Deutscher Fernsehpreis kam mit der Post
Michael Scheffold aus Biberach arbeitet als erfolgreicher Filmeditor und Produzent in Hamburg
● BIBERACH/HAMBURG - Nicht alles war schlecht am vergangenen Jahr. Für den in Biberach geborenen und in Hailtingen aufgewachsenen Michael Scheffold brachte 2020 einen schönen Erfolg mit sich. Der 41-Jährige, der zwischenzeitlich in Hamburg lebt und sich als Filmeditor selbstständig gemacht hat, gewann den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Bester Schnitt Information/Dokumentation“für den Film „Resistance Fighters – Die globale Antibiotika-Krise“. Wie es kam, dass er mit Prominenten wie Sandra Maischberger oder dem Rapper Samy Deluxe zusammenarbeitete, hat er der SZ erzählt.
Normalerweise wird der Deutsche Filmpreis im Rahmen einer großen Gala verliehen. Nicht so im Corona-Jahr 2020. „Dass ich den Preis für den besten Schnitt erhalten habe, hat mir der Regisseur am Telefon erzählt. Den Preis selbst bekam ich mit der Post zugeschickt“, sagt Michael
Scheffold. „Irgendwie schade, aber ich kann’s ja nicht ändern. Gefreut habe ich mich trotzdem.“
Seit 2006 lebt Scheffold mit seiner Familie in Hamburg, wo er sich als Filmeditor selbstständig gemacht und 2012 die Produktionsfirma „Paul’s Boutique“gegründet hat. Mit im Boot dabei ist Felix Paul, ein Freund aus der gemeinsamen Dürmentinger Kindergartenzeit. Zum Filmen kam Michael Scheffold in seiner Jugend in Riedlingen. „Ich gehörte dort zur HipHop- und Skaterszene. Wir haben dabei amerikanischen Skatern und Musikern nachgeeifert und hatten immer eine Kamera dabei, um kleine Filmchen zu drehen.“
Nachdem Abitur am Kreisgymnasium in Riedlingen studierte er in Furtwangen Digitale Medien und kam während eines Praxissemesters in einer Postproduktionsfirma in Köln mit dem Thema Filmschnitt in Berührung. Im Rahmen eines Austauschsemesters studierte Michael Scheffold 2004 in San Francisco Dokumentarfilm. „Mich hat daran immer fasziniert, dass es um authentische und nicht um ausgedachte Geschichten geht“, sagt er. Wenn man dokumentarisch arbeite, lasse sich nur begrenzt planen, was alles passiere, „deshalb entsteht vieles erst im Schnittraum, das bedeutet, dass ich mit meinem Gewerk noch stark eingreifen kann“, sagt Scheffold.
Kurz nachdem er 2006 nach Hamburg gezogen war, hatte er die Chance, unter der Regie von Sandra Maischberger den Schnitt für zwei Dokumentationen über Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker zu machen. „Das war für mich der Startschuss hinein in eine Branche, die nicht riesig groß ist und in der man sich kennt.“Es folgten weitere Dokumentationen, darunter auch Kinoproduktionen, bei denen er für den Schnitt verantwortlich war.
„Resistance Fighters“unter der Regie von Michael Wech war ein Projekt, das Scheffold sieben Monate lang begleitete. Der Film setzt sich mit den Folgen einer drohenden
„postantibiotischen Ära“auseinander – einer Zeit, in der antibiotikaresistente Keime zur weltweiten Todesursache Nummer eins werden könnten. „In dieses Filmprojekt war ich von der ersten Idee an involviert.“Während der Regisseur weltweit zu Dreharbeiten unterwegs war, nahm sich Michael Scheffold das Filmmaterial vor und schnitt bereits erste Kapitel zu einer rohen Fassung.
Mit Regisseur Wech hat Scheffold bis kurz vor Weihnachten an einer weiteren Dokumentation gearbeitet. „Hallo, Herr Diktator“heißt sie und beschäftigt sich mit dem Verhältnis des ungarischen Premierministers Viktor Orbán und dessen Verhältnis zur EU. Abrufbar ist der Film derzeit in der Mediathek von arte. Anfang 2020 war Scheffold auch an einer Dokumentation über den Formel-1Weltmeister Michael Schumacher beteiligt. Diese sollte ursprünglich noch voriges Jahr ins Kino kommen, wegen Corona kam es bislang jedoch nicht dazu.
Mit seiner Produktionsfirma „Paul’s Boutique“ist Michael Scheffold aber noch auf einem ganz anderen Gebiet aktiv. Er und seine Kollegen produzieren Musikvideos, unter anderem für den bekannten Hamburger Rapper Samy Deluxe und die HipHop-Band Beginner um ihren Frontmann Jan Delay. „Die Arbeit an einem Musikvideo schärft die Sinne für das Kleinteilige“, sagt Scheffold. „Da geht es um 25stel Sekunden, um stilistische und ästhetische Fertigkeiten.“Während er bei einer Doku 90 Minuten Zeit für die Dramaturgie habe, seien es im Musikvideo eben nur drei. Obwohl er mit den verschiedenen Gewerken des Filmemachens bestens vertraut ist, reizt ihn die Rolle des Regisseurs nicht so sehr. „Ich fühle mich ganz wohl in meinen vier Wänden mit meinen Monitoren“, sagt Scheffold. Auch dass sich heute jeder mit seinem Smartphone als „Filmemacher“betätigen kann, störe ihn nicht. „Nur weil ich das Handwerkszeug besitze, beherrsche ich ja noch nicht das Handwerk. Am Ende setzt sich die Qualität durch.“Die Corona-Pandemie hatte 2020 auch Auswirkungen auf Michael Scheffolds Arbeit. „Zwei Filmprojekte, an denen ich beteiligt bin, liegen auf Eis, weil dazu Auslandsreisen erforderlich wären“, sagt er. Im Gegensatz zu einigen anderen Kollegen aus der Filmbranche sei die Arbeit für ihn aber trotzdem weitergegangen. „Wir hatten mit der Firma das Glück, dass immer wieder neue Projekte kamen.“
Auch 2021 stünden bereits zwei bis drei Dokus an. „Ich bin guter Dinge und versuche, mich nicht runterziehen zu lassen“, so Scheffold. Ansonsten bleibt immer noch die Möglichkeit zur Auszeit in der alten Heimat. Seine Eltern leben noch in Hailtingen und einige der Freunde auch. „Ich versuche, so oft wie möglich nach Oberschwaben zu kommen, damit auch meine Kinder das alles kennenlernen“, sagt Michael Scheffold. „Immer wenn ich hier bin, merke ich, wie sehr mir in Hamburg die Hügel und die Berge fehlen.“