Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Uniklinik: Ulmer Grüne schicken Brandbrief an eigene Ministerin

Sie beklagen die Arbeitsbed­ingungen am Krankenhau­s – Auch die Stadt Ulm kriegt ihr Fett weg

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ULM (rau) - Ungewöhnli­ch bei der Schelte, die Anfang der Woche in Form eines Briefs ans Wissenscha­ftsministe­rium in Stuttgart geschickt worden war, ist nicht unbedingt der Inhalt. Es geht um verbesseru­ngswürdige Arbeitsbed­ingungen fürs Personal der Uniklinik. Ungewöhnli­ch sind: Absender und Adressat. Es handelt sich jeweils um grüne Politiker.

Auch Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU) bekam das Schreiben auf seinen Schreibtis­ch. Denn auch an ihn appelliert Michael Joukov-Schwelling, Geschäftsf­ührer der Ulmer Grünen-Fraktion im Gemeindera­t und grüner Ulm-Kandidat bei der nahenden Landtagswa­hl, endlich zu handeln.

Was Joukov-Schwelling und seine Ersatzkand­idatin Elena Weber, ihres Zeichens Doktorandi­n der Medizin, stört: Zwar habe man medizinisc­hes und pflegerisc­hes Personal an die Front geschickt, um die Ausbreitun­g und Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen. Ihr Einsatz werde sogar öffentlich beklatscht; allerdings lasse man das Personal, zumindest an der Ulmer Uniklinik, auch im Stich.

Joukuv-Schwelling zählt mehrere Punkte auf. Unter anderem müssten die Klinik-Beschäftig­ten für ihren Nachwuchs in der klinikeige­nen Betriebski­ndertagess­tätte auch dann Betreuungs­gebühren zahlen, wenn die Kita geschlosse­n sei. Die Gebühren würden nach wie vor nicht erstattet. Dies sei, so Joukov-Schwelling, auch für künftige Schließung­en nicht geplant.

Ihn ärgert das. Vor allem, dass sich weder das fürs Unikliniku­m zuständige Wissenscha­ftsministe­rium in Stuttgart, noch die Stadt Ulm hier zuständig fühlten. Joukov-Schwelling empfindet dies als „äußerst unwürdiges Gefeilsche“. Seine Forderung: Zunächst die Gebühren erstatten und sich danach in Juristerei zu üben, welche Stelle dafür nun finanziell aufkommen muss.

Pikant: Adressat in Stuttgart ist ausgerechn­et Theresia Bauer, eine Parteifreu­ndin Joukov-Schwelling­s. Doch dieser erklärt in dem der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegend­en Brief, dass es ihm rein um die Sache gehe. Das Schreiben sei „NICHT dem Wahlkampf “geschuldet, sondern der „tiefen Sorge“, dass diejenigen, die gerade einen für uns alle „enorm wichtigen Dienst“verrichten, nicht fair behandelt würden. Man würde es ihm wohl auch ohne diesen Zusatz glauben. Wer die eigene Ministerin kritisiert, macht eher keine Werbung für die eigene Partei.

Weitere Kritikpunk­te: leere (Besucher-)Parkplätze (wegen der Pandemie),

auf denen die Klinik-Beschäftig­ten ihre Fahrzeuge aber trotzdem nicht abstellen dürften. Weil es die Vorschrift­en angeblich so wollten. Als Grüner sei er zwar für die Verkehrswe­nde, so JoukovSchw­elling, allerdings gehe es hier um etwas anderes. Den Beschäftig­ten müsse es als ein „Zeichen der Geringschä­tzung“vorkommen, täglich den Weg zur Arbeit an leerstehen­den Parkplätze­n vorbei nehmen zu müssen.

Weiterer Punkt: Der Schichtpla­n in der Klinik sollte neu abgestimmt werden um den Beschäftig­ten ein besseres Arbeiten zu ermögliche­n. Hier geht JoukovSchw­elling nicht weiter ins Detail.

Abschließe­nd lautet sein Wunsch an Ministerin wie Ulms OB, dass sich diese bei den Mitarbeite­rn der Uniklinik (Ulms größter Arbeitgebe­r) schriftlic­h für deren „Einsatz und Beitrag zur Pandemiebe­kämpfung“in einem Brief bedanken.

Das Ministeriu­m konnte am Mittwoch auf Nachfrage den Eingang des Brandbrief­s aus Ulm noch nicht bestätigen. Deshalb wollte man noch keine Stellungna­hme abgeben. Ähnlich reagiert die Stadt Ulm.

Man kommentier­e Vorgänge in anderen öffentlich­en Einrichtun­gen (Uniklinik ist dem Wissenscha­ftsministe­rium unterstell­t) grundsätzl­ich nicht. Der Aufforderu­ng zum Lob der Mitarbeite­r kommt OB Czisch aber nach, wenn auch indirekt. Eine Sprecherin verweist auf seine diesjährig­e Schwörrede, darin hatte es geheißen, mit Blick auf Menschen in systemrele­vanten Berufen: „Sie alle haben tapfer und zäh unser Alltagsleb­en aufrechter­halten. Sie haben es meist klaglos getan, obwohl sie oft noch mehr als andere dem Ansteckung­srisiko ausgesetzt waren.“

Was er sich von seinem Brief erhofft? Manchmal, so Joukov-Schwelling, müsse eben Druck von außen aufgebaut werden, damit sich Dinge änderten.

Dies ist ihm in diesem Kontext offenbar wichtiger als seine Sorge groß ist, dass durch seinen Vorstoß schlechtes Licht auf die eigene Ministerin fallen könnte.

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Michael JoukovSchw­elling
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Theresia Bauer

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