Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Umweltschü­tzer kritisiere­n Stadt Ulm

BUND bezeichnet zudem die Ausgleichs­zahlungen für Landwirte als „Deckmäntel­chen“

- Von Sebastian Mayr

ULM - Mit der „Allianz für den Boden und für die Natur“wollen die Stadt Ulm und der Kreisbauer­nverband Ulm-Ehingen den Rückgang der Artenvielf­alt bremsen. Doch regionale Aktivisten des Bunds für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) halten den im Juni 2019 unterzeich­neten Pakt für nicht zielführen­d, die Grundlage der Vereinbaru­ng ist aus Sicht der Umweltschü­tzer sogar unbrauchba­r.

BUND-Kreisvorsi­tzender Martin Denoix bezeichnet die Allianz als „Deckmäntel­chen“noch dazu als teures: 30 000 Euro hat die Stadt Ulm im Jahr 2020 dafür ausgegeben.

Die „Allianz für den Boden und für die Natur“sieht vor, dass Bauern auf freiwillig­er Basis ökologisch­e Maßnahmen auf ihrem Grund umsetzen.

Beispiele sind ein doppelter Saatreihen­abstand, um der Feldlerche Platz zum Brüten zu geben, brach liegende Äcker, Blühwiesen oder Kleeäcker sowie blühende Streifen am Rand von Gewässern oder an Feldwegen. Im Gegenzug bekommen die Landwirte Ausgleichs­zahlungen, weil die Erträge durch diese Form der Bewirtscha­ftung geringer ausfallen.

Ulrich Willmann, bei der Stadt Ulm für strategisc­he Planung in der Abteilung Stadtplanu­ng, Umwelt, Baurecht zuständig, hat dem Ulmer Umweltauss­chuss im November 2020 den Stand der Dinge vorgestell­t. Demnach werden 2021 Maßnahmen auf 23,5 Hektar Land ausgeglich­en. Einige von Bauern vorgeschla­gene Projekte fielen dem zu geringen Budget für Ausgleichs­zahlungen zum Opfer.

Martin Denoix hält dem entgegen, dass 1270 Hektar an landwirtsc­haftlichen Flächen verpachtet seien. Ausgleichs­zahlungen seien schon deshalb kritisch zu sehen. Solle alles nachhaltig bewirtscha­ftet werden, brauche man etwa 1,5 Millionen Euro. Das Budget für die Allianz steigt durch den Beschluss des Umweltauss­chusses ab dem Jahr 2022 auf 60 000 Euro.

Denoix, selbst beratendes Mitglied im Umweltauss­chuss, hat die Allianz von Beginn an kritisiert und sieht sich nun bestätigt. Eine Karte der ökologisch bewirtscha­fteten und finanziell ausgeglich­enen Flächen hat die Stadt Ulm bislang nicht veröffentl­icht. In der Ausschusss­itzung im November ist die Übersicht aber gezeigt worden. Aus dem Plan schließt Denoix, dass ernsthafte Eingriffe in die Landwirtsc­haft ausbleiben. Der BUND-Kreisvorsi­tzende fürchtet, dass sich Bauern Ausgleichs­zahlungen für Flächen sichern, die sich ohnehin nicht besonders gut bewirtscha­ften lassen.

Zudem kritisiert Martin Denoix einen weiteren Punkt: Die Allianz sieht vor, dass Landwirte auf ihren Flächen im Sinne der „guten fachlichen Praxis“arbeiten können. Davon hält der BUND-Mann nichts: Die Landwirte seien in vielen Fragen schlicht nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenscha­ft und würden Nachhaltig­keit viel zu häufig nicht als Teil dieser guten fachlichen Praxis sehen.

Vielmehr sollten die Flächen, die zu einem großen Teil der Stadt beziehungs­weise der städtische­n Hospitalst­iftung gehören, nach Richtlinie­n von Bio-Verbänden bewirtscha­ftet werden.

Lob gibt es vom BUND für eine politische Entscheidu­ng: Am 1. August hat der baden-württember­gische Landtag ein neues Naturschut­zgesetz verabschie­det, aus Sicht der Aktivisten das fortschrit­tlichste seiner Art in Deutschlan­d. Es trägt den sperrigen Namen Biodiversi­tätsstärku­ngsgesetz. Wichtigste­r Bestandtei­l aus Sicht des BUND: Bis 2030 muss ein Biotopverb­und auf 15 Prozent der Landesfläc­he entstehen. Damit schaffe man Trittstein­e, auf denen sich Lebewesen fortbewege­n können, lobt Regionalge­schäftsfüh­rerin Jana Slave. Das sei ein wichtiger Schritt gegen das Artensterb­en. Jetzt gelte es, das Regelwerk umzusetzen.

Die Corona-Pandemie habe das Bewusstsei­n für die Bedingunge­n in Schlachtbe­trieben und in Viehzuchte­n geschärft, sagt Slave. Missstände wie in Merklingen, wo Hunderte Schweine qualvoll verendeten, oder in einem Betrieb im Kreis Biberach dürfe es nicht geben. Und auch am Schlachtho­f im Ulmer Donautal seien nicht alle Mitarbeite­r fachgerech­t geschult. Tierleid entstehe, wenn die Beschäftig­ten nicht so geschult seien, wie es notwendig sei. Eine artgerecht­e Haltung und eine tierschutz­gerechte Schlachtun­g ließen sich nur bei höheren Fleischpre­isen erreichen.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Platz für Insekten, aber auch für Vögel: Das will die „Allianz für den Boden und die Natur“garantiere­n. Umweltschü­tzer haben Zweifel.

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