Im Schatten der endlosen Party
Uli Oesterle befasst sich in „Vatermilch“mit dem Abrutschen in die Obdachlosigkeit
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MÜNCHEN - „Papa Was A Rollin’ Stone“– einen besseren Soundtrack gibt es nicht zu dieser Geschichte. Denn was aufs Erste cool wirkt und nach Freizügigkeit riecht, entpuppt sich wie im Erfolgssong der Temptations ganz schnell als Trauerspiel. Freilich mit saukomischen Einlagen, das ist das Angenehme an den Graphic Novels von Uli Oesterle. Und für seinen neuen Mehrteiler „Vatermilch“braucht es schon eine feine Portion Humor und Ironie.
Es geht schließlich um das Abrutschen eines gewissen Rufus Himmelstoss in die Obdachlosigkeit, umspült von viel Alkohol, man könnte auch sagen, befördert durch einen Cocktail aus Sex and Drugs and Rock’n’Roll. Er kommt ja gut an bei den Damen, dieser geschmeidige Markisenvertreter mit Hang zur intensiven Kund(inn)enbetreuung. Ein Verschnitt aus Stenz, Spieler und Partyhengst ist er Mitte der 1970erJahre, immer lässig mit Schlaghosen und Safari-Jackett überm weit aufgeknöpften Hippie-Hemd. Der PS-starke Jaguar darf nicht fehlen, und fast so schnittig sitzt die Günter-NetzerFrisur über den Koteletten. Ein Typ wie aus dem Bilderbuch.
Blöd nur, dass dieser Himmelstoss im unwichtigsten Nebenjob auch noch Vater ist. Vom verzockten Geld lässt sich der Kühlschrank allerdings nicht füllen, das ist das klassische Absturz-Drama, das bei Oesterle ganz nahe rückt: Der Münchner Comicautor verarbeitet die eigene Familienvergangenheit, und das mit frappierender Offenheit.
In einer zweiten Ebene hat sich der studierte Grafikdesigner dabei nonchalant selbst eingebaut. Als Sohn Victor Himmelstoss zeichnet er wie ein Besessener, und natürlich ist er wie alle Kreativen mächtig unter Druck – und dabei ein lausiger Vater. Fast so wie Rufus. Aber da gönnt sich der in Karlsruhe geborene Autor der viel beachteten „Hector Umbra“Serie einige künstlerische Freiheiten.
Es gab ja auch große Lücken im Lebenslauf seines früh sich absentierenden Erzeugers, und die musste Oesterle mit „Erdichtetem verfugen“, wie er im Nachwort bekennt. Daraus ist eine aufgekratzte Münchner
Mischung mit viel wildem Schwabing geworden. Rufus verkehrt etwa im legendären Yellow Submarine an der Leopoldstraße, wo man die sündteuren Drinks zwischen Haien schlürft, die aus Bullaugen
glotzen. Meeresgetier schaut auch beim Koksen auf dem Klo zu, und damit die Mädels hergehen, gibt es Champagnerduschen und Belugahäppchen. Bis Rufus im Rausch eine Mutter mit zwei Kindern in den Tod