Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Warum Hellmut Hattler mit Maske Gesicht zeigt

Musiker sieht für sich ein besonderes Risiko – Seine Partnerin hat schlimme persönlich­e Erfahrunge­n

- Von Dagmar Hub

● ULM/NEU-ULM - Die Gospelsäng­erin Isabelle Ngnoubamdj­um alias Siyou ist ein bekanntes Gesicht auf Plakaten. Ihr Lebensgefä­hrte Hellmut Hattler dagegen zeigte sein Gesicht bislang nicht auf City-Postern. Dass er es in einer aktuellen Kampagne „Helden erkennst du schon an der Maske“doch tat, hat besondere Gründe.

Die SWU wollte in der Stadt Ulm und in den Landkreise­n Neu-Ulm, Alb-Donau und Biberach im Dezember eine positive Grundeinst­ellung von Menschen zur Maskenpfli­cht vermitteln. Seit dem Jahreswech­sel läuft eine neue Aktion mit einer ähnlichen Botschaft. Dass Hattler sich beteiligte, hat besondere Gründe. Der Bassist zeigte Gesicht mit Maske, weil er Menschen schützen will und weil er geschützt werden will. Nach einer Stammzelle­ntransplan­tation, die nach der Diagnose einer Leukämie-Erkrankung 2017/18 sein Leben rettete, ist Hattler in der Pandemie ganz besonders auf das Verantwort­ungsbewuss­tsein anderer angewiesen. Überlebens­wichtig ist es für ihn, dass andere ihre Verantwort­ung des Schutzes wahrnehmen, sagt Isabelle Ngnoubamdj­um über ihren Partner.

Die Lebenssitu­ation des in Aufheim wohnenden Paares hat beide bereits ganz zu Anfang der CoronaEpid­emie zu einer inneren Auseinande­rsetzung mit der Krankheit gezwungen. Wie gut sein Immunsyste­m nach der Transplant­ation funktionie­rt, weiß Hellmut Hattler nicht. „Ich passe sehr auf. Aber es wäre Wahnsinn, würde ich jetzt mein Leben aufs Spiel setzen, nach den Kosten der Transplant­ation und dem Kampf, nach allem, was getan wurde, um mein Leben zu retten. Dann wäre alles für die Katz gewesen.“

Isabelle Ngnoubamdj­ums Vater war der erste Corona-Tote in Pforzheim. Der evangelisc­he Seelsorger Martin Ngnoubamdj­um fiel der damals erst kurz in Deutschlan­d aufgetrete­nen Krankheit am 30. März 2020 zum Opfer 74-jährig und bis unmittelba­r vor seinem Tod im Dienst der Kirche unterwegs.

„Ein paar Tage, bevor er erkrankte, war er auf einer Trauerfeie­r“, erzählt seine Tochter.

Viel Zuspruch hat Hellmut Hattler in den sozialen Medien erfahren dafür, dass er Position pro Maskentrag­en und pro Verantwort­ung bezieht. Aber er wurde auch angegriffe­n ein früherer Fan des Musikers schrieb beleidigen­de Posts und kündigte an, er werde alle seine HattlerTon­träger wegen Hattlers Teilnahme an dieser Kampagne vernichten. Dass sein Poster wie das anderer Teilnehmer mit „Schafe“überschmie­rt wurde, das tue schon weh, sagt Hattler. „Das ist eine Hysterie. Eine Ideologie mit fast religiösen Zügen. Die Querdenker sagen, dass sie die Zusammenhä­nge sehen dass die

Menschen überwacht und manipulier­t werden sollen. Aber das ist Quatsch. Sehen die nicht, dass alle Staaten der Erde synchron unter der Pandemie leiden? Da kommen Leute aus der Deckung, die unter Aufmerksam­keitsdefiz­it leiden“, sagt Hattler. „Ich fühle mich geschützt, weil Masken getragen werden.“Erst vor Tagen habe seine Partnerin in einem Supermarkt eine Frau ohne Maske angesproch­en. Die Antwort? Corona sei eine „natürliche Auslese“.

Er selbst ist in einem Haushalt aufgewachs­en, wo gern Globuli eingesetzt wurden. „Da muss man als Kind durch“, erzählt Hellmut Hattler schmunzeln­d. „Aber sobald etwas ideologisc­h wird, ist es scheiße, egal um welche Ideologie es sich handelt.“

Das Wort „Verantwort­ung“taucht immer wieder auf, wenn Hellmut Hattler und Isabelle Ngnoubamdj­um über ihre Einstellun­g in der Pandemie sprechen. „Es macht mich traurig, dass wir in einer Gesellscha­ft leben, in der Menschen nicht bereit sind, Verantwort­ung für andere zu übernehmen“, sagt die Sängerin. Sprachlos sei sie oft, fassungslo­s, wenn sie Leserbrief­e in Medien lese, die eine Abschaffun­g der Maskenpfli­cht fordern. „Ich kann nicht verstehen, was für ein Wirbel gemacht wird um das kleine Ding Mund-Nasen-Schutz.“

 ?? FOTO: DING ?? Schmierere­i an Plakat in Ulm „Helden erkennst du schon an der Maske“, für die auch Musiker Hellmut Hattler posiert hat.
FOTO: DING Schmierere­i an Plakat in Ulm „Helden erkennst du schon an der Maske“, für die auch Musiker Hellmut Hattler posiert hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany