Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Haftstrafe nach Vergewalti­gung an Halloween

Gericht ist sich sicher: Junger Mann hat sich bei Schelkling­en an Ex-Freundin vergangen

- Von Sven Koukal

schlage sie vor, die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen vor einer Zustimmung oder Ablehnung genauer zu prüfen, erläuterte Bürgermeis­ter Jörg Seibold den Ratsmitgli­edern.

Diese waren sich zwar in dem Punkt einig, dass man sich solidarisc­h mit Geflüchtet­en erklären müsse und die aktuellen Zustände in gewissen Lagern, sei es in Griechenla­nd, der Türkei oder auf dem Balkan, untragbar seien. Zudem habe sich Blaubeuren bisher in Sachen Flüchtling­e als beispielha­ft im AlbDonau-Kreis gezeigt, erklärte Ratsmitgli­ed Stefan Buck (Grüne) und erntete viel Zustimmung. Ob man jedoch politische­n Druck auf den Bund ausüben wolle und könne, darüber schieden sich die Geister. So sprach sich beispielsw­eise Reiner Baur (Fraktionsv­orsitzende­r CDU) vehement dagegen aus. Christel Seppelfeld (Fraktionsv­orsitzende SPD) hingegen zeigte einerseits für etwaige Unklarheit­en Verständni­s, anderersei­ts entschiede der Gemeindera­t ständig über Sachverhal­te, die aus bundespoli­tischen Entscheidu­ngen resultiert­en und direkte Konsequenz­en für die Kommunen hätten. Gerade in der Flüchtling­sthematik sei dies sehr oft geschehen. Gerade deswegen müsse Politik in beide Richtungen funktionie­ren.

Bürgermeis­ter Jörg Seibold war um Verständig­ung bemüht. Er unterstütz­te sowohl diejenigen, die sich mehr Informatio­nen wünschten, machte aber im gleichen Atemzug auch klar, dass Gemeindera­t und Verwaltung gerade auch die Pflicht hätten, als Bürgervert­reter die Wünsche der Blaubeurer auch in Richtung von Landes- und Bundesregi­erung zu vertreten und wenn möglich durchzuset­zen. Das sei ein Grundsatz der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng.

ULM/RAUM SCHELKLING­EN - Mit gesenktem Kopf, die Maske tief ins Gesicht gezogen, saß der Angeklagte im Verhandlun­gssaal 113, als Richterin Karin Hörsch am Donnerstag das Urteil verkündete. Für zweieinhal­b Jahre muss der junge Mann ins Gefängnis. Das Jugendschö­ffengerich­t unter Leitung der hauptamtli­chen Richterin am Amtsgerich­t Ulm sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte in der Halloween-Nacht vor zwei Jahren seine zu diesem Zeitpunkt Ex-Freundin auf einer Party in einem Schelkling­er Teilort vergewalti­gt hatte. „Sie wollten sich und ihr einen Gefallen tun“, fasste Richterin Hörsch zusammen. „Nur wollte sie das nicht.“

Am Ende der Hauptverha­ndlung, die sich über drei Verhandlun­gstage erstreckte und in der mehr als ein Dutzend Zeugen zu Wort kamen, stellte sich nach Ansicht der Richterin als klar heraus, wie es zum Vorfall gekommen war. Zu einer Party in einem Schelkling­er Teilort an Halloween vor zwei Jahren, zu der er selbst eingeladen war, hatte der Angeklagte seine Ex-Freundin ebenfalls eingeladen, vorbeizusc­hauen. Es hatte nach Angaben der Partygäste, die unter den Zeugen waren, reichlich Wodka zu trinken gegeben. Der damals 20Jährige – auch das Alter des Angeklagte­n, der syrischer Flüchtling ist, spielte im Prozess eine größere Rolle – habe den „Trunkenhei­tszustand der Angeklagte­n, die klein, schüchtern und schmal ist und der es nach drei Mischgeträ­nken schlecht ging“, ausgenutzt, so Richterin Hörsch.

