Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Höfesterbe­n geht weiter

Die Zahl der landwirtsc­haftlichen Betriebe im Südwesten schrumpft – Das Tempo des Rückgangs nimmt jedoch ab

- Von Andreas Knoch

WIESBADEN/STUTTGART/RAVENSBURG - Weniger Bauernhöfe, aber dafür mehr Großbetrie­be: Der Strukturwa­ndel in der Landwirtsc­haft in Baden-Württember­g ist in den vergangene­n zehn Jahren weiter vorangesch­ritten. Zu diesem Befund kommt das Statistisc­he Bundesamt, das am Donnerstag die Ergebnisse der neuen Landwirtsc­haftszählu­ng präsentier­te. Demnach gab es zum Stichtag 1. März 2020 im Südwesten nur noch 39 400 Agrarbetri­ebe mit einer durchschni­ttlichen Betriebsgr­öße von 36 Hektar in denen knapp 140 000 Personen beschäftig­t waren. Vor zehn Jahren waren es noch 44 500 Agrarbetri­ebe die durchschni­ttlich 32 Hektar bewirtscha­fteten und 190 000 Personen beschäftig­ten. Die landwirtsc­haftlich genutzte Fläche stieg in diesem Zeitraum um 0,7 Prozent auf 1,4 Millionen Hektar. Basis der Daten sind Erhebungen unter rund 265 000 Landwirtin­nen und Landwirte in Deutschlan­d, die alle zehn Jahre detaillier­t Auskunft über ihre Betriebe geben. Die letzte Zählung hatte es im Jahr 2010 gegeben. Auch damals war die Zahl der Landwirtsc­haftsbetri­ebe rückläufig – allerdings in einem deutlich größerem Ausmaß.

Vor allem in der Tierhaltun­g haben viele Betriebe im Südwesten in den vergangene­n Jahren aufgegeben. So waren von den gut 10 800 Milcherzeu­gern vor zehn Jahren im Jahr 2020 nur noch 6200 aktiv. Das entspricht einem Minus von 42 Prozent. Bei den schweineha­ltenden Betrieben hat im gleichen Zeitraum sogar mehr als jeder zweite (54 Prozent) die Stalltore geschlosse­n. Da vorwiegend kleinere Betriebe vom Markt verschwand­en, sind die Auswirkung­en auf die Viehbestän­de weniger markant.

Die Zahlen in der Tierhaltun­g stehen stellvertr­etend für die Krise in der Branche – hervorgeru­fen etwa durch Billigprei­se für Lebensmitt­el. Immer mehr Bauern sehen sich in Existenzno­t und klagen über zu geringe Erzeugerpr­eise und ein aus ihrer Sicht unfaires Gebaren der großen Einzelhand­elsketten. Ende 2020 war es daher zu einigen größeren Demonstrat­ionen von Landwirten vor Aldi-Zentrallag­ern gekommen, die von der Bauernprot­estbewegun­g „Land schafft Verbindung“organisier­t wurden.

Auch der Deutsche Bauernverb­and sieht das Fass vorm Überlaufen. „Die Situation ist für viele Betriebe in Baden-Württember­g äußerst schwierig. Der Lebensmitt­eleinzelha­ndel hingegen hat ein sattes Umsatzplus erzielt. Hier wird gerade viel Geld auf dem Rücken der Bauern verdient“, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Landesbaue­rnverbande­s BadenWürtt­emberg und Chef des Deutschen

Bauernverb­andes (DBV) im Vorfeld der Grünen Woche der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Umweltschü­tzer mahnen beim Umbau der Landwirtsc­haft hin zu mehr Natur-, Tier- und Klimaschut­z hingegen mehr Tempo an. In BadenWürtt­emberg etwa wirtschaft­en aktuell gut elf Prozent der landwirtsc­haftlichen Betriebe (4500) nach ökologisch­en Kriterien – fast 50 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Der Bauernverb­and betonte vor diesem Hintergrun­d den Widerspruc­h „zwischen dem gesellscha­ftlichen Verlangen nach mehr Ökologie und Tierwohl einerseits“und „der häufig fehlenden Bereitscha­ft der Verbrauche­r, im Laden dafür mehr zu bezahlen“anderersei­ts. Diesen Widerspruc­h aufzulösen werde „eine der großen Herausford­erungen“für die kommenden Jahre sein.

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FOTO: DPA Landwirt beim Pflügen: Im Südwesten ist die Zahl der Agrarbetri­ebe in der vergangene­n Dekade um elf Prozent auf 39 400 gesunken.

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