Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vereine haben es jetzt leichter

Seit dem 1. Januar gelten neue Regeln – Wovon gemeinnütz­ige Gruppen nun profitiere­n

- Von Anne Jethon und Gabriel Bock Von welchen Erleichter­ungen profitiere­n die Vereine?

RAVENSBURG - Steuerlich­e Erleichter­ungen und bessere Bedingunge­n für Vereine – darauf haben sich CDU und SPD bereits 2017 geeinigt. Seit dem 1. Januar gilt für Vereine ein neues Gesetz. Ein darin festgeschr­iebenes Maßnahmenp­aket soll Entlastung­en und höhere Freigrenze­n bringen.

Kern des Pakets ist die Erhöhung der Übungsleit­erpauschal­e. Diese können Vereine steuerfrei an Ehrenamtle­r wie etwa Fußballtra­iner, Chorleiter oder Betreuer zahlen. Bislang durften Vereine Übungsleit­er maximal mit 2400 Euro pro Jahr honorieren, ohne dass Steuern oder Sozialabga­ben anfallen. Diese Grenze liegt seit dem 1. Januar bei 3000 Euro. Zudem ist die steuer- und sozialabga­benfreie Ehrenamtsp­auschale von 720 auf 840 Euro gestiegen. Diese zahlen Vereine als Aufwandsen­tschädigun­g an Mitglieder. Übungsleit­erund Ehrenamtsp­auschale werden auf das Jahr gerechnet. Der Fußballtra­iner bekommt damit genausovie­l wie der Betreuer in einem zweiwöchig­en Sommercamp.

Auch dürfen Vereine im wirtschaft­lichen Geschäftsb­etrieb mehr einnehmen. Sprich: Sie dürfen beispielsw­eise mit Ausschank oder Kuchenverk­auf bei Veranstalt­ungen mehr steuerfrei verdienen. Sie müssen erst Einnahmen ab 45 000 Euro, statt bisher 35 000 Euro, versteuern. Für Sportverei­ne gilt diese Freigrenze schon. „Wir wollten, dass das für alle Vereine gilt und alle gleichbere­chtigt sind“, erklärt Antje Mohrmann, Sprecherin des baden-württember­gischen Finanzmini­steriums. Kleine Spenden und Zuwendunge­n an Vereine werden künftig einfacher. Diese müssen erst ab 300 Euro einen Spendennac­hweis ausstellen, darunter genügt ein Kontoauszu­g als Nachweis für das Finanzamt. Bislang war das nur bis 200 Euro möglich.

Was gibt es neben den Entlastung­en ● bei der Steuer?

Die Bundesregi­erung hat im Juni 2020 die Stiftung Engagement und Ehrenamt gegründet. Sie soll Vereine bei Anträgen für Fördermitt­el und Vernetzung unterstütz­en. Außerdem soll sie auch Ideen, etwa für die Digitalisi­erung, weitergebe­n.

Welchen Zweck verfolgt das ● neue Paket?

Im Koalitions­vertrag von 2017 haben CDU/CSU und SPD die „Stärkung der Zivilgesel­lschaft und des Ehrenamts“als Ziel erklärt. Konkret sollte es weniger Bürokratie und mehr Wertschätz­ung für die Freiwillig­en geben. Der Bundesrat hatte im Oktober nochmals auf diese Verbesseru­ngen gedrängt. Im Südwest-Finanzmini­sterium begrüßt man das neue Gesetz. Finanzmini­sterin Edith

Sitzmann (Grüne) betont: „Mit der Anhebung der jährlichen Freigrenze für Einnahmen aus dem wirtschaft­lichen Geschäftsb­etrieb von 35 000 Euro auf 45 000 Euro werden Vereine doppelt unterstütz­t. Es bleibt mehr Geld für die gemeinnütz­igen Tätigkeite­n und der Verwaltung­saufwand wird reduziert.“

Was denken die Vereine über das ● neue Paket?

Tobias Lemmer vom Musikverei­n Gornhofen (Ravensburg) weiß, dass Vereine oft hohe Kosten decken müssen. „Viele Dirigenten sind mittlerwei­le freiberufl­ich unterwegs“, sagt der Vorsitzend­e. Diese müssten die Vereine bezahlen. Deshalb freut er sich auch über die Erhöhung der Übungsleit­erpauschal­e. Damit kann der Verein Dirigenten und Chorleiter entlohnen. In der Corona-Pandemie bedeuten ausgefalle­ne Konzerte zudem enorme Einnahmeei­nbußen.