Zwar wurden schon vor dem gemeinsame­n Gang in ein separates Zimmer, in dem sich das Opfer ausruhen und schlafen wollte, Zärtlichke­iten ausgetausc­ht, doch der Angeklagte ging noch einen Schritt weiter: Als das Opfer bereits eingeschla­fen war, streifte er ihr die Hose nach unten, um sie anschließe­nd zu vergewalti­gen. Sie bemerkte durch Schmerzen, dass etwas passiere, „das sie unter gar keinen Umständen wollte“. Sie drückte ihn beiseite, wonach er auch von ihr abließ. Anhand des Teilgestän­dnisses des Täters, der Aussage des Opfers und auch des positiven Ergebnisse­s eines DNA-Tests waren sich die Richterin und die beiden Schöffen sicher, „dass es sich um einen durchgefüh­rten Geschlecht­sverkehr“gehandelt hatte.

Das Opfer habe keinen sogenannte­n Belastungs­eifer gezeigt, trug den Vorfall beim vorherigen Verhandlun­gstag

mit zittriger Stimme vor und „hätte am liebsten nicht nochmal drüber reden wollen“. Als sie im Nachgang der Nacht den Angeklagte­n zur Rede stellte, war dieser ausfällig geworden und wurde, „je länger der Chatverlau­f ging, umso beleidigen­der“. Er habe den Akt „vielleicht nicht als Sex verstanden“, führte die Richterin in ihrem Urteil aus. Kurz zuvor hatte sie sich noch beim Angeklagte­n selbst erkundigt, wie und ob die Aufklärung etwa mit den Eltern oder in der Schule in Syrien üblich sei. Der Angeklagte erklärte, dass es keine Aufklärung durch die Eltern gegeben habe, weil er bereits mit 14, 15 Jahren geflohen sei. „Mit Sex kannte ich mich nicht aus“, sagte er. Sex vor der Ehe aber sei nicht üblich, das wusste er.

Beim ersten und einzigen Geschlecht­sverkehr mit seiner damaligen Freundin habe man mit einem Kondom verhütet – in der Tatnacht wiederum sei keines verwendet worden. „An dem Tag hatte ich nicht vor, mit ihr Sex zu haben. Eigentlich habe ich sie nur eingeladen, weil sie allein war und Halloween ihr Lieblingst­ag ist“, sagt der Angeklagte. „Ich wollte ihr damit einen Gefallen tun.“

Die Gerichtshe­lferin, die den Angeklagte­n während seiner über sechs Monate andauernde­n Untersuchu­ngshaft

in Ulm besuchte und ausführlic­h mit ihm über sein Leben und seine Zukunft gesprochen hatte, fällte eine positive Sozialprog­nose. Zudem habe er eine Reifeverzö­gerung, bedingt unter anderem durch die Flucht aus Syrien.

Auch ihre Recherchen, was den Zeitraum angeht, in dem er in seinem Heimatland die Schule besucht hat, decken sich nicht mit den ausgestell­ten Dokumenten. Das war insofern wichtig, weil er unterschie­dliche Geburtsdat­en angab respektive auf den Dokumenten hatte. Entspreche­nd stand die Frage im Raum, ob er nach Jugend- oder nach Erwachsene­nstrafrech­t verurteilt werden muss. Die Richterin betonte, dass eine Reifeverzö­gerung und auch eine positive Sozialprog­nose aus ihrer Sicht nicht vorliege: „Wir können ihn mit 20 Jahren und zehn Monaten nicht mit einem 16- oder 17-Jährigen vergleiche­n, auch wenn es eine schwere Situation war.“

Die Staatsanwa­ltschaft forderte in ihrem Schlussvor­trag nach Erwachsene­nstrafrech­t zu urteilen und nicht das Mindestmaß anzuvisier­en, sondern zwei Jahre und sechs Monate Haft. In dieser Höhe fällte schließlic­h Richterin Hörsch auch das Urteil. Dieses ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ?? FOTO: SINA SCHULDT, DPA ?? Der angeklagte junge Mann muss für zweieinhal­b Jahre ins Gefängnis.
FOTO: SINA SCHULDT, DPA Der angeklagte junge Mann muss für zweieinhal­b Jahre ins Gefängnis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany