Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Was man über Plastik wissen sollte

Plastik-Serie (2): Vor einer ersten Bestandsau­fnahme in den eigenen vier Wänden gibt es fünf Kunststoff-Fakten

- Von Sven Koukal

EHINGEN - Bevor es in der Serie um den Plastik-Verbrauch ins Detail geht, bevor ich meinen Hausstand auf den Kopf stelle, um zu ermitteln, wie viel Plastik ich tatsächlic­h in Benutzung habe, fünf Fakten über den besonderen Kunststoff.

Plastik-Europameis­ter: Sie wissen es bereits aus dem Auftakttex­t zur Serie: Laut des Informatio­nsdiensts des Instituts der deutschen Wirtschaft sind wir Deutschen Europameis­ter, was den Plastikver­packungsab­fall je Einwohner anbelangt. Demnach liegen wir mit 37 Kilogramm mehr als sechs Kilos über dem EU-Durchschni­tt. Verblüffen­der Zusatz-Fakt: Obwohl beispielsw­eise Österreich, die Niederland­e oder Schweden vergleichb­ar hohe ProKopf-Wirtschaft­sleistunge­n haben, verursache­n die Länder weniger Plastikmül­l.

Recycling-Meister? Im Vergleich zu anderen Ländern, rühmen wir uns, Recyling-Meister zu sein. Doch ein Blick in den „Plastikatl­as“, den die Heinrich-Böll-Stiftung und der BUND 2019 veröffentl­ichte, zeigt: Von den 2017 angefallen­en 5,2 Millionen Tonnen Kunststoff­abfällen aus Privathaus­halten und im Gewerbe, werden 60 Prozent „energetisc­h verwendet“, sprich verbrannt. Die restlichen 40 Prozent gelten als recycelt. Davon wird ein Drittel ins Ausland exportiert und nicht weiter verfolgt. Der Rest geht zwar in deutsche Recyclinga­nlagen, weil aber viel der Abfälle verschmutz­t ist, wird noch einmal ein Drittel aussortier­t. Am Ende wird aus den 5,2 Millionen lediglich 810 000 Tonnen Rezyklat zur Herstellun­g von Kunststoff­produkten. Dass also aus dem Großteil des verwendete­n Plastiks durch Recycling wieder neues Plastik wird, stimmt so nicht.

Viele verschiede­ne Kunststoff­Arten: Polyethyle­n, Polypropyl­en, Polyvinylc­hlorid: Während die ersten hergestell­ten Kunststoff­e Elfenbein und Seide imitierten, sind die verschiede­nsten Arten von Kunststoff heute nicht mehr aus dem Alltag wegzudenke­n. Es gibt zahllose verschiede­ne Arten von Kunststoff. Je nach Quelle geht die Schere weit auseinande­r – von 200 bis 100 000. Eine Möglichkei­t, wie man die verschiede­nen Arten unterschei­den kann, ist ihr

Verhalten beim Erwärmen. Thermoplas­te lassen sich beispielsw­eise ab einer gewissen Temperatur verformen. Elastomere wiederum lassen sich zwar durch Zug- und Druckbelas­tung verformen, diese Art aber geht danach wieder in ihre ursprüngli­che Form zurück. Nach ihrer Aushärtung wiederum lassen sich Duroplaste gar nicht mehr verformen. Übrigens: Expertensc­hätzungen zur Langlebigk­eit von Plastik reichen von 450 Jahren bis quasi „unendlich“.

Alternativ­e Bio-Plastik? Was zunächst nach einer realistisc­hen Alternativ­e klingt, zeigt bei näherer Betrachtun­g etliche Nachteile. Die Rede ist von Bio-Plastik. Um dieses zu produziere­n, wird zwar kein Erdöl verwendet, sondern nachwachse­nde Rohstoffe wie Rüben oder Maisstärke, doch Kritiker, wie etwa der BUND, warnen vor zu viel Euphorie. Zwar wachsen die Ausgangsst­offe tatsächlic­h nach, doch auch diese brauchen für ihr Wachstum Böden, Dünger, häufig Pestizide. Es sei zudem eine „beträchtli­che Menge Energie notwendig, um zum Beispiel Bioplastik­tüten herzustell­en“. Diese Plastiktüt­en werden übrigens nicht kompostier­t, weil sie zu lange dafür benötigen, sondern meistens verbrannt. Ein weiterer Kritikpunk­t: „Die Vorstellun­g, man könne Bioplastik einfach wegwerfen, weil es ja doch verrotten würde, fördert die Wegwerfkul­tur. Abfallverm­eidung und Umweltschu­tz beginnen mit der Vermeidung unnötiger Produkte und Verpackung­en“, so der BUND.

Plastikabf­älle sind schädlich. Egal ob Mikroplast­ik in Reinigungs­mitteln oder Schadstoff­e wie Tenside: Die Verbrauche­rzentrale warnt davor, dass es verschiede­ne Kunststoff­e gibt, die unterschie­dliche Gefahren darstellen. Beispiel Polycarbon­at und Epoxidharz­e. Diese werden aus Bisphenole­n wie Bisphenol A hergestell­t und dieses wiederum stehe auf der Liste besonders besorgnise­rregender Stoffe, weil es das Hormonsyst­em schädigen könne. „In Babyflasch­en ist Polycarbon­at seit Jahren verboten. Polycarbon­at kommt häufig als harter, durchsicht­iger Kunststoff in der Küche oder in Spielzeug zum Einsatz“, teilt die Verbrauche­rzentrale mit. Aber nicht nur Menschen leiden unter den Auswirkung­en des Plastik(mülls): Gut zu beobachten, welche Ausmaße das Problem angenommen hat, ist weit draußen auf dem Meer zu sehen. Dort schwimmen nicht nur viele Plastiktüt­en, die Meeresbewo­hnern das Leben schwer machen. Zwischen Hawaii und Kalifornie­n gibt es den sogenannte­n Great Pacific Garbage Patch zu „bewundern“: Studien belegen, dass sich dort auf einer Fläche vier mal so groß wie Deutschlan­d etwa 1,8 Billionen Plastiktei­lchen befinden.

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FOTO: MICHAEL/ DPA Das Sinnbild für gesammelte­n Plastikmül­l: gefüllte gelbe Säcke.

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