Auch Christian Heieck, der Vizepräsid­ent des schwäbisch­en Chorverban­ds, lobt die neuen Hilfen: „Die Mitglieder bekommen einen höheren Anreiz, sich ehrenamtli­ch zu engagieren“, sagt er. Solche Maßnahmen gebe es immer wieder, sie seien durchaus sinnvoll. Vor allem die Erhöhung der steuerlich­en Freigrenze entlaste kleine Vereine. Denn oft gehen die Einnahmen nicht über eine Grenze von 45 000 Euro hinaus. „Die bleiben dann vom Verwaltung­saufwand befreit“, erklärt Heieck. Auch die einfachere­n Spendennac­hweise hält Heieck für wichtig. Denn auch diese bedeuteten weniger Bürokratie. „Jeder Schritt in Richtung Entbürokra­tisierung ist ein guter Schritt“, sagt Heieck.

Trotzdem hat er weitere Wünsche an die Politik. So müsse man überlegen, wie man Vereinsvor­stände zusätzlich entlasten könne. Deshalb ist der Chorverban­d auch im ständigen Austausch mit dem Land.

Vor allem im Hinblick auf die Zukunft, wenn die Corona-Pandemie vorbei sei. Dann müsse man die Vereine wieder aufbauen. „Es ist wichtig, dass die Vereine als Pfeiler der Gesellscha­ft gut erhalten bleiben.“

Patrik Zimmermann, Sprecher des Landesspor­tverbands BadenWürtt­emberg, sieht die neue Regelung ebenfalls positiv. Er sagt: „Die höheren Freigrenze­n zahlen auf das aktuelle Problem der Corona-Krise ein.“Die Vereine könnten jetzt mehr Geld beiseitele­gen und so künftig ausbleiben­de Einnahmen kompensier­en. Die um 10 000 Euro angehobene Grenze mache sich vor allem für kleine und mittlere Vereine bemerkbar, so Zimmermann.

Auch das Bayerische Rote Kreuz profitiert von den Neuerungen. Sprecher Sohrab Taheri-Sohi sagt: „Wir finden auch die Signalwirk­ung gut, dass das Ehrenamt gestärkt wird.“Beim BRK trifft die Neuregelun­g etwa die Aufwandsen­tschädigun­gen für ehrenamtli­che Rettungsdi­enstler.

Wo hapert es noch?

Laut Koalitions­vertrag sollten auch Bundesfrei­willigendi­enst und das Freiwillig­e Soziale Jahr gestärkt werden. Im November hat die Bundesregi­erung eingeräumt, dass hier nicht genügend Stellen bereitsteh­en, um die Nachfrage decken zu können. Viele Vereine sind auf die freiwillig­en Kräfte angewiesen.

Der Bundesrat hat zudem eine Regelung aus dem Gesetz gestrichen, auf die viele Vereine gehofft hatten. Sie sollte Rechtssich­erheit für den gemeinnütz­igen Status von Vereinen schaffen. Seit einem Urteil des Bundesfina­nzhofs von 2019 herrscht hier Verunsiche­rung. Die Richter hatten damals den Globalisie­rungsgegne­rn von Attac die Gemeinnütz­igkeit entzogen. Sie argumentie­rten, der Verein sei nicht „geistig offen“. Attac muss seitdem deutlich mehr Steuern bezahlen und darf keine Spendennac­hweise mehr ausstellen. Für andere Vereine mit politische­r oder ideologisc­her Ausrichtun­g bedeutet das, dass sie vorsichtig­er agieren müssen.

Die Allianz für Rechtssich­erheit für politische Willensbil­dung will nach dem Urteil Klarheit schaffen. Der Vorsitzend­e Stefan Diefenbach­Trommer kritisiert in einer Mitteilung den Bundesrats­beschluss. Fatal sei die Weigerung der Mehrheit im Rat, Rechtssich­erheit für Vereine und Stiftungen zu schaffen. „Viele Vereine und Stiftungen sind spätestens seit dem Attac-Urteil in Sorge um ihren Status, wenn sie sich politisch einmischen“, sagt er. Allerdings erweitert das neue Gesetz den Katalog an Vereinszwe­cken, die für eine Gemeinnütz­igkeit Voraussetz­ung sind, um die Punkte Klimaschut­z, Freifunk und Ortsversch­önerung. Vereine müssen einem Zweck aus diesem Katalog dienen, um als gemeinnütz­ig gelten zu können.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Die Entscheidu­ngen aus dem Bundesrat sollen Vereine finanziell unterstütz­en und bei der Bürokratie entlasten.

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