Segen ohne Gesang
Die Sternsinger ziehen in diesem Jahr nicht von Haus zu Haus – Kirchengemeinden bieten Alternativen an
● RAVENSBURG/ULM/TUTTLINGEN Corona mit Kontaktbeschränkungen, Gefahren und hohen Infektionszahlen zwingt die Sternsinger in diesem Jahr zu virtuellen und kontaktlosen Formen der Segensverteilung und Spendensammlung für arme Menschen in aller Welt. Denn das Singen und der Segen vor der Haustür sind in diesem Jahr tabu.
Das Kindermissionswerk, das die Spendenaktion organisiert, rät den katholischen Pfarreien davon ab, die Kinder und Jugendlichen in der Corona-Zeit zu Haussammlungen loszuschicken. „Deshalb findet die Aktion Dreikönigssingen auf neuen Wegen statt: kontaktlos und kreativ, solidarisch mit den Kindern in der Welt“, erklärte der Präsident des Kindermissionswerks, Pfarrer Dirk Bingener.
Angesichts der noch immer hohen Corona-Infektionszahlen und strengen Auflagen dürfen die Mädchen und Jungen damit erstmals in der Geschichte der Aktion nicht vor den Türen singen – und das gerade im Jubiläumsjahr: 2021 feiert die Initiative ihren 175. Geburtstag. Die Jugendliche Auguste von Sartorius gründete 1846 in Aachen einen Verein, nachdem sie von der Not der Kinder in China erfahren hatte. Am
2. Februar 1846 rief die damals 15 Jahre alte Arzttochter deshalb den „Verein der heiligen Kindheit“ins Leben. 1922 erhob Papst Pius XI. den Verein zum „Päpstlichen Missionswerk der Kinder in Deutschland“, seit 1998 trägt die Organisation den Namen „Kindermissionswerk ,Die Sternsinger’“.
Inzwischen ist die Aktion die weltweit größte Hilfsinitiative von Kindern für Kinder in Not. Jeweils um das Dreikönigsfest am 6. Januar ziehen Mädchen und Jungen als Heilige Drei Könige verkleidet von Haus zu Haus und sammeln Spenden für ihre Altersgenossen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. In diesem Jahr steht die Ukraine im Fokus. Die Aktion will auf die Arbeitsmigration in dem Land aufmerksam machen: Viele Eltern aus der Ukraine arbeiten über lange Zeiträume in Westeuropa für den Lebensunterhalt ihrer Familien. Die Kinder müssen deshalb oft bei den Großeltern, oder anderen Verwandten aufwachsen. Das Kindermissionswerk will mit den Spenden Organisationen unterstützen, die diesen Kindern helfen.
In diesem Jahr gehen die Sternsinger gezwungenermaßen neue Wege – auch im Südwesten. Drei Beispiele.
„Wir verteilen an alle Briefkästen Spendentütchen“, sagt Marcel Schneid, Oberministrant bei der Katholischen Kirchengemeinde St. Martin in Ulm-Wiblingen. „Darin befinden sich ein Türaufkleber, der in der Kirche gesegnet wurde, und weitere Informationen über die aktuelle Aktion“, erklärt der 20-Jährige, der das Sternsingen in seiner Gemeinde organisiert.
Statt direkt an den Haustüren sammeln die Sternsinger von St. Martin die Spenden beim Dreikönigsgottesdienst
am Mittwoch. Besucher des Gottesdiensts können dort kontaktlos Geld für die Aktion geben. „Für alle, die nicht in den Gottesdienst kommen können, gibt es zum Spenden den Überweisungsträger, der in unserer Tüte beigelegt ist“, sagt Oberministrant Schneid. Ganz wegfallen hingegen die Sachspenden, wie Lebensmittel oder Süßigkeiten, mit denen die Sternsinger oftmals regelrecht überhäuft wurden. „Da war jedes Jahr so viel übrig, dass wir immer etwas an die Ulmer Tafel gegeben haben. Das wird es dieses mal leider nicht geben“, sagt Schneid.
Die katholischen Kirchengemeinden in Tuttlingen haben ebenfalls an alle Haushalte einen Brief mit dem gesegneten Aufkleber und weiterem Material verschickt. „Damit die Leute zu Hause trotz allem ein wenig Sternsingen erleben können, gibt es von uns außerdem eine virtuelle Aktion“, sagt der Tuttlinger Dekan Matthias Koschar. Die Sternsinger haben einen Auftritt gefilmt, bei dem sie einige ihrer Lieder zum Besten geben. Zu sehen gibt es diesen auf dem Kanal „Kirche tut gut“auf der Internetplattform YouTube. „Das ist natürlich nicht gleichwertig zum Sternsingen unter normalen Bedingungen“, erklärt Koschar. „Aber es ist trotzdem eine schöne Aktion, mit der viel Gutes getan wird.“
Im Dorfladen in Tuttlingen-Möhringen und in der Andreaskirche wiederum liegen geweihte Kreide und Aufkleber für die Haustüre zum Mitnehmen bereit. Meist schreiben oder kleben die kleinen Könige an Haustüren den mit der jeweiligen Jahreszahl verbundenen Segenswunsch „C + M + B“. Die Abkürzung steht für „Christus mansionem benedicat“(deutsch: Christus segne dieses Haus). Zugleich weisen die Buchstaben
auf die Namen der drei Weisen aus dem Morgenland hin, die sich nach biblischem Bericht an einem neu aufgegangenen Stern orientierten und so nach Bethlehem zum neugeborenen Jesuskind kamen. Im Volksglauben werden sie Caspar, Melchior und Balthasar genannt: „Doch da die Rundgänge in diesem Jahr ausfallen, kann sich jeder Interessierte seinen Segensspruch abholen“, erklärt Pfarrer Martin Patz.
Offen bleibt noch, ob die Sternsinger in diesem Jahr ähnlich viele Spenden zusammenbringen können wie sonst. Vor einem Jahr sammelten die Kinder rund 52,4 Millionen Euro. Anders als sonst läuft die bundesweite Aktion diesmal bis zum 2. Februar. Der ausgeweitete Zeitraum soll laut Deutscher Bischofskonferenz den Kirchengemeinden und Gruppen helfen, auch unter den schwierigen Corona-Bedingungen eine erfolgreiche Sammlung durchzuführen.