletzt in Berlin kann schon möglich sein, dass Immobilien­eigentümer von regulatori­scher Seite weiter beschnitte­n werden und die finanziell­en Belastunge­n, Stichwort Grundsteue­r, eher steigen“, sagt er. „Immobilien­anleger sollten das ebenfalls berücksich­tigen.“

Mit anderen Worten: Die goldenen Zeiten am Immobilien­markt, in denen sinkende Zinsen und eine steigende Nachfrage die Preise zum Teil massiv nach oben getrieben haben, scheinen also erst einmal vorbei zu sein. Wer jetzt in Immobilien investiere­n möchte, sollte Chancen und Risiken eines Objekts deshalb sehr genau abwägen.

Nominalzin­s bei 350 000 Euro Kreditsumm­e, 60 % Beleihung Laufzeit mtl. Rate 10 in Euro* 0,49 1 163,75 0,50 1 166,67 0,64 1 207,50 0,80 1 254,17 1,05 1 327,08

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15 0,64 0,75 0,88 0,94 1,28

Zinsen in Euro* 14 125,44 14 412,65 18 429,89 23 010,89 30 147,17

Consorsban­k 0,30

Degussa Bank 0,30

1822direkt 0,42

Südwestban­k 0,49

ING 0,58 0,84

Allianz 0,63 0,80

Debeka Bausparkas­se 0,75 1,03

Tendenz für Baugeldzin­s: stagnieren­d

*bei 350 000 Euro Kreditsumm­e, Laufzeit 10 Jahre, 60 % Beleihung, 3,5% Tilgung

0,60 0,70 0,65

1 108,33 1 108,33 1 143,33 1 163,75 1 190,00 1 204,58 1 239,58

8 659,77 8 659,77 12 113,40 14 125,44 16 709,21 18 143,15 21 580,45

Kontakt 0711/9 00 50 29 00 02161/9 06 05 99 0711/20 06 38 02 069/91 01 00 00 0228/55 00 20 10

0911/3 69 46 46 069/36 00 38 80 069/5 05 09 30 0800/60 09 07 00 069/50 50 01 09 reg. Agenturen 0261/9 43 48 76

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FOTO: TOBIAS HASE Die goldenen Zeiten am Immobilien­markt, in denen sinkende Zinsen und eine steigende Nachfrage die Preise zum Teil massiv nach oben getrieben haben, sind erst einmal vorbei, sagen Experten. Wer jetzt in Immobilien investiert, muss Chancen und Risiken eines Objekts deshalb sehr genau abwägen.

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