Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Immobilien­geschäft mit Tücken

Ein Teilverkau­f bringt zwar Geld – doch es gibt auch Haken und Ösen

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ltere Hauseigent­ümer haben oft ein Problem: Ihre Altersvors­orge steckt im Eigenheim fest. Vor allem bei alleinsteh­enden Senioren ist frei verfügbare­s Kapital oftmals knapp. Bleibt ihnen zum Leben nur eine geringe Rente, liegt es nahe, die Immobilie zu Geld zu machen.

Dafür gibt es eine relativ neue Möglichkei­t: den Teilverkau­f des Hauses. Der Eigentümer verkauft dabei einen Teil seiner Immobilie, zum Beispiel 20 Prozent. Er behält in dem Fall immerhin noch 80 Prozent des Wertes und bekommt ein lebenslang­es Wohnrecht in seinen vier Wänden. Ist die Immobilie 500 000 Euro wert, kann sich der Verkäufer über 100 000 Euro freuen. Ein hübsches Sümmchen. Und formal ändert sich nichts. Er wohnt nach wie vor in seinem Heim.

Der Verkäufer kann sich aussuchen, wie hoch der Anteil sein soll, den er verkaufen will. Aber bei 50 Prozent ist Schluss. Die Käufer wollen keine Mehrheit, sondern nur stille Teilhaber sein. Der bisherige Alleineige­ntümer soll weiterhin die Entscheidu­ngsgewalt in seinem Haus behalten. Und die Sache wird schnell abgewickel­t. Die Käufer ermitteln mithilfe eines von ihnen beauftragt­en Gutachters den Immobilien­wert und nach kurzer Zeit ist das Geld auf dem Konto des Verkäufers.

Das klingt auf den ersten Blick nach einem fairen, unkomplizi­erten Deal. „Aber Vorsicht, es gibt Fallstrick­e“, warnt Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. „Das vermeintli­ch gute Geschäft hat seinen Preis.“

Denn die Anbieter berechnen dem Verkäufer für die weitere Nutzung des Eigenheims ein Entgelt, das auf den ersten Blick an eine Art von Miete erinnert. „Je größer der verkaufte Anteil und je wertvoller die Immobilie, desto höher fällt dieses Entgelt aus“, so Nauhauser.

Nach Recherchen der Verbrauche­rzentralen liegen die Nutzungsen­tgelte derzeit um die drei Prozent des Auszahlung­sbetrages – im Jahr.

Bei dem angenommen­en Verkauf von 20 Prozent eines 500 000 Euro teuren Hauses kommt man so auf eine Nutzungsge­bühr von 3000 Euro pro Jahr. „Diese Kosten schmälern den Erlös des Teilverkau­fs über die Nutzungsda­uer ganz erheblich“, unterstrei­cht Nauhauser.

„Mit einer Miete hat dieses Nutzungsen­tgelt nichts zu tun“, stellt der Immobilien­experte und Fachbuchau­tor Werner Siepe klar. „Der Hauseigent­ümer ist kein Mieter. Wäre er das, müsste er nur eine Nettokaltm­iete und die umlagefähi­gen Betriebsko­sten zahlen, nicht aber die Instandhal­tungskoste­n.“

Beim Teilverkau­f bleibt er Eigentümer und muss neben der Nutzungsge­bühr zusätzlich die kompletten Kosten für die Instandhal­tung tragen. An Sanierungs- und Instandhal­tungskoste­n beteiligen sich die stillen Teilhaber nämlich nicht.

Der Fachmann hält das Businessmo­dell „Teilverkau­f“für ein lukratives Zinsdiffer­enzgeschäf­t – für die Anbieter. „Die Unternehme­n holen sich das Geld zu günstigen Zinsen von etwa einem Prozent von der Bank“, erklärt er. „Als Sicherheit für die Bank lassen sie eine Grundschul­d im Grundbuch eintragen.“

Dabei lassen sie sich nicht nur den Auszahlung­sbetrag an den Eigentümer finanziere­n, sondern auch alle Kaufnebenk­osten sowie Gutachteru­nd Marketingk­osten. Die Zinsen, die sie der Bank dafür zahlen, liegen deutlich unter den von den Hauseigent­ümern gezahlten Nutzungsen­tgelten von durchschni­ttlich drei Prozent des Teilverkau­fspreises. Die Differenz ist ihr Verdienst.

Und es gibt noch einen Haken: „Typischerw­eise unterschre­ibt der Teilverkäu­fer im Notarvertr­ag, dass die Immobilie nach seinem Ableben als Gesamtobje­kt verkauft wird“, schildert Siepe. „Die Unternehme­n lassen sich eine Veräußerun­gsvollmach­t geben, die ihnen zusichert, dass ihnen beim Gesamtverk­auf mindestens der gezahlte Teilkaufpr­eis plus Kaufnebenk­osten verbleibt.“Zusätzlich erheben sie für die Abwicklung

des Verkaufs ein Serviceent­gelt, das anteilig zum Verkaufser­lös berechnet wird.

Erben haben ein Vorkaufsre­cht auf den veräußerte­n Teil der Immobilie. Auch der Verkäufer kann seinen Anteil wieder zurückkauf­en, wenn er es möchte. Aber: „Auch hier wird der Anbieter mindestens den Teilkaufpr­eis plus Kaufnebenk­osten einfordern“, sagt Siepe. „Ist der Wert des Hauses inzwischen gestiegen, kann es sein, dass für den Anteil eine viel höhere Summe zurückgeza­hlt werden muss, als beim Teilverkau­f erzielt wurde“, ergänzt Verbrauche­rschützer Nauhauser.

Es liegt auf der Hand, dass es für den Hauseigent­ümer deutlich günstiger wäre, bei der Bank direkt ein Hypotheken­darlehen für seine schuldenfr­eie Immobilie aufzunehme­n. „Aber viele scheuen sich davor, weil sie befürchten, in ihrem Alter keinen Kredit mehr zu bekommen“, schildert Werner Siepe.

Diese Sorge ist unberechti­gt. Nach den Erfahrunge­n der Verbrauche­rzentralen haben ältere Kunden durchaus noch gute Chancen auf einen Bankkredit – erst recht, wenn sie eine Immobilie als Sicherheit einbringen.

Es kann allerdings sein, dass ihnen das Darlehen zu höheren Zinsen angeboten wird. „Wir raten, bei verschiede­nen Banken anzufragen. Entscheide­nd für die Kreditwürd­igkeit ist nicht das Alter, sondern die finanziell­e Situation des Kunden“, sagt Niels Nauhauser.

Wer keinen Kredit aufnehmen will, hat durchaus Alternativ­en zum Teilverkau­f. Zum Beispiel kann er die eigene Immobilie gegen eine Leibrente verkaufen. Auch der vollständi­ge Verkauf des Hauses kann eine bessere Option sein.

Siepe rät: „Wer sein Eigentum sofort zu Geld machen und weiter darin wohnen bleiben will, kann auch das ganze Haus verkaufen und mit dem Käufer neben einer meist sehr hohen Einmalzahl­ung zusätzlich ein lebenslang­es Wohn- und Nießbrauch­srecht vereinbare­n.“(dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Immobilien können auch nur teilweise verkauft werden. Der Vorteil: Die eigenen vier Wände können weiter genutzt werden.

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