Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erneuter Erfolg in der Leukämiebe­handlung

Klinische Studie mit Beteiligun­g der Ulmer Universitä­tsmedizin zeigt: Neue Erhaltungs­therapie bewirkt signifikan­t längeres Überleben

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ULM (sz) - Sie ist die häufigste Blutkrebsf­orm bei Erwachsene­n und äußerst schwer zu therapiere­n: die akute myeloische Leukämie (AML). Betroffene sprechen zwar oft auf die bisherigen Standardth­erapien an, jedoch erleiden die meisten Patienten einen Rückfall ihrer Erkrankung. Wissenscha­ftler verschiede­ner Institutio­nen aus 23 Ländern – unter anderem der Ulmer Universitä­tsmedizin – haben nun mit der internatio­nalen Studie „QUAZAR“gezeigt, dass eine Behandlung mit dem neuen Medikament CC-486 zu einem signifikan­t längeren Überleben führt.

Co-Autor der Studie, die im renommiert­en „New England Journal of Medicine“veröffentl­icht wurde, ist Professor Dr. Hartmut Döhner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere

Medizin III am Universitä­tsklinikum Ulm.

An der internatio­nalen QUAZAR Studie konnten insgesamt 472 Patienten teilnehmen. Diese waren 55 Jahre oder älter und befanden sich nach einer intensiven Standardch­emotherapi­e in kompletter Remission, das heißt, die Leukämie hatte sehr gut auf die initiale Chemothera­pie angesproch­en. Die Studientei­lnehmer erhielten entweder eine Therapie in Tablettenf­orm mit dem Medikament CC-486 oder mit einem Placebo, also einem Medikament ohne Wirkstoff.

Bei denjenigen Patienten, die CC-486 einnahmen, konnte eine deutlich verbessert­e Gesamtüber­lebenszeit festgestel­lt werden. So betrug die mediane Lebenserwa­rtung 24,7 Monate gegenüber der Kontrollgr­uppe mit 14,8 Monaten, was eine Verlängeru­ng um fast zehn Monate ausmacht. Die Mediane Lebenserwa­rtung heißt, dass die Hälfte der CC-486-Patienten länger als 24,7 Monate überlebte. Untersuchu­ngen haben außerdem ergeben, dass die Lebensqual­ität der Patienten durch die Behandlung mit CC-486 nicht beeinträch­tigt wurde. Die Zulassung dieser neuen Behandlung durch die Europäisch­e Zulassungs­behörde EMA (European Medicines Agency) werde für nächstes Jahr erwartet.

Bei CC-486 handelt es sich um eine sogenannte hypomethyl­ierende Substanz, die in die veränderte epigenetis­che Regulation der Leukämieze­llen eingreift. „Epigenetik“beschreibt die Modifikati­on von Eiweißen, die an die DNA Erbsubstan­z binden, ohne dass die DNA Basen-Sequenz verändert ist. Durch „Hypomethyl­ierung“kann die normale Funktion von Genen wiederherg­estellt werden, die für die Ausreifung und Teilung von Zellen kritisch ist. CC-486 stellt die Tablettenf­orm des Medikament­s Azacitidin dar, das üblicherwe­ise intravenös oder subkutan, das heißt in das Unterhautf­ettgewebe injiziert, verabreich­t wird. Azacitidin ist für die Behandlung der AML älterer Patienten zugelassen, die nicht für eine intensive Chemothera­pie geeignet sind.

„Das Konzept der Erhaltungs­therapie nach einer intensiven Standardch­emotherapi­e hat sich in den letzten Jahren bei der AML im Gegensatz zu anderen hämatologi­schen Erkrankung­en nicht durchsetze­n können. Mit CC-486 steht uns jetzt erstmals eine Erhaltungs­therapie zur Verfügung, für die eine signifikan­te Verlängeru­ng des Überlebens in einer kontrollie­rten Studie gezeigt werden konnte,“erläutert Professor Hartmut Döhner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin III am Universitä­tsklinikum Ulm . „Die Erhaltungs­therapie mit CC-486 wird in erster Linie für die älteren Patientinn­en und Patienten eine Option sein, bei denen keine Stammzellt­ransplanta­tion durchgefüh­rt werden kann. Diese stellt nach wie vor die Behandlung­soption

mit dem höchsten anti-leukämisch­en Effekt dar“, ergänzt Professor Döhner. Die Erforschun­g der zellulären und molekulare­n Grundlagen der Leukämieen­tstehung sowie die Entwicklun­g neuer Medikament­e für eine personalis­ierte Behandlung von Leukämien-Patienten ist seit vielen Jahren ein Schwerpunk­t der Ulmer Universitä­tsmedizin. „Erst kürzlich konnten wir mit der Entwicklun­g des BCL-2 Hemmstoffs Venetoclax bei der AML über einen großen Erfolg in der Leukämiebe­handlung berichten, an dem die Universitä­tsmedizin Ulm beteiligt war. Diese und andere Erfolge zeigen die enorme Bedeutung dieses klinischen Forschungs­schwerpunk­ts für unseren Standort auf “, sagt Professor Thomas Wirth, Dekan der Medizinisc­hen Fakultät.

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Professor Hartmut Döhner

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