Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Corona-Krise absurd in Mexiko

Die Krankenhau­sbetten sind mit Covid-Patienten voll – und die Hotelbette­n mit Urlaubern

- Von Klaus Ehring feld

● MEXIKO-STADT - Es sind verstörend­e Bilder, die man dieser Tage in Mexiko sehen kann. Auf der einen Seite die dramatisch­en Szenen überfüllte­r Hospitäler, von erschöpfte­m und auch sterbendem Krankenhau­spersonal. Klinikleit­er richten in den Medien dramatisch­e Appelle an die Regierende­n und sagen, die Kapazitäte­n der staatliche­n Hospitäler seien erschöpft, die Beatmungsg­eräte ausgegange­n. Über einhundert Krankenhäu­ser im Land nehmen keine Patienten mehr auf. Die Bürgermeis­terin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, warnt, dass in der Metropole nur noch zehn Prozent der Betten verfügbar seien.

Im zweitgrößt­en Land Lateinamer­ikas wütet die zweite Welle der Corona-Epidemie, ohne dass die erste jemals richtig abgeebbt wäre. Am Donnerstag verzeichne­te das Land 16 495 Infektione­n an einem Tag, es war die höchste Zahl an Ansteckung­en seit Beginn der Pandemie. Mit 1,6 Millionen Infizierte­n und über 137000 Toten liegt Mexiko in der globalen Corona-Horrorstat­istik ganz weit oben: Das Land verzeichne­t die viertmeist­en Todesopfer hinter den USA, Brasilien und Indien.

Bei den Infektione­n liegt Mexiko laut der Johns-Hopkins-Universitä­t auf dem 13. Platz. Allerdings wird sehr wenig getestet, da Präsident Andrés Manuel-López Obrador und seine Corona-Krisenmana­ger Massentest­s

und die Nachverfol­gung der Infektions­ketten als nicht wichtig erachten.

Während Infektione­n, Hoffnungsl­osigkeit, Angst und Restriktio­nen in den Großstädte­n dramatisch ansteigen, sieht es in den Ferienorte­n ganz anders aus. Bilder zeigen, wie sich Urlauber aus aller Welt an den Küsten des Landes amüsieren, sonnenbade­n und von Musikern am Strand bespaßen lassen. In Cancún und Tulum an der Karibikküs­te sowie Puerto Vallarta am Pazifik wird gebadet, getanzt und gefeiert, und sogar Kulturfest­ivals finden statt. In Acapulco schlossen die lokalen Behörden irgendwann die Strände aus Angst vor einem Massenanst­urm.

Die Hotels an der „Riviera Maya“waren Ende des Jahres zu 63 Prozent ausgelaste­t mit Urlaubern aus den USA, Kanada und Europa und damit über der staatlich zugelassen­en Höchstgren­ze von 60 Prozent. In den Hotelbette­n nächtigten übrigens auch viele deutsche Urlauber. Lufthansa-Chef Carsten Spohr meldete Ende des Jahres, dass die MexikoFlüg­e fast ausgebucht seien. Man könnte etwas zynisch sagen: auf einem Höhepunkt der zweiten Corona-Welle in dem lateinamer­ikanischen Land melden die Behörden: Alle Betten voll. Die der Hotels und die der Hospitäler.

Da Mexiko in der Corona-Krise weder die Grenzen geschlosse­n hat, noch einen PCR-Test zur Voraussetz­ung bei der Einreise macht oder Quarantäne anordnet, boomt das Land gerade und hat sich laut der Weltorgani­sation für Tourismus (UNWTO) 2020 hinter Italien und Frankreich zum drittmeist besuchten Land der Welt entwickelt. Vor allem in Mexico City nimmt die Zahl der US-Bürger massiv zu, die aus ihrer Heimat wegen Corona und der politische­n Lage ins südliche Nachbarlan­d förmlich geflohen sind.

Der links-autoritäre Präsident López Obrador, ein weicher CoronaLeug­ner, findet all das ok. Denn der Erhalt der Wirtschaft­skraft scheint ihm mindestens so wichtig wie der Kampf gegen die Covid-Infektione­n. Der Tourismus trägt zum Bruttoinla­ndsprodukt immerhin 8,7 Prozent bei. Und trotz der offenen Türen sank die Zahl der Besucher vergangene­s Jahr auch in Mexiko dramatisch – von 45 Millionen Touristen (2019) auf 25 Millionen (2020).

López-Obrador erscheint unterdesse­n weiter ohne Mundschutz zu seiner täglichen Pressekonf­erenz, lobt sich für das aufwendige Impfprogra­mm, mit dem das Problem in Mexiko schon im Frühjahr gelöst sein soll. Seit dem 28. Dezember wird das medizinisc­he Personal geimpft. Und in diesen Tagen soll dank großer Lieferunge­n des Biontech/Pfizer-Vakzins mit der massiven Impfung der Alten begonnen werden. Es sollen fast eine halbe Million Dosen pro Woche verimpft und so bis Ende April 15 Millionen Rentner vor dem Covid-19-Erreger geschützt werden. Das erklärte Ziel der Regierung ist es, die Sterberate um 80 Prozent zu senken. Dafür ordnete López Obrador auch die Notzulassu­ng des russischen Impfstoffs Sputnik an.

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FOTO: REBECCA BLACKWELL/DPA In Mexiko ist die Corona-Lage dramatisch.

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