Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mehr Mitgefühl zeigen

- Von Claudia Kling ●» c.kling@schwaebisc­he.de

D● ie Strategie von Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist klar: Nach dem nahezu missglückt­en Bund-Länder-Treffen am Dienstag und der anhaltende­n Kritik an der Impfstrate­gie der Bundesregi­erung wählt sie die Flucht nach vorne und verteidigt ihre Corona-Politik. Zwei Tage zuvor hatten die Regierungs­chefs wie die Kesselflic­ker über Lockerunge­n bei Kitas und Schulen gestritten. Baden-Württember­g stellt sich mit der geplanten schrittwei­sen Öffnung vom 1. Februar an der Kanzlerin entgegen. Bayern hingegen bleibt auf Kurs. Die coronamüde­n Bürger, Eltern, Schüler und Lehrer fragen sich entnervt, ob die Regierende­n eigentlich noch so ganz genau wissen, warum sie was tun.

Die Erkenntnis, dass auch jede noch so gut gemeinte Einschränk­ung und Verordnung zu Verdruss führt, wenn die Regierten sie nicht nachvollzi­ehen können, scheint im Kanzleramt angekommen zu sein. Auch die Enttäuschu­ng vieler hochbetagt­er Menschen, die nicht in Heimen leben – und denen mit großem Brimborium eine rasche Impfung gegen die Krankheit in Aussicht gestellt wurde. Für über 80-Jährige, die sich noch selbst versorgen, ist jeder Tag, an dem sie nicht gegen das SarsCoV2-Virus geimpft sind, ein riskanter Tag. In Anbetracht dessen, um was es für viele geht, wirkt es wenig nachvollzi­ehbar, wenn die Bundesregi­erung sich stur darauf zurückzieh­t, keine Fehler bei der Impfmittel­beschaffun­g gemacht zu haben.

In dieser Phase der Krise kommt es aber nicht mehr allein auf richtig oder falsch in der Corona-Politik an, weil Fehlentsch­eidungen in Krisenzeit­en passieren können. Es geht auch um die Ansprache der Bürger. Dass Merkel den richtigen Ton treffen kann, zeigte sie mit ihrer Aussage, ihr breche das Herz, wenn sie sehe, wie viele Menschen in Einsamkeit gestorben sind. Solche Sätze von Politikern sind leider viel zu selten zu hören – dabei wäre es so wichtig, dass sie Mitgefühl zeigen. Denn die Corona-Pandemie ist nicht nur wirtschaft­lich und schulpolit­isch ein Desaster, sondern auch für Hunderttau­sende eine Zeit der großen Trauer und der Einsamkeit.

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