Gefahr für Züge: Brücke wird saniert
Innenstadt: Monatelang fällt mindestens eine Fahrspur weg – Was auf Pendler zukommt
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ULM - Ende März beginnen die Arbeiten, bis Juni 2022 müssen Autofahrer mit Einschränkungen und zusätzlichen Staus rechnen: Die einsturzgefährdete Brüstung an der Ludwig-Erhard-Brücke zwischen Blaubeurer Ring und SWU-Gebäude wird erneuert. Im gleichen Zug zieht die Stadt die Generalsanierung der Brücke um einige Jahre vor. Die Arbeiten, die die meisten Behinderungen mit sich bringen, sollen in verkehrsarme Zeiten fallen. Zudem soll ein spezielles Konzept die schlimmsten Staus verhindern. Ein Überblick.
Bei einer turnusgemäßen Prüfung vor drei Jahren hatten Ingenieure teils fingerdicke Risse in der Brüstung festgestellt. Wasser hätte eindringen und gefrieren können. Bei einer Frostsprengung hätten Teile der Brüstung auf die darunter verlaufenden Bahngleise stürzen können. Auf einer Seite ist die Brüstung bereits abgebaut und durch provisorische Schutzwände ersetzt worden.
Deren Genehmigung läuft aus. Würde die Stadt nicht zeitnah mit den Bauarbeiten beginnen, müsste sie die Schutzwände austauschen und die Straße zweimal sperren. Einmal für den Austausch des Provisoriums und einmal für die Sanierung. „Wir machen das ja nicht einfach so aus Spaß“, sagt Michael Jung, der Leiter der städtischen Hauptabteilung Verkehrsplanung und Straßenbau über die Arbeiten, die voraussichtlich 8,5 Millionen Euro kosten werden. Es ist das erste millionenschwere Sanierungsprojekt, um das sich Steve Endel als Leiter für die Verkehrsinfrastruktur kümmern wird. Der Bauingenieur ist aus dem Landratsamt des Alb-Donau-Kreises zur Stadt Ulm gewechselt.
Der Schaden habe mehrere Gründe: Die Konstruktion sei anspruchsvoll, die Methoden damals seien noch nicht so ausgereift gewesen wie heute und beim Bau sei nicht alles ganz ordnungsgemäß abgelaufen. Ähnliche Gründe hat die Stadt auch bei der ebenfalls maroden Gänstorbrücke über die Donau ausgemacht, die seit Sommer 2018 halbseitig gesperrt ist und bis 2025 durch einen Neubau ersetzt werden soll. Vergleichbar ist auch die Zahl der Fahrzeuge, die täglich darüber rollen: Bei der Gänstorbrücke sind es rund 28 000, bei der Ludwig-Erhard-Brücke etwas mehr als 30 000.
Bislang gibt es nach den Erfahrungen der Stadt nur kürzere Staus während der Stoßzeiten. Die Verzögerungen
dürften nun zunehmen. Sorgen machte sich die Brauerei Gold Ochsen: Die Rohstoffe werden über die Brücke gebracht, das Bier wird auf dem gleichen Weg ausgefahren. Doch Michael Jung verspricht: Man tue das Möglichste, um die Belastungen auch für die Wirtschaft gering zu halten.
An die Stelle der Betonfertigteile, die bisher die Brüstung der LudwigErhard-Brücke bilden, treten Stahlkästen. Diese wiegen weniger, das entlastet das Bauwerk und soll helfen, dass es noch mehr als 40 weitere Jahre durchhält.
Weil die Brücke von vielen Seiten aus zu sehen ist, war der Stadt eine ansprechende Gestaltung wichtig. Das Architekturbüro Gerlach Ulm setzte sich in einem Wettbewerb im Jahr 2018 durch. Wesentlicher Bestandteil des Entwurfs sind Lichtelemente: hell gestrichene Laternen und ein LED-Band unter dem Handlauf.
Weil die Leitplanken wegfallen, haben Radler und Fußgänger mehr Platz: Rund 80 Zentimeter breiter wird ihr Weg. Ganz ohne Beton kommt die neue Brüstung aber nicht aus. Betonkappen dienen als Berührschutz. Wenn die straff gespannte Oberleitung reißt, schlägt sie gegen diese geerdeten Kappen und nicht gegen die Brücke. Das schützt alle, die dort unterwegs sind.
Die Firma, die die Arbeiten übernimmt, hat wenig Spielraum: Die Gerüste können nur aufgebaut werden, wenn keine Züge fahren. Also muss sich das Bauunternehmen an Zeitfenster halten, die die Deutsche Bahn vorgibt. Manche Schritte müssen also zwingend in genau festgelegten 14-tägigen Abschnitten über die Bühne gehen: ab Ende März, ab Ende Juli und schließlich im November. „Da sind wir im Schatten von Baumaßnahmen der Bahn“, erläutert der städtische Bauleiter Karlheinz Schüle und ergänzt: „Wenn die Gerüste stehen, sind wir unabhängig von der Bahn.“
Die Arbeiten beginnen an der Südseite denn dort ist die Brüstung bereits durch den provisorischen Bauschutz der Firma Peri ersetzt worden. Weil ein Drittel der Brücke über dem SWU-Gelände liegt, können die Arbeiter dort gewissermaßen üben, bevor es über den Gleisen weitergeht. Man probiere aus, wie viel Zeit man für welchen Schritt genau brauche, erklärt Schüle.
Die Art der Arbeiten gibt der Baufirma zudem zumindest etwas Flexibilität: Die einzelnen Bestandteile werden in geringem Abstand an der Brücke befestigt und erst am Ende miteinander verbunden. Dadurch müssen die Schritte nicht der Reihe nach von einer Seite zur anderen abgearbeitet werden. Wenn ein Ort nicht zugänglich ist, etwa weil die Bahn ein Gleis braucht, können die
Arbeiten zunächst an einer anderen Stelle weitergehen.
Während die Brüstung erneuert wird, fällt eine Fahrspur weg. Damit sich die Staus in Grenzen halten, sollen immer zwei Spuren in der Hauptfahrrichtung offen sein. „Das wird jeden Tag zweimal umgestellt“, erklärt Karlheinz Schüle. Morgens führen zwei Spuren in die Innenstadt hinein, abends zwei Richtung Blaubeurer Ring. Umgebaut, so Schüle, werde zu verkehrsarmen Zeiten. In den Sommerferien werde es aber nächtliche Vollsperrungen geben, kündigt er an.
In der Winterpause 2021/2022 sollen alle vier Spuren befahrbar sein. Dann werden die Beläge und Abdichtungen der Brücke erneuert und zwei Spuren müssen gesperrt werden. Wenn es aber so weit ist, soll nach Angaben der Stadt die Friedrich-Ebert-Straße vor dem Bahnhof wieder in beide Richtungen befahrbar sein. Dadurch, so die Hoffnung der Planer, kommen die Autos insgesamt genauso schnell voran wie in der Zeit, in der drei Spuren auf der Ludwig-Erhard-Brücke zur Verfügung stehen.
Für die Arbeiten gibt es aus Sicht der Stadt nicht nur wegen der Bahnpausen und der auslaufenden Genehmigungen keine Alternative: Die Sanierung der Brücke soll abgeschlossen sein, bevor die Neubauten der Gänstorbrücke und der Adenauerbrücke beginnen.