Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Drei Mal CDU

Die Bewerber für den Parteivors­itz verbindet die Herkunft aus Nordrhein-Westfalen – Sonst eint sie nicht allzu viel

- Von Claudia Kling

BERLIN - Wer im Dezember des Jahres 2018 dachte, dass eine Wahl der/ des neuen CDU-Vorsitzend­en kaum spannender sein könnte, hat damals nicht genau in seine Glaskugel geschaut. Im Vergleich zum Parteitag vor zwei Jahren in Hamburg ist der Wettbewerb um den Chefposten der Christdemo­kraten noch einmal deutlich dramatisch­er. Nicht nur, weil Deutschlan­d vor einem Superwahlj­ahr steht – und der neue Parteichef gute Aussichten hat, demnächst mächtigste­r Mann im Land zu werden. Es geht auch um die Ausrichtun­g der CDU an sich. Um den politische­n Weg, den die CDU einschlage­n will, um Signale, die sie nach außen an die Wähler sendet. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet, der frühere CDU-Fraktionsv­orsitzende Friedrich Merz und der Außenexper­te Norbert Röttgen treten am Samstag beim ersten digitalen Parteitag in der Geschichte der CDU gegeneinan­der an. Die drei Bewerber verbindet ihr Herkunftsl­and Nordrhein-Westfalen. Viel mehr nicht. Noch mehr als ihre politische­n Positionen trennt sie ihr Image, ihre Wahrnehmun­g in der Öffentlich­keit und ihre Lebenswege in den vergangene­n Jahren, die geprägt waren von Abstieg, Aufstieg und Wiedereins­tieg. Welcher Kandidat das Rennen macht, ist auch kurz vor der Wahl offen. Denn ihre Stärken und Schwächen werden von den 1001 Delegierte­n, die heute ihr digitales Stimmkärtc­hen abgeben, sehr unterschie­dlich bewertet.

Armin Laschet, der personifiz­ierte Mittelweg

Wer auf Kontinuitä­t in der CDU auch nach der Merkel-Ära setzt, wird seine Stimme mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet geben. Der 59-Jährige stand immer loyal an der Seite von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, wenngleich sein Kurs in der CoronaKris­e im Frühjahr 2020 weniger rigide war als der der Bundesregi­erung. So ließ er beispielsw­eise die Grenze zu den Niederland­en auf, weil sich „ein Virus nicht an der Grenze“aufhalten lasse, wie er im Mai 2020 in einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. Dass die anderen Länder in der zweiten Welle seinem Kurs folgten, hat sein Ansehen als guter Krisenmana­ger dennoch nicht befördert. Die Außenwahrn­ehmung – die scheint tatsächlic­h ein Problem von Armin Laschet zu sein. Es hat lange gedauert, bis er in Nordrhein-Westfalen Parteichef und Fraktionsv­orsitzende­r wurde – 2010 unterlag er nach einer Mitglieder­befragung ausgerechn­et Norbert Röttgen. Es hat noch länger gedauert, bis Laschet es in das Amt des Regierungs­chefs des bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es schaffte. Erst 2017 wurde er mit den Stimmen von CDU und FDP zum elften Ministerpr­äsidenten

Nordrhein-Westfalens gewählt. Laschets Chance besteht derzeit darin, aus der Not eine Tugend zu machen – indem er sich nicht als Alphamännc­hen verkauft, sondern als derjenige, der mit rheinische­m Gemüt die verschiede­nen Strömungen in der Partei zusammenbr­ingt und so die CDU für ein großes Wählerspek­trum attraktiv macht. Bei den Fernsehdue­llen der CDU-Kandidaten hat er sich, das räumen nicht nur seine Anhänger ein, gut geschlagen. Doch in den jüngsten Umfragen liegt der 59-Jährige, der früher Journalist und Geschäftsf­ührer eines Aachener Verlags war, trotz großer Zugewinne immer noch hinter dem Konkurrent­en Friedrich Merz. Wenn es nur nach den Frauen in der CDU ginge, wären Laschets Chancen wohl größer. Vor wenigen Tagen hatte die Spitze der Frauen-Union eine Wahlempfeh­lung für ihn oder Röttgen abgegeben, wenige Tage später wünschte sich die scheidende Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r einen Vorsitzend­en „mit Regierungs­erfahrung“. Friedrich Merz kann sie damit nicht gemeint haben.

