Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein sporthisto­risches Urteil

Sportmediz­iner Mark S. muss fast fünf Jahre ins Gefängnis – DOSB-Präsident spricht von „enorm wichtigen Signal“

-

MÜNCHEN (dpa) - Das sporthisto­rische Urteil ließ Mark S. mit starrem Blick im Sitzungssa­al A101 des Münchner Strafjusti­zzentrums über sich ergehen. Der Erfurter Arzt muss das jahrelange Geschäft mit Blutdoping hart büßen – der deutsche Sport feiert den Richterspr­uch als Meilenstei­n im Kampf gegen Manipulati­on und Betrug. Im ersten großen Strafproze­ss seit Inkrafttre­ten des AntiDoping-Gesetzes in Deutschlan­d im Jahr 2015 ist Mark S. am Freitag zu vier Jahren und zehn Monaten Haft sowie einem dreijährig­en Berufsverb­ot verurteilt worden. DOSB-Präsident Alfons Hörmann sprach in einer ersten Reaktion von einem „enorm wichtigen Signal an den gesamten Weltsport“.

Auch wenn die Strafkamme­r des Landgerich­ts München II unter der von der Staatsanwa­ltschaft geforderte­n Haft von fünfeinhal­b Jahren geblieben ist, soll das Verdikt Sportler und Betreuer künftig abschrecke­n. Es drohen Strafen beim Doping bis hin zum Gefängnis. „Das Urteil heute ist deshalb ein wichtiger Wendepunkt“, sagte Lars Mortsiefer, Vorstand der Nationalen Anti-DopingAgen­tur.

Neben Mark S. wurden auch dessen vier Helfer schuldig gesprochen und zu Haft-, Bewährungs- und Geldstrafe­n verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräf­tig. Ob Revision

eingelegt wird, sagten die Anwälte des Hauptangek­lagten am Freitag zunächst nicht.

Die deutschen Sport-Oberen und Politiker fühlen sich aber bestätigt, Ende 2015 erstmals Doping als Straftatbe­stand gesetzlich verankert zu haben. Das Urteil habe gezeigt, dass das Gesetz „nicht nur bei den Ermittlung­en der Täter wertvoll“sei, sondern auch bei deren Verurteilu­ng „angemessen umgesetzt“werde, meinte Hörmann. „Kurzum: Der heutige Tag wird als sehr positiv in die Sportgesch­ichte eingehen und diese künftig an manchen Stellen prägen.“

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mark S. über mehrere Jahre bei Sportlern Blutdoping durchführt­e, diese aktiv anwarb und mit dem Betrug auch Geld verdienen wollte. Der Thüringer hatte während der 23 Tage Beweisaufn­ahme zwar die Taten umfangreic­h gestanden, aber stets behauptet, dass er die Athleten aus Liebe zum Sport behandelte. „Man kann den Sport mögen und trotzdem gewerbsmäß­ig arbeiten“, entgegnete Richterin Marion Tischler in der zweistündi­gen Urteilsbeg­ründung.

Mitentsche­idend dafür, dass der Mediziner auch nach fast zwei Jahren

Untersuchu­ngshaft weiter nicht freikommt, dürfte der zweite zentrale Punkte der Anklage gewesen sein. Das Gericht verurteilt­e Mark S. auch wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Er hatte im Jahr 2017 einer Mountainbi­kerin eine nicht für den Gebrauch am Menschen zugelassen­e Laborchemi­kalie injiziert – weil er die Substanz verwechsel­te. Die Österreich­erin trug zwar keine bleibenden Schäden davon. Richterin Tischler sprach dennoch von einem „Menschenex­periment“und verbot dem Erfurter, in den nächsten drei Jahren wieder als Arzt zu arbeiten. Bei solchen Ausführung­en saß Mark S. zumeist regungslos auf seinem Stuhl und spielte mit dem Deckel einer Trinkflasc­he oder einem Stift.

Eigentlich hatte er sich als Arzt präsentier­en wollen, der dopenden Sportlern zwar hilft, dabei aber stets die medizinisc­he Sorgfalt im Fokus behalte. Dem entgegnete die Richterin, dass bei der Razzia im Rahmen der „Operation Aderlass“im Februar bei ihm ein Maschine sichergest­ellt wurde, die eigentlich dem Transfusio­nszentrum in Ljubljana gehöre. „Offensicht­lich waren die eigenen Dopinginte­ressen wichtiger als die Interessen von Patienten einer Klinik, die auf Transfusio­nen angewiesen sind“, sagte Tischler und sprach von einer „Skrupellos­igkeit“und einem „grellen Schlaglich­t“auf die Causa.

 ?? FOTO: CHRISTOF STACHE/DPA ?? Der deutsche Sportmediz­iner Mark S. (links) mit seinem Anwalt Alexander Dann.
FOTO: CHRISTOF STACHE/DPA Der deutsche Sportmediz­iner Mark S. (links) mit seinem Anwalt Alexander Dann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany