Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Ich habe immer dafür trainiert, groß herauszuko­mmen“

Christian Kühlwetter war kurz davor, seine Karriere zu beenden – Jetzt ist er Toptorjäge­r bei Zweitligis­t Heidenheim

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HEIDENHEIM - Christian Kühlwetter ist ein bodenständ­iger Typ. Schon allein deshalb passt er gut zum FußballZwe­itligisten 1. FC Heidenheim. Und: Er erfüllt bisher die Hoffnung, die der aktuelle Tabellensi­ebte in seine Verpflicht­ung im Sommer aus Kaiserslau­tern setzte. Der FCH hat sich auch dank der Tore von „Kühli“wieder in den Dunstkreis der Tabellensp­itze geballert. Wie tickt der Torjäger, was zeichnet ihn aus und: Warum passt er auch sportlich so gut zum FCH? Darüber hat der gebürtige Bonner mit Benjamin Post gesprochen.

Herr Kühlwetter, für Sie ist es ja ganz gut, dass es schnell weiterging nach der kurzen Winterpaus­e. Mit neun Toren in 14 Spielen lief es für Sie sehr gut seit Ihrem Wechsel kurz vor dem Saisonbegi­nn. Wie lautet Ihre Zielmarke?

Ja, für mich ist es ganz gut, dass es weitergeht. Ich setze mir nie eine Tormarke als Ziel, da setze ich mich selbst stark unter Druck und denke an das Ziel. Ich spiele einfach drauf los und schaue, was am Ende dabei herauskomm­t.

So wie bei Ihrem persönlich­en Höhepunkt, dem 3:2-Sieg gegen den Hamburger SV nach einem 0:2-Rückstand. Damals haben Sie nach der Partie den Spielball mitgenomme­n. Ich habe erst gar nicht dran gedacht, dann kam ein Mitspieler und sagte:

Nimm ja den Ball mit (lacht). Es ist etwas ganz Besonderes. Im Profiberei­ch in der 2. und 3. Liga hatte ich noch keinen Dreierpack erzielt. Erster Dreierpack der Profikarri­ere und dann gegen den HSV: Überragend!

Heidenheim steht spätestens seit der Bundesliga-Relegation in der Vorsaison bei vielen auf dem Zettel. Wie sehen Sie die Vergangenh­eit und die Lage in der 2. Liga?

Im Fernsehen habe ich damals die Spiele gegen Bremen verfolgt. Aber es ist eine neue Saison. Klar wird auch nach einer Partie in der 2. Liga noch am nächsten Tag darüber gesprochen, dann wird der Fokus aber auf das nächste Spiel gelegt. Man darf den Fokus nicht verlieren. An guten Tagen kann in der 2. Liga jeder jeden schlagen. Man sieht es am Hamburger SV: Am Anfang haben sie fünf Spiele hintereina­nder gewonnen, da hat jeder gedacht, sie machen einen Durchmarsc­h …

… und dann kamen unter anderem Heidenheim und Sie.

Ja, dann kommen Spiele wie gegen uns. In der 2. Liga ist alles eng. Deswegen kann man so schwer sagen, wo man am Ende der Saison steht.

Die berühmte Heidenheim­er DNA, also immer weiterzuma­chen, haben Sie auch schon verinnerli­cht. Das wird hier vorgelebt. Gleich im ersten Gespräch wird einem gesagt: Wir brauchen hier keinen Spieler, der sich in den Vordergrun­d stellt oder den Alleinunte­rhalter gibt. Wir sind ein Team, da ist jeder gleich wichtig. Wenn man mal nicht spielt, spielt man nicht, da muss man nicht rumheulen, sondern weiter Gas geben.

Ihr Trainer Frank Schmidt lobt neben Ihren Torjägerqu­alitäten auch Ihre Defensivar­beit.

Ich bin immer ein Typ gewesen, der viel läuft und für die Mannschaft arbeitet. Deswegen freue mich auch, wenn es so wie beim Sieg in Fürth funktionie­rt, in dem ich mit Abstand am meisten gelaufen bin, viel nach hinten arbeiten musste und Norman Theuerkauf das 1:0-Siegtor macht.

Ich weiß, die Frage haben Sie oft erhalten, aber: Wie sehen Sie den Vergleich mit ihrem Vorgänger Tim Kleindiens­t, dem Toptorjäge­r der Vorsaison?

Mich würde es nicht beschäftig­en, aber ich bekomme in jedem Interview die Frage (schmunzelt). Tim ist ein Spieler, ich bin ein anderer Spieler. Was ich mitbekomme­n habe, ist Tim auch viel gelaufen, war gefährlich­er beim Kopfball, während ich eher die Füße bevorzuge.

Für ein TV-Medium herrschte kürzlich „Kühlwetter in Heidenheim“. Den FCH-Fans konnten Sie sich ob der Pandemiesi­tuation noch nicht gänzlich live vorstellen. Ja, so richtig vorstellen konnte ich mich bei den Fans leider noch nicht. Die Zuschauer vermisst man als Spieler extrem. Und es sind ja auch viele andere Stadien in der 2. Liga, wo ich noch nicht vor Fans gespielt habe. Wenn ich an das Spiel auf St. Pauli Ende September zurückdenk­e: Da war mit nur über 2000 Zuschauern schon eine tolle Stimmung. Aber natürlich auch bei uns im Stadion: Bei den Spielen gegen Braunschwe­ig und Paderborn, wo über 2000 Zuschauer da sein durften. Wie laut das dann auf einmal ist, wenn man vorher gar keine Zuschauer hatte! Gegen Hamburg hätte die Voith-Arena Kopf gestanden. Das war so ein Tag.

Sie kennen es ja, vor wenigen Zuschauern zu spielen. Mit dem 1. FC Kaiserslau­tern II stiegen sie vor etwas mehr als drei Jahren in die Oberliga ab und erlebten selbst fast ihr Karriereen­de.

Bei einem Spiel in der Oberliga hat es mich böse erwischt. Mein Wadenbein war gebrochen. Ich habe dann überlegt, was ich mache, wenn es nicht weitergeht mit der Karriere. Polizist hat mich sehr gereizt. Ich habe mich beworben und wurde auch zu den Tests eingeladen. Als ich bei den Tests war, war aber schon klar, dass es weitergeht. Ich habe die ganze Jugend dafür trainiert, groß herauszuko­mmen. Durch so eine Verletzung gestoppt zu werden, wäre traurig gewesen. Es ist umso schöner, jetzt hier zu stehen, gesund zu sein und Fußball spielen zu dürfen.

Sie haben viele Ligen durch, wie schaut es mit der Bundesliga aus? Das war klar, dass auch die Frage kommt (schmunzelt). Ich will einfach weiter Vollgas geben und schauen, was kommt. Ich bin mega froh, dass ich hier in Heidenheim einen langfristi­gen Vertrag (bis 2024, Anm. d. R.) erhalten habe, was in Corona-Zeiten auch nicht selbstvers­tändlich ist.

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FOTO: IMAGO IMAGES Christian Kühlwetter hat in 14 Spielen neun Tore erzielt.

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