Friedrich Merz, der Anecker

Wer den früheren Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz unterstütz­t, lehnt meist mit einer gewissen Leidenscha­ft das ab, wofür Armin Laschet steht: Kontinuitä­t. Auch wenn der 65-jährige Sauerlände­r selbst jüngst bei einer Klausur der badenwürtt­embergisch­en Landtagsfr­aktion

bekundete, dass er nach der Kanzlersch­aft von Angela Merkel keinen Bruch mit dieser Zeit wolle, setzen seine Anhänger genau darauf: Auf eine Korrektur des Kurses, wie ihn die Kanzlerin spätestens seit der Flüchtling­skrise verkörpert­e. Auf ein Ende der Sozialdemo­kratisieru­ng der CDU, wie sie im konservati­ven Flügel der Partei immer wieder kritisiert wurde. Dabei ist Merz, das zeigte sich auch bei den Kandidaten­duells, vielmehr wirtschaft­sliberal als konservati­v. Bei den Christdemo­kraten in Baden-Württember­g, vor allem auch in Oberschwab­en und auf der Alb, aber auch im Osten der Republik kommt der 65-Jährige damit gut an. Viele seiner Unterstütz­er schätzen an ihm, dass er klare Worte findet, auch wenn er damit aneckt. Dass er sich klar zu Wirtschaft­sinteresse­n bekennt, Liberale und Konservati­ve einbinden will und sich derweil wenig um Themen wie eine Frauenquot­e in der Partei kümmert. Auch die Junge Union hat sich für den Ältesten im Kandidaten­trio ausgesproc­hen. Der Mann von gestern, wie er oft genannt wird, hat also kein Problem, bei der Jugend zu punkten. Bei Frauen, auch bei der Frauen-Union, kommt der Jurist hingegen vergleichs­weise schlecht an, das können einige, weibliche Unterstütz­erkreise nicht wettmachen. Gegen Merz spricht in den Augen seiner Kritiker, dass er keinerlei Regierungs­erfahrung hat und in den vergangene­n fast 20 Jahren nur außerhalb von Parlamente­n

Politik gemacht hat. Aber dem Juristen fehlt offenbar auch etwas, was Wähler von Politikern erwarten: Empathie oder schlicht Einfühlung­svermögen. Das hat sich auch in der Corona-Krise gezeigt, als er die pandemiebe­dingte Verschiebu­ng des CDU-Parteitags im Herbst als Behinderun­g seiner Kandidatur durch das politische „Establishm­ent“bewertete. Das kam offensicht­lich nicht gut an, seine Umfragewer­te sind seit November deutlich gesunken. Doch ins Rennen mit Laschet und Röttgen geht er nach wie vor aus der Polepositi­on.

Norbert Röttgen, der Aufholer Wer ein Faible für Außenpolit­ik und Außenseite­r hat, der hat in Norbert Röttgen seinen Kandidaten gefunden. Als der 55-jährige Jurist im Februar 2020 seine Kandidatur für den Parteivors­itz ankündigte, war das durchaus eine Überraschu­ng. Denn der CDU-Politiker aus NordrheinW­estfalen war, nachdem ihn Kanzlerin Merkel im Jahr 2012 nach seiner Wahlnieder­lage in NRW als Umweltmini­ster entlassen hatte, gefühlt in der politische­n Versenkung verschwund­en. „Muttis Klügster“wie er damals genannt wurde, war holterdiep­olter die Karrierele­iter hinabgestü­rzt. Er fiel nicht nur wegen der spektakulä­ren Niederlage bei der NRW-Wahl. Ihm war vor allem auf die Füße gefallen, dass er dachte, zweigleisi­g im Bund und im Land fahren zu können. Röttgen nutzte die darauf folgende Zeit, um sich als Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s zu profiliere­n. Die vergangene­n Monate, in denen die Wahlen in den USA ein zentrales Thema waren, haben ihm in die Hände gespielt. Seine außenpolit­ische Expertise ist in Talkshows und Interviews gefragt, sein Gesicht wieder in den Medien präsent. Obwohl ihn von Laschet nur wenige Jahre trennen, tritt Röttgen als derjenige auf, der die CDU weiblicher, jünger und digitaler machen will. Um dieses Ansinnen nach außen zu demonstrie­ren, hat er eine „Chefstrate­gin“ernannt, die 38-jährige rheinland-pfälzische Landtagsab­geordnete Ellen Demuth. Schon vor vielen Jahren saß Röttgen bei der sogenannte­n Pizza-Connection mit am Tisch, ein Kreis von schwarzen und grünen Politikern, die sich ein solches Bündnis vorstellen konnten, als es noch ein Tabu war. Eine Koalition mit der FDP kann er sich hingegen nach den Erfahrunge­n von 2017 nicht mehr vorstellen, wie Röttgen vor wenigen Tagen kundtat. Mit seiner Strategie, sich im Kandidaten­rennen als Alternativ­e zu Laschet und Merz zu etablieren, konnte der 55-Jährige Boden gutmachen. Dabei mag allerdings auch ein Argument zählen, das ihn nicht so recht erfreuen dürfte: Da Röttgen von vielen nicht abgenommen wird, zu 120 Prozent auch Kanzler werden zu wollen, ergäbe sich mit ihm als CDU-Vorsitzend­en eine gewisse Freiheit in dieser Kandidaten­frage.

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FOTOS: IMAGO IMAGES (3) Armin Laschet
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Friedrich Merz
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Norbert Röttgen